Datum: 21. Mai 2025

Wohnungslosigkeit – Löser: Wer früh unterstützt wird, braucht später keine Notunterkunft

Redebeitrag des Abgeordneten Thomas Löser (BÜNDNISGRÜNE) zum Antrag der Fraktion DIE LINKE: „Wohnungslosigkeit verhindern: Landesweite Handlungsstrategie umsetzen!“ (Drs 8/451)

13. Sitzung des 8. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 20.05.2025, TOP 13

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,

wir sprechen heute über eines der grundlegendsten Bedürfnisse eines jeden Menschen. Es geht um Wohnen oder besser gesagt Wohnungslosigkeit in Sachsen.

Wohnungslosigkeit ist eine der elementarsten Formen von Armut. Gleichzeitig ist sie in vielen Fällen auch eine der unsichtbarsten. Denn wer in Notunterkünften lebt, auf der Couch bei Freunden schläft oder keine feste Meldeadresse hat, der verschwindet schnell aus dem Fokus der öffentlichen Wahrnehmung – aber das ändert nichts an der persönlichen Not, an der Verletzlichkeit und am Verlust von Grundrechten.

Lassen Sie mich mit den aktuellen Zahlen beginnen: Am 31. Januar 2023 lebten 2.935 Menschen in Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe in Sachsen. Nur ein Jahr später – Anfang 2024 – sind es bereits 4.535. Das ist ein Anstieg von über 50 Prozent. Innerhalb eines einzigen Jahres!

Und dabei sind die Menschen, die in verdeckter Wohnungslosigkeit leben – also beispielsweise bei Bekannten unterkommen – nicht einmal mitgezählt. Die Staatsregierung gibt selbst an, dazu keine validen Zahlen zu haben. Das heißt: Wir wissen, dass es schlimm ist. Aber wir wissen nicht einmal, wie schlimm genau.

Sehr geehrte Damen und Herren,
Wohnungslosigkeit ist kein abstraktes Problem. Sie ist konkret. Sie bedeutet: keine Privatsphäre, keine Sicherheit, ständige Abhängigkeit von anderen.

Und sie betrifft keineswegs nur eine kleine, „abgehängte“ Minderheit. Heute sind es längst auch Alleinerziehende, Rentnerinnen mit kleiner Pension, Studierende, Berufstätige mit Niedriglohn, die in Not geraten, wenn die Miete steigt oder ein Schicksalsschlag eintritt. Und so einen Schicksalsschlag kann fast jeden treffen. Auch das ist Teil einer Wahrheit, die wir aussprechen müssen.

Die Kommunen leisten bereits heute viel in der Wohnungslosenhilfe. Viele Mitarbeitende in sozialen Trägern und Verwaltungen tun, was sie können – oft mit sehr begrenzten Mitteln. Doch es gibt eine Grenze dessen, was auf kommunaler Ebene allein bewältigt werden kann. Und genau an dieser Stelle ist der Freistaat gefragt.

Der Antrag der Linksfraktion fordert zu Recht, dass der Freistaat Sachsen endlich seiner Verantwortung gerecht wird. Denn die Sächsische Verfassung verpflichtet uns dazu. In Artikel 7 heißt es: „Der Staat schützt das Recht jedes Menschen auf ein menschenwürdiges Dasein.“

Ein menschenwürdiges Dasein ohne sicheren Wohnraum – das ist schlicht nicht möglich. Und deshalb brauchen wir einen neuen politischen Kurs. Einen, der Wohnungslosigkeit nicht nur verwaltet, sondern gezielt verhindert.

Lassen Sie uns nun einen Blick auf die konkreten Forderungen im Antrag werfen. Viele davon sind richtig und notwendig – einige sogar überfällig.

Die Forderung nach einer umfassenden, landesweiten Handlungsstrategie ist zentral. Ja, die Umsetzung liegt in vielen Punkten bei den Kommunen. Aber gerade deshalb braucht es einen übergeordneten Rahmen, eine Koordination, eine klare Linie. Sonst haben wir weiterhin einen Flickenteppich aus Einzelmaßnahmen, statt ein abgestimmtes Vorgehen. Und das kostet uns am Ende mehr – an Zeit, Geld und Wirkung.

Der Antrag stellt die Prävention in den Mittelpunkt. Und das ist richtig. Mietschuldenübernahme, zielgruppenspezifische Hilfen – insbesondere für junge Menschen – und aufsuchende Sozialarbeit sind keine Luxusmaßnahmen. Sie sind der klügste, sozialste und am Ende auch wirtschaftlichste Weg, um Wohnungslosigkeit zu verhindern. Wer früh unterstützt wird, braucht später keine Notunterkunft. Das spart nicht nur Geld, sondern vor allem menschliches Leid.

Ein weiterer zentraler Punkt ist der soziale Wohnungsbau. Die Situation in Leipzig und Dresden ist seit Jahren angespannt. Und auch in anderen Regionen sehen wir steigende Mietpreise bei gleichzeitigem Rückgang günstiger Wohnungen. Der Antrag fordert, die Förderung des sozialen Wohnungsbaus massiv zu erhöhen. Das liest sich gut, verdeckt aber das eigentliche Problem, welches wir haben. Das Geld in den Fördertöpfen ist ja da, es wird nur nicht vollständig abgerufen, weil das Bauen zu teuer und die Förderhöhe zu gering ist. An dieser Stelle wäre es also wichtig, die Fördersätze anzuheben. Eine alte Forderung von uns BÜNDNISGRÜNEN.

Zudem sollen Kommunen unterstützt werden, Belegungsrechte in Bestandswohnungen zu sichern – das wiederum ist ein kluger und schneller Weg, um bezahlbaren Wohnraum zu erhalten und auch schon lange eine BÜNDNISGRÜNE Forderung. Der Antrag schlägt vor, Projekte wie „Housing First“ zu verstetigen. Dieses Modell – zuerst die Wohnung, dann die soziale Begleitung – hat sich international bewährt. Es stellt nicht die Defizite der Betroffenen in den Mittelpunkt, sondern gibt ihnen zuerst ein stabiles Fundament. In Leipzig wurde „Housing First“ bereits mit Landesmitteln erprobt. Doch diese Förderung lief Ende 2024 aus. Das muss verstetigt werden.

Ein besonders sensibler Punkt ist der Umgang mit Kündigungen und Zwangsräumungen. Niemand sollte in die Wohnungslosigkeit geräumt werden. Deshalb muss sich die Landesregierung hier auch für bessere gesetzliche Regelungen einzusetzen – für längere Kündigungsfristen, für mehr Mieterschutz, für soziale Begleitung vor einer Räumung.

Das Thema ist wichtig, auch wenn wir einzelne Punkte anders sehen. Mein Appell: Sehen wir diesen Antrag nicht nur als ein Vorhaben der Linksfraktion. Sehen wir ihn als Angebot zur Zusammenarbeit. Es geht bei diesem Thema nicht um Parteipolitik, sondern um Menschen, die unsere konkrete Unterstützung brauchen.

Lassen Sie uns dafür sorgen, dass Sachsen ein Land bleibt, in dem Solidarität mehr zählt als Marktlogik. In dem jede und jeder eine Wohnung hat. Und in dem wir Wohnungslosigkeit nicht länger hinnehmen, sondern gezielt zurückdrängen.

Wir als BÜNDNISGRÜNE-Fraktion werden diesem Antrag daher zustimmen.

Vielen Dank.