Datum: 21. Mai 2012

PM 2012-160: Schwarz-Weiß-Schema wird der Wirklichkeit in Sachsen nicht gerecht

Im Sozialausschuss wurde heute der Gesetzentwurf der Staatsregierung zur "Regelung der Betreuungs- und Wohnqualität im Alter, bei Behinderung und Pflegebedürftigkeit im Freistaat Sachsen" abschließend beraten. Elke Herrmann, sozialpolitische Sprecherin der GRÜNEN-Fraktion, kritisiert, dass CDU und FDP die Möglichkeit von einem Paradigmenwechsel bei der Betreuung pflege- und unterstützungsbedürftiger Menschen in Sachsen ungenutzt verstreichen ließen:

"Die Staatsregierung hat ein in sich geschlossenes Gesetz geschaffen, das nach einem schwarz-weiß Schema ausschließlich Rechtssicherheit für stationäre Einrichtungen schafft. Den großen ambulanten Bereich blendet sie völlig aus. Anstatt verschiedene Wohnformen zu fördern und den Unterstützungsbedarf an den Grad der Abhängigkeit der Pflegebedürftigen zu knüpfen, hält man im Sozialministerium stur an einer auf stationäre Einrichtungen zentrierten Sichtweise fest. Seit der Öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf im September hat die Koalition viel Zeit gebraucht, um einen Änderungsantrag zu entwerfen, der an dieser grundsätzlichen Schwäche nichts ändert."

"Staatsregierung und CDU/FDP-Koalition haben damit die durch die Föderalisierung des Heimrechts eröffnete Chance verspielt, das Wohnen von pflegebedürftigen Menschen ausgehend von den Bedürfnissen der Betroffenen neu zu gestalten und die UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen. In entsprechende Regelungen gegossene Forderungen wie Selbstbestimmung, möglichst normales Wohnen, gesellschaftliche Teilhabe sucht man im Gesetzentwurf vergebens. Stattdessen gelten in Sachsen ambulante Wohngemeinschaften künftig bereits dann als Heim, wenn die Anwesenheit einer Betreuungskraft Tag und Nacht erforderlich ist."

"Die Verbände kritisieren dies zu Recht als realitätsfern. Abgesehen davon weicht Sachsen von den Regelungen der meisten anderen Bundesländer ab, die zumeist drei Stufen für das Wohnen vorsehen, in denen das Gesetz entweder uneingeschränkt, eingeschränkt oder gar nicht angewendet wird."

"Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die sächsische Regelung möglicherweise nicht mit den Regelungen des Pflegeneuausrichtungsgesetzes des Bundes konform ist. Dort werden Leistungen für Wohngemeinschaften eingeführt, sofern diese nicht unter das Heimrecht fallen. So wie das sächsische Heimgesetz formuliert ist, werden in Sachsen Wohngemeinschaften von diesen neuen Leistungen nicht profitieren."

"Die GRÜNE-Fraktion bringt daher zwei Änderungsanträge ein. Zum einen halten wir es für erforderlich, die Umsetzung mit einer Evaluation zu begleiten, da absehbar ist, dass die schwarz-weiß-Einteilung zahlreiche Anträge auf Ausnahmegenehmigungen nach sich ziehen wird. Der Bericht soll nach zwei Jahren dem Landtag vorgelegt werden, damit nachgebessert werden kann."

"Der zweite Änderungsantrag zielt darauf ab, dass die Heimaufsicht auf keinem Fall zum 1. Januar 2013 an den Kommunalen Sozialverband übergehen darf. Die Hand, die das Geld gibt, darf sich nicht kontrollieren. Das ist ebenfalls mit der UN-Behindertenrechtskonvention nicht vereinbar."

"Es ist bedauerlich, dass Staatsregierung und Koalition so wenig gesetzgeberischen Gestaltungswillen zeigen", resümiert Elke Herrmann. "Da zeigt der Gesetzentwurf von SPD- und Linksfraktion einen anderen Anspruch. Wir teilen den Ansatz, auch wenn er in der Fachöffentlichkeit bisher weniger Fürsprecher findet.

Die Änderungsanträge:
» Evaluation
» Heimaufsicht