Datum: 14. Januar 2013

PM 2013-09: Staatsregierung ist in zentralen Feldern der Sozialpolitik plan- und ziellos

Zur abschließenden Diskussion des 2012 vom Landespflegeausschuss beschlossenen "Sächsischen Gesamtkonzepts zur Versorgung älterer Menschen mit Behinderung" in der heutigen Sitzung des Sozialausschusses erklärt Elke Herrmann, sozialpolitische Sprecherin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

"Dass im letzten Jahr endlich dieses Konzept vorgelegt wurde- begleitet durch einen Diskussionsprozess im Landespflegeausschuss- ist zu begrüßen. Dass die Staatsregierung allerdings nicht aktiv steuernd beteiligt war, ist bezeichnend für Sachsens plan- und ziellose Sozialpolitik."

"Ich erwarte von der Staatsregierung, dass sie sowohl die fachliche Diskussion als auch den Planungsprozess ernst nimmt und steuert, dass sie Transparenz des Verfahrens herstellt und auf die Beteiligung der Betroffenen hinwirkt. Dann wäre der Staatsregierung auch aufgefallen, dass es nicht nur um die Versorgung von älteren Menschen mit Behinderung geht, sondern dass auch die gesellschaftliche Teilhabe pflegebedürftiger Menschen ein wesentlicher Baustein sein muss."

Diese Einschätzung teilten auch Sachverständige in der Anhörung des Gesamtkonzeptes, wie Dr. Edna Rasch vom Deutschen Verein. Sie kritisierte vor allem, dass das Konzept auf Einrichtungen fixiert ist und zu wenig die Wünsche der Menschen aufgreift.

"Die Staatsregierung legte zudem bis zuletzt keinen Wert auf die aktive Beteiligung derer, um die es geht, obwohl die UN-Behindertenrechtskonvention dies ausdrücklich vorsieht", ist Elke Herrmann empört. So ließ die Regierung das Konzept zwar im Sächsischen Amtsblatt als Sonderdruck veröffentlichen, um <<eine öffentliche Diskussion über die Inhalte des Gesamtkonzepts zu ermöglichen>>. (Stellungnahme zum Antrag der SPD "Umsetzung des Konzepts für ältere Menschen mit Behinderung voranbringen", Drs. 5/10401)

"Das ist jedoch eine Farce, wenn man berücksichtigt, dass der Erwerb des Amtsblattes recht teuer ist und die jeweils aktuelle Variante zwar kostenfrei im Internet eingesehen werden kann, diese allerdings nicht barrierefrei zugänglich ist. So lädt man nicht zu Beteiligung ein."

Der heute auch im Sozialausschuss besprochene Antrag der GRÜNEN-Fraktion "Ambulant vor Stationär umsetzen – quantitative und qualitative Bestandsaufnahme von ambulanten Wohngemeinschaften für Menschen mit Behinderung und Unterstützungs- und Pflegebedarf" sollte das Gesamtkonzept begleiten, um planvolles Handeln zu ermöglichen.
"Aber auch hier glänzte die Staatsregierung mit Ignoranz und lehnte den Antrag ab", so Herrmann.

Hintergrund:
Das Gesamtkonzept zur Versorgung älterer Menschen mit Behinderungen wurde von einem 2009 gebildeten Unterausschuss des Landespflegeausschusses Sachsen erarbeitet. Im Juni 2012 wurde das Gesamtkonzept im Landespflegeausschuss beschlossen und im August 2012 im Sächsischen Amtsblatt veröffentlicht. Darüber hinaus ist es seit Ende 2011 auf der Homepage des Kommunalen Sozialverbands Sachsen einsehbar
Artikel 4 Abs. 3 der UN-Behindertenrechtskonvention besagt: "Bei der Ausarbeitung und Umsetzung von Rechtsvorschriften und politischen Konzepten zur Durchführung dieses Übereinkommens und bei anderen Entscheidungsprozessen in Fragen, die Menschen mit Behinderungen betreffen, führen die Vertragsstaaten mit den Menschen mit Behinderungen, einschließlich Kindern mit Behinderungen, über die sie vertretenden Organisationen enge Konsultationen und beziehen sie aktiv ein."
Der GRÜNE Antrag "Ambulant vor Stationär umsetzen – quantitative und qualitative Bestandsaufnahme von ambulanten Wohngemeinschaften für Menschen mit Behinderung und Unterstützungs- und Pflegebedarf" (Drs. 5/9500) fordert von der Staatsregierung eine Bestandsaufnahme zu ambulanten Wohngemeinschaften, in denen Menschen mit Behinderungen und/oder Pflegebedarf leben. Die Stellungnahme der Staatsregierung ist jedoch äußerst dünn. Es wird nur auf 44 Wohngemeinschaften Bezug genommen, ohne eine Bewohnerzahl zu nennen, die aktuell gemäß sächsischem Heimgesetz, dem BeWoG (Betreuungs- und Wohnqualitätsgesetz) dahingehend überprüft werden, ob es sich um eine stationäre oder ambulante Wohnform handelt. Allein im Gesamtkonzept zur Versorgung älterer Menschen mit Behinderungen wird für 2010 eine Zahl von 199 Menschen (ebd. S. 14) ausgewiesen, die in ambulant betreutem Wohnen leben.
» GRÜNER Antrag Ambulant vor stationär …" (Drs. 5/9500)