Datum: 10. Mai 2018

Keine neuen Perspektiven für die Kohleregionen ohne verbindlichen Ausstiegsplan

(2018-120) Den aktuellen Äußerungen der Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (Brandenburg, SPD) und Michael Kretschmer (Sachsen, CDU) zum Braunkohleausstieg gegenüber der Nachrichtenagentur Dpa widerspricht der energie- und klimapolitische Sprecher der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag:

"Es gibt keine neuen Perspektiven für die Regionen ohne verbindlichen Ausstiegsplan. Ich bin entsetzt, dass sich Ministerpräsident Kretschmer in der Diskussion um die Zukunft der Kohlereviere immer nur im Kreis dreht, statt sich konstruktiv an der längst in Gang gekommenen gesellschaftlichen Debatte zu beteiligen. Wer Lösungen will, der findet gangbare Wege! Wer das nicht will, der sucht und findet für seine Verweigerung immer Gründe."

"Ich erwarte vom sächsischem Ministerpräsidenten, dass er sich endlich faktenbasiert um die realen Strukturprobleme der sächsischen Lausitz kümmert, statt weiter stur seine Braunkohle-Gebetsmühle zu drehen. Alle Prognosen zeigen, dass dort bereits in den nächsten zehn Jahren viele Tausend qualifizierte Arbeitskräfte fehlen werden."

"Kretschmers Ansatz, man müsse erst die Perspektiven in Form einer Art ‚Ersatzindustrie‘ hinstellen, bevor man über den Kohleausstieg nachdenken könne, ist ein befremdlicher Ausritt in die Planwirtschaft. Wenn Investoren eine Industrieansiedelung ins Auge fassen, dann nehmen sie diese so schnell wie möglich in Betrieb. Es wird in der Marktwirtschaft niemals eine Schattenindustrie geben, die auf die Braunkohle wartet. Schon dies zeigt, dass Kohleausstieg und Strukturentwicklung Prozesse sind, die zwingend parallel ablaufen."

"Der Ministerpräsident erweckt zudem den Eindruck, als könne man, wenn nicht irgendwer eine Ersatzindustrie hinstellt, einfach weiter baggern. Genau das aber ist bereits mit Perspektive auf das Jahr 2030 durch vertragliche Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland für den Klimaschutz völlig unmöglich. Das Geschäftsmodell der Braunkohle steht in der Energiewende angesichts von Diskussionen um Emissionslimits, Schadstoffgrenzwerte und CO2-Preise längst auf wackeligen Füßen."

"Wenn Kretschmer darauf setzt, dass ordnungspolitisch jederzeit durchsetzbare Kohleausstiegsfahrpläne erst auf den Tisch kommen, wenn eine sächsische Staatsregierung bereit ist, überhaupt darüber zu reden, pokert er hoch und spielt ein für Sachsen und die Lausitz sehr gefährliches Spiel."
"Erstmals seit den 1990er Jahren bestehen große Chancen für eine beschleunigte regionale Entwicklung und damit für neue Zukunftsperspektiven in den bisherigen Kohleregionen. Doch der nationale Konsens, den Regionen, die besondere Leistungen für die Erreichung der Klimaschutzziele erbringen müssen, massiv und solidarisch zu helfen, setzt rechtsverbindliche Ausstiegspläne und sofortige Schritte zu deren Umsetzung voraus. Ohne besondere Anstrengung für Fortschritte bei einer nationalen Großaufgabe kein extra Geld von der Solidargemeinschaft – so ist Logik. Es gibt nur ein schmales Zeitfenster für diese Hilfsbereitschaft, denn Strukturwandelprozesse sind überall große und teure Aufgaben."

"Der Ministerpräsident nimmt mit seiner Linie in Kauf, am Ende ohne Unterstützung und ohne neue Perspektiven da zu stehen. So schafft er am Ende auch weiteren Nährboden für Politikfrust und antidemokratische Tendenzen in den betroffenen Regionen."