Miro Jennerjahn: NPD-Ruf nach der Allmacht der Mehrheit ist verlogen

NPD-Ruf nach der Allmacht der Mehrheit ist verlogen – Eigentlich will die NPD gar keine Mehrheitsentscheide
Redeauszüge des Abgeordneten Miro Jennerjahn zur Aktuellen Debatte „Für eine wahre Demokratie nach Schweizer Vorbild – Volksentscheide jetzt auf allen Ebenen führen“ in der 27. Sitzung des Sächsischen Landtages, 17.12., TOP 1
Es gilt das gesprochene Wort!
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Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Es ist ziemlich genau ein Jahr her, da hat die NPD in einer Aktuellen Debatte ihre große Liebe zur Schweiz entdeckt. Damals wurde mittels eines Plebiszits der Bau von Minaretten in der Schweiz verboten. Und auch diesmal ist ein aktuelles Plebiszit in der Schweiz Anlass für eine neuerliche dümmliche Debatte der Neonazis. ‚Für eine wahre Demokratie nach Schweizer Vorbild – Volksentscheide jetzt auf allen Ebenen einführen‘ ist die Debatte diesmal überschrieben.
Wer Demokratie kurz dadurch definiert, dass die Mehrheit entscheidet, hat ein unterentwickeltes Demokratieverständnis. Natürlich ist der Mehrheitsentscheid ein wichtiges Element, aber eben auch nur eines. Es gibt Grenzen. Da z. B. wo die Rechte anderer Menschen berührt sind. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben nicht umsonst gleich zu Beginn klargestellt, dass die Demokratie für sie eine werterfüllte Ordnung ist. ‚Die Würde des Menschen ist unantastbar‘, ist daher der inhaltliche Ausgangspunkt des gesellschaftlichen und staatlichen Aufbaus der Bundesrepublik Deutschland.
Es gibt weitere Elemente, um eine Willkürherrschaft einer Mehrheit oder einer vermeintlichen Mehrheit zu verhindern. Die Gewaltenteilung ist eines dieser Elemente. Sie ermöglicht in bestimmten Fällen, eine durch eine Mehrheit getroffene Entscheidung durch unabhängige Gerichte überprüfen zu lassen.
Den juristischen Weg nutzt die NPD ja auch eifrig. Bekommt die NPD recht, prangert sie gern die Willkür an, der sie durch die herrschende Politik unterworfen wäre und vergisst dabei zu erwähnen, dass ihr gerade die Begrenzung der Macht der Mehrheit zu ihren Rechten verhilft.
Verliert sie allerdings, akzeptiert sie hingegen nicht das Urteil des unabhängigen Gerichts, sondern faselt etwas von Siegerjustiz und fantasiert sich allumfassende Verschwörungstheorien herbei.
Ich hatte bereits in der Aktuellen Debatte vor einem Jahr einen kurzen Ausflug dahin gemacht, worum es der NPD geht, wenn sie Plebiszite fordert. Um mehr Demokratie geht es der NPD dabei nicht. Wenn die NPD plebiszitäre Elemente fordert, glaubt sie, einen Weg gefunden zu haben, die Menschenrechtsorientierung und die normative Basis moderner Demokratien beseitigen zu können.
Recht ist demnach, was die Mehrheit verlangt, egal, worauf dieses Verlangen beruht. Minderheitenrechte und der Schutz des einzelnen Menschen existieren nicht mehr. Das ist durch Wahlen verschleierter Sozialdarwinismus.
Aber auch dieser NPD-Ruf nach der Allmacht der Mehrheit ist verlogen. Eigentlich will die NPD gar keine Mehrheitsentscheide, widerspricht dies doch eklatant ihrem Wunsch nach einem autoritären Führerstaat.
Den Ruf nach mehr Demokratie erhebt die NPD vor allem dann, wenn sie glaubt von der Öffentlichkeit beobachtet zu werden und sich als demokratische Partei inszenieren möchte. Sie hofft darauf, dass sich Menschen davon blenden lassen und sich nicht allzu genau die selbstentlarvenden Publikationen der NPD anschauen.
Tun wir das doch einfach mal. Ein Blick auf die Homepage des NPD-Bundesverbandes verschafft da Klarheit. Da gibt es ein politisches Lexikon und in diesem finden wir auch das Stichwort Demokratie. Und was lesen wir da? Zum Beispiel folgendes:
«Erst die Beimengung eines aristokratischen Elementes macht die Demokratie lebensfähig. Fehlt dieses Element, so läuft sie stets Gefahr, an der Unkultur der Massen zugrunde zu gehen.»

Und da ist sie dann die tiefe Verachtung, die die NPD gegenüber den Menschen empfindet. Aber schauen wir einfach noch ein Stück weiter im Text:
«Im Ernstfall kommt es nicht so sehr darauf an, ob Demokratien hinreichend demokratisch sind, sondern ob sie auf fähige, kompetente und mitreißende Minoritäten zurückgreifen können.»
Ich denke, das ist entlarvend genug.