Volkmar Zschocke: Ehrenamt braucht mehr als Aufwandsentschädigungen und Anerkennung

Redebeitrag des Abgeordneten Volkmar Zschocke zur Aktuellen Debatte der CDU/SPD-Fraktion:
"Wir für Sachsen – bürgerschaftliches Engagement wird gestärkt"
28. Sitzung des 6. Sächsischen Landtages, 4. Februar 2016, TOP 1

– Es gilt das gesprochene Wort –

Herr Präsident,
meine Damen und Herren,
die Koalition berichtet heute stolz, wie das bürgerschaftliche Engagement in Sachsen gestärkt wird. Das ist zunächst richtig, weil notwendig. Denn bürgerschaftliches Engagement ist der Kern einer lebendigen und verantwortungsbewussten Zivilgesellschaft.
Ohne die zahlreichen Initiativen und Vereine würde vieles gar nicht funktionieren. In ländlichen Räumen kompensieren Ehrenamtliche oft das, was vorher eingespart wurde oder vor Ort aktuell dringend gebraucht wird – angefangen vom Naturschutz über Kultur, Sport, Jugendarbeit bis hin zur Flüchtlingshilfe.
Gerade im letzten Jahr gab es hier eine überwältigende Hilfsbereitschaft. Ehrenamtliche waren zur Stelle, wo staatliche Strukturen gänzlich unvorbereitet waren. Viele von ihnen sind im Dauereinsatz. Zahlreiche neue Initiativen für ganz praktische Dinge sind schnell und unbürokratisch entstanden: Deutschkurse, das Besorgen von Kleidung, Möbeln oder anderen Dingen des täglichen Bedarfs, Arztfahrten, Amtsgänge.
Gemessen an dem, was Ehrenamtliche hier leisten und dem Staat ersparen, ist es fast ein wenig peinlich, wenn sich die Koalition heute so für die Unterstützung des Ehrenamts feiert. Ich will die einzelnen Maßnahmen z. B. bei der Dauer der Ehrenamtsförderung, der Ehrenamtskarte, die Auszeichungen und Preisverleihungen nicht kleinreden. Aber der große Wurf ist das nicht, es wird vielmehr herumgedoktert oder versucht wiedergutzumachen, was z. B. die Verkürzung auf 8 Monate bei der Förderung angerichtet hat.
Es ist gut, dass 10 Millionen Euro eingestellt sind im Doppelhaushalt. Aber „Wir für Sachsen!“ ist ein Tropfen auf den heißen Stein – das kann nur ein erster, kleiner Baustein zur nachhaltigen Stärkung von Ehrenamt sein.
Auch der bürokratische Aufwand ist nach wie vor hoch: Schauen Sie sich z. B. die sperrigen Anträge der Förderrichtlinien „Integrative Maßnahmen“ an, das ist teilweise lebensfern und hemmt oftmals das Engagement in diesem Bereich.
Natürlich ist eine Preisverleihung durch die Ministerin ein schöner Beitrag zur Wertschätzung, ja, auch der Empfang des Ministerpräsidenten. Aber all das ersetzt nicht die notwendigen praktischen Hilfen, egal ob es da um Vereinsrecht, Buchhaltung, Fundraising oder Nachwuchsgewinnung geht. Das wirkt nachhaltig und hilft den Ehrenamtlichen, sich selbst zu helfen.
Ehrenamt braucht mehr als Aufwandsentschädigungen und Anerkennung! Ehrenamtliche in Sachsen brauchen auch professionelle Unterstützung! Die Förderrichtlinie „Wir für Sachsen“ wurde bisher noch nicht überarbeitet, obwohl hier strukturell einiges verbessert werden müsste.
Engagement sollte nicht überfordern oder frustrieren. Deshalb müssen Engagierte professionell begleitet oder weitergebildet werden. Die Förderrichtlinie bezieht aber die Kosten für Begleitung und Schulung nicht ein. Das haben wir von Anfang an kritisiert. Über die Förderrichtlinie müssen auch Qualifizierungsprogramme für Ehrenamtliche finanziert werden! Das steht übrigens auch im Koalitionsvertrag.
Seit Oktober letzten Jahres liegt ein Antrag der Koalition unbearbeitet im Sozialausschuss, der die Staatsregierung mit der Weiterentwicklung der Förderrichtlinie beauftragen soll. Ich verstehe nicht, warum Sie hier heute viel Zeit mit großen Reden vertun, anstatt zu Handeln. Unsere Unterstützung haben Sie dabei!
Ehrenamtliche engagieren sich auch nicht, nur weil es 40 Euro pro Monat gibt. Die Zahl der Ehrenamtlichen ist kein Verdienst der Staatsregierung. Im letzten Engagementbericht der Bundesregierung können Sie sehen, wie Ehrenamt sich verändert. Nachwuchsgewinnung und Motivation sind große Herausforderungen, auf die wir uns einstellen müssen.
Ein weiterer Punkt, wo wir vom Reden zum Handeln kommen müssen, ist der Abbau von Hemmnissen für bürgerschaftliches Engagement. Im Haushaltsplan sind für 2015 Mittel für ein Forschungsprojekt “Engagementförderung in Sachsen“ eingestellt. Es soll aufzeigen, welche Hemmnisse es derzeit bei der Ausweitung des bürgerlichen Engagements gibt und wie diese überwunden werden können. Die Ergebnisse sollten schnellstmöglich ausgewertet und die richtigen Schlußfolgerungen daraus gezogen werden.
Vielen Dank!
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