Newsletter Innenpolitik, Datenschutz, Kommunalpolitik 1/2020
Datum: 16. Juli 2020Liebe Leserinnen und liebe Leser,
die letzten vier Monate waren geprägt von Sorgen über die Ausbreitung der Corona-Pandemie und den Folgen des Lock-Downs, den ich zur Eindämmung des Virus und der Entlastung des Gesundheitssystems trotz aller Entbehrungen für jede und jeden von uns für richtig erachtet habe. Wir haben die Entscheidungen der Staatsregierung mitgetragen, uns aber auch deutlich gegen jede unverhältnismäßige Grundrechtseinschränkung positioniert.
Ich will nicht sagen, dass die Innenpolitik in dieser Zeit ruhte, aber sie bewegte sich weitgehend im ruhigen Fahrwasser. Das änderte sich schlagartig mit einer Zeitungsmitteilung, die über ein Korruptionsnetzwerk bei der Leipziger Polizei berichtete. Das #Fahrradgate beschäftigte uns eine gute Woche und hätte wegen seines Umfangs auch eine längere Aufmerksamkeit verdient. Dann platzte der scheidende Verfassungsschutzpräsident mit der Nachricht ins Haus, dass Innenministerium habe ihn zu Aktenlöschung aufgefordert. Allerdings betrafen diese Akten nicht irgendwen, sondern Abgeordnete der AfD – der Innenminister war nach dieser Nachricht Dauergast bei den Sitzungen des Innenausschusses. Leider haben diese beiden Vorfälle mein Vertrauen in die Arbeit des Innenministers stark beeinträchtigt. Ich hoffe auf größtmögliche Aufklärung und Transparenz.
Zudem befanden wir uns seit Februar in langen Gesprächen mit den Koalitionspartnern über einen Antrag, der uns GRÜNEN besonders am Herzen lag. Nach den furchtbaren rechtsextremistisch motivierten Morden in Hanau soll die Staatsregierung bis Ende 2020 – das haben wir vereinbart – ein Gesamtkonzept gegen Rechtsextremismus erarbeiten. Den Auftrag hat der Landtag der Staatsregierung in der letzten Plenarsitzung erteilt. Wir haben konkrete Maßnahmen formuliert, die im Kampf gegen den Rechtsextremismus hohe Priorität haben. Er ist ein klarer Handlungsauftrag für die politischen Verantwortungsträger*innen. Gerade auch vor dem Hintergrund der Bedrohungen von Politiker*innen aus dem Kreise der hessischen Polizei machen wir mit dem Antrag deutlich, dass im Staatsdienst kein Platz für Verfassungsfeinde ist. Jetzt geht es an die Umsetzung, damit Sachsen wieder weltoffener wird.
Leider wird uns die Corona-Pandemie auch in den nächsten Monaten weiter in Atem halten. Ich mache mich deshalb für eine Beteiligung des Parlaments an den Verordnungen stark, denn die Einschränkungen beeinträchtigen unsere Grundrechte in massiver Weise. Wichtig bleibt jedoch, dass wir zusammenhalten, Solidarität üben und die schwächsten Mitglieder unserer Gesellschaft schützen.
In diesem Sinne, bleiben Sie gesund und solidarisch.
Beste Grüße
Valentin Lippmann
Inhalt
- Rechtswidrige Aktensammlung beim Landesamt für Verfassungsschutz
- #Fahrradgate – Korruptionsverdacht in Leipziger Polizeidirektion
- Gesamtkonzept gegen Rechtsextremismus
- Corona I – Beteiligung des Landtags an der Erarbeitung der Corona-Schutzverordnungen
- Corona II – Corona-Spaziergänge sind keine rechtsfreien Räume
- Wahl von Jörg Bernig als Kulturamtsleiter in Radebeul – Bagatellisierung neurechten Gedankenguts
- Kleine Anfragen
- Podcast Zwischenrufe
1. Rechtswidrige Aktensammlung beim Landesamt für Verfassungsschutz
Schon lange wurde gemunkelt, dass der seit 2012 amtierende Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV), Gordian Meyer-Plath, abgelöst werden sollte. Was der Mitteilung folgte, dass ihn am 1.7.2020 Dirk-Martin Christian, bis dahin Leiter der Rechtsaufsicht Verfassungsschutz, nachfolgen solle, glich einem mittelschweren Erdbeben und ist ein ziemlich einmaliger Vorgang bei einem Geheimdienst. Meyer-Plath ging nicht ohne heftige Kritik an seinem Nachfolger. Dieser hätte ihn aufgefordert, Daten zu löschen, die zu Abgeordneten der AfD gespeichert wurden. Damit würde das Amt „blind und sprachlos im Bereich des modernen Rechtsextremismus“. Wenn eine scheidender Verfassungsschutzchef, der sich zudem auf dem Gebiet des Rechtsextremismus bisher nicht mit großem Fleiß hervorgetan hat, so aus dem Nähkästchen plaudert, muss das misstrauisch machen. In der Sitzung des Innenausschuss am Tag nach dieser Mitteilung erklärte Innenminister Prof. Wöller und der neue Chef des LfV ihre Sicht auf die Dinge: Die zu den AfD-Abgeordneten gespeicherten Daten seien rechtswidrig gespeichert worden, sie erfüllten nicht die strengen Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht im Falle der Beobachtung Bodo Ramelows an die Speicherung von Daten von Abgeordneten gestellt hat. Auch auf mehrfache Nachfrage habe das LfV diese Anforderungen nicht nachweisen können, so dass es letztlich zur Löschung aufgefordert worden sei.
Als Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) habe ich am 6.7.2020 Einblick in die Unterlagen und den Hintergrund für den Konflikt erhalten. In der einstimmig beschlossenen Erklärung der PKK heißt es „die Tätigkeit des LfV im fraglichen Fall den fachlichen Standards der Behörden im Verfassungsschutzverbund nicht entsprochen hat. […] Insbesondere hinsichtlich der Belegführung ist das LfV diesen Anforderungen bisher nicht gerecht geworden. Daraus folgt die Rechtswidrigkeit der fortdauernden Datenspeicherung. Dieser rechtswidrige Zustand ist unverzüglich zu beseitigen – entweder durch Erbringung fachlich qualifizierter Belege oder andernfalls durch die Löschung der Daten.“ Kritisiert wurde dabei auch die Informationspolitik des Innenministeriums. Wir als GRÜNE stellen uns klar gegen Rechtsextremismus und rechte Gewalt. Wir wissen, dass die AfD sehr gut mit der rechtsextremen Szene vernetzt ist und in Teilen selbst rechtsextrem ist. Gleichwohl heiligt der Kampf gegen diese Verfassungsfeinde nicht die Mittel. Ein rechtswidriges Handeln von Behörden, die dem Grundgesetz verpflichtet sind, akzeptieren wir nicht. Da auch hier die Aufklärung noch nicht vollständig abgeschlossen ist, werden wir die Arbeit des LfV weiter kritisch hinterfragen und dafür Sorge tragen, dass der Rechtsextremismus ein sichtbarer Schwerpunkt des LfV wird. Zudem fordern wir eine deutliche Verbesserung der Kommunikation gegenüber der Öffentlichkeit über Akteure, Strukturen und Aktivitäten der rechten Szene. Auch den Innenminister entlassen wir hier nicht aus der Verantwortung.
2. #Fahrradgate – Korruptionsverdacht in Leipziger Polizeidirektion
Am 11. Juni 2020 wurde bekannt, dass bereits seit 2019 Ermittlungen gegen 13 Polizeibedienstete der Polizeidirektion Leipzig wegen Korruptionsverdacht laufen. Die Polizist*innen sollen 1.000 Fahrräder, die gestohlen bzw. von der Polizei sichergestellt wurden, veräußert haben. Wir GRÜNEN haben dazu umfassende Aufklärung verlangt und kritisiert, dass Innenminister Prof. Wöller die Öffentlichkeit und das Parlament hierzu nicht informiert hat. Dadurch und auch durch das lange Zögern des Innenministers sich nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegenüber der Presse zu äußern – er trat erst am 19. Juni vor die Presse – hat sich der Eindruck verfestigt, dass kein Interesse am Bekanntwerden dieses Korruptionsverdachts bestand. In einer Sondersitzung des Innenausschusses am 24. Juni 2020 informierte der Innenminister die Abgeordneten und erklärte, er habe erst im Januar von den Ermittlungen erfahren. Offenbar wurde jedoch die Brisanz des Vorwurfs verkannt, obwohl sich die Ermittlungen mittlerweile auf rund 100 Beschuldigte erstreckt. Mittlerweile ermittelt auch nicht mehr das Landeskriminalamt sondern die Generalstaatsanwaltschaft. Wir GRÜNEN haben den Innenminister in der Sache zu größtmöglicher Transparenz aufgefordert, um verlorenes Vertrauen wieder herzustellen. Alle korruptionsanfälligen Arbeitsbereiche bei der Polizei sollen umgehend überprüft und Maßnahmen zur Korruptionsprävention getroffen werden. Zudem soll ähnlich wie in Baden-Württemberg eine Vertrauensanwältin oder ein Vertrauensanwalt für Korruptionsstraftaten eingesetzt werden, an den sich Bürger*innen oder Bedienstete wenden können, wenn sie einen Korruptionsverdacht haben.
» Pressemitteilung (11.06.2020): Verdacht der Korruption in Polizeidirektion Leipzig
3. Gesamtkonzept gegen Rechtsextremismus
Sachsen hat ein Problem mit Rechtsextremismus. Wir GRÜNEN haben uns schon in den Koalitionsverhandlungen für die Erarbeitung eines Gesamtkonzepts gegen Rechtsextremismus eingesetzt. Ein entsprechender Antrag, der die Staatsregierung zur Erarbeitung dieses Konzepts auffordert, stand im letzten Plenum auf der Tagesordnung. Mit dem Antrag werden eine Reihe von Maßnahmen identifiziert, die bis Ende 2020 in das umfassende Konzept einfließen müssen. Dazu gehört die Erhöhung des Verfolgungsdrucks auf rechtsextreme Strukturen oder die vereinfachte Möglichkeit, Hasskriminalität im Internet mitzuteilen. Vor dem Hintergrund der strukturellen Probleme beim Landesamt für Verfassungsschutz ist es umso wichtiger, dass eine umfassende und wissenschaftlich fundierte Unterrichtung der Öffentlichkeit über antidemokratische und menschenfeindliche Tendenzen in Sachsen stattfindet. Die dafür vorgesehene „Dokumentations- und Forschungsstelle zur Analyse und Bewertung demokratiefeindlicher Bestrebung“ ist ein zentraler Baustein. Auch auf die Prävention müssen wir ein besonderes Augenmerk legen. Gegen Verfassungsfeinde im Öffentlichen Dienst müssen wir konsequent vorgehen – menschenfeindliche Positionen haben dort keinen Platz. Zur Prävention und zum Erkennen solcher Einstellungen sind gezielte Maßnahmen zu ergreifen. Dies ist nach den Erkenntnissen zu den rechtsextremen Netzwerken in der hessischen Polizei wichtiger denn je. Wichtig war uns auch, dass die vielfältigen Initiativen und diejenige Zivilgesellschaft, die tagtäglich für eine freie und offene Gesellschaft einsteht, an der Erarbeitung des Gesamtkonzepts gegen Rechtsextremismus beteiligt werden.
» Antrag „Rechtsextremismus mit einem Gesamtkonzept bekämpfen“
» Rede von Valentin Lippmann (16.07.2020) 4. Corona I – Beteiligung des Landtags an der Erarbeitung der Corona-Schutzverordnungen
Die vergangenen Monate standen für uns alle unter den Eindrücken der Gefahren die von COVID-19 ausgehen und der Maßnahmen, die getroffen werden mussten, um die Pandemie zu bekämpfen. Der Landtag befand sich im Notbetrieb, musste aber gleichwohl weitreichende, insbesondere finanzielle Entscheidungen treffen. Nicht befasst war er hingegen mit dem Erlass der Corona-Schutzverordnungen, obwohl mit den getroffenen Maßnahmen tiefgreifende Einschränkungen der Grundrechte der sächsischen Bürger*innen einhergingen, insbesondere in die Grundrechte der Freiheit der Person, der Freizügigkeit und der Versammlungsfreiheit. Wir GRÜNEN haben unseren Gestaltungs-, Kontroll- und Informationsanspruch mit Eckpunkten für eine Beteiligung des Landtags bei dem Erlass von Corona-Schutzverordnungen zur Diskussion gestellt. Solche Informationen einzufordern, ist unsere Verpflichtung als Landtag. Unsere Koalitionspartner sind nun aufgefordert, sich dazu zu positionieren.
5. Corona II – Corona-Spaziergänge sind keine rechtsfreien Räume
Das Versammlungsrecht ist ein hohes Gut für das wir uns als GRÜNE immer wieder eingesetzt haben. Auch unter den gegebenen Einschränkungen durch die Corona-Krise haben wir uns für die Ausübung des Versammlungsrechts stark gemacht. Wer an Versammlungen teilnimmt, muss sich an die gültige Rechtslage halten. Dazu gehört beispielsweise die Einhaltung der Hygieneschutzregelungen. Das betrifft auch die sogenannten „Corona-Spaziergänge“. Hier entsteht der Eindruck, dass mit zweierlei Maß gemessen wird, während kleinere Versammlungen aus dem eher linken Spektrum trotz Einhaltung von Abständen aufgelöst wurden, fanden sich anderorts Coronaskeptiker zusammen, die auf Abstand und Anstand verzichteten. Von einer Versammlungsbehörde erwarte ich, dass Gegenprotest zugelassen und unter Umständen auch geschützt werden muss.
Natürlich kann man berechtigte Kritik an den Grundrechtseingriffen haben und diese auch in Frage stellen, aber alle die bei den sog. „Corona-Spaziergängen“ mitdemonstrieren müssen sich bewusst machen mit wem sie mitlaufen: mit Verschwörungsideologen, Teilen der AfD und anderen rechtsextremen Kreisen. Grundrechte schützt man nicht, indem man mit Rechtsextremen demonstriert.
» Pressemitteilung (19.05.2020): Corona-„Spaziergänge“-Es braucht ein einheitliches Vorgehen
» Redebeitrag Valentin Lippmann (11. Plenarsitzung, 11.06.2020, TOP 2)
6. Wahl von Jörg Bernig als Kulturamtsleiter in Radebeul – Bagatellisierung neurechten Gedankenguts
Am 20. Mai 2020 wurde Jörg Bernig, einen bekennenden Sympathisanten der neuen Rechten mit Stimmenmehrheit von CDU und AfD zum Kulturamtsleiter der Stadt Radebeul gewählt. Radebeuls Oberbürgermeister Bert Wendsche hatte daraufhin sein Veto eingelegt.
Einen Vertreter der neuen Rechten in ein öffentliches Amt zu wählen, ist ein No-Go, dass wir GRÜNEN scharf kritisieren. Hier vermisse ich eine klare demokratische Haltung, die sich von rechten Gedankengut abgrenzt, nicht hofiert und schon gar nicht wählt.
Am 15. Juni 2020 wurde die Wahl wiederholt und eine andere Kandidatin gewählt. Bernig hatte zwischenzeitlich bekannt gegeben, bei dieser Wahl nicht nochmal anzutreten.
7. Kleine Anfragen
Meine Kleinen Anfragen finden Sie hier »
8. Podcast
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