Antje Hermenau: Auch die sorbische ist eine sächsische Kultur

Redebeitrag der Abgeordneten EAntje Hermenau zur Fachregierungserklärung der Staatsministerin Sabine v. Schorlemer
92. Sitzung des Sächsischen Landtages, 12. März 2014, TOP 3

– Es gilt das gesprochene Wort –

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen!
Durch die Überziehung der Redezeit der Frau Ministerin ergab sich auch für unsere Fraktion die Möglichkeit, noch einmal ein paar Worte zu diesem Thema zu sagen. Frau Staatsministerin, Sie haben darauf abgehoben – dafür danke ich Ihnen -‚ dass die Lage der Sorben noch einmal genauer ins Bild rücken soll. Man will historische Broschüren und Schriften herausgeben und erfassen, wie die Sorben einmal waren, wenn sie denn dann weg sind, nicht wahr?
Frau Edith Penk aus Rhone, einem der Dörfer, die in Zukunft durch den Tagebau Nochten 2 abgebaggert werden sollen, war Gast auf unserem Europarteitag, der im Februar in Dresden stattgefunden hat. Sie hat dort eine Rede gehalten. Ich würde gern ein paar Gedanken von Frau Penk, die jetzt hier nicht sprechen kann, vortragen, um deutlich zu machen, worum es dabei geht, wenn wir über Kultur, Tradition, Heimat – es sind heute so viele Begriffe gefallen – und Identität sprechen.
Das Kirchspiel Schleife – man könnte auch sagen, der Pfarrbezirk Schleife – besteht auf sächsischer Seite aus sieben Dörfern. Von denen werden drei vollständig und zwei teilweise abgebaggert werden. Wir haben auf europäischer Ebene durchaus Regelungen, die sich mit dem Schutz der autochthonen Völker beschäftigen, aber in der Praxis geschieht dann dieses: Dieses Kirchspiel Schleife hat einen eigenen Dialekt innerhalb der sorbischen Sprache. Es ist eine eigene Trachtenregion. Das sieht man daran, dass zum Beispiel unverheiratete Frauen in dieser Region noch eine rote Haube tragen. Der Kohlestrom zerstört aber ihre Heimat.
Nun kann man sagen, dass das Wohl einiger weniger wichtiger ist als das vermutete Wohl vieler. Die Antwort des Sächsischen Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit war, um es einmal freundlich zu sagen, außerordentlich kultur- und heimatvergessen, sie war kaltschnäuzig. Darin ging es um die alternative Schlüsselrolle der Kohle und um regionale Arbeitsplätze. Die Zahlen schwankten zwischen 6.000 und 30.000 Arbeitsplätzen. Da wurde wahrscheinlich jeder regionale Bierbrauer mitgezählt.
Prof. Schneider, Sie haben von Zusammenhalt gesprochen, von Regionalität und von Identität. Ich zitiere einmal, was Frau Penk gesagt hat: „Offenbar wollten die uns klar wissen lassen, es gibt keine andere Lösung. Ihr werdet abgebaggert.“ Dann sagte sie zum Umsiedlungsprogramm, über das wir hier bereits diskutiert haben: „Da hat es keine Einigung gegeben, sondern die meisten haben sich dreingeschickt.“ Auf die Frage, was da eigentlich entsteht – hierzu zitiere ich Edith Penk, die in Rohne wohnt -‚ wurde gesagt: „Sie haben ein Reservat für die sorbische Minderheit vorgesehen.‘ – Ein Reservat! Damit ist es mit der Heimat vorbei. Sie glauben doch nicht, dass Sie diese spezielle sorbische Substanz dieses Kirchspiels nach dieser Umsiedlung noch werden retten können?
Wir haben dann die zweisprachige Broschüre. Das ist immerhin noch mehr als nichts. Aber die grundsätzliche Entscheidung dieser Koalition, diese Dörfer abzubaggern und damit die Heimat für diese dort lebenden Menschen und damit diesen Dialekt und damit diese Trachtenregion, ist getroffen worden, und Sie werden es nicht retten können.
Das ist eine Sache, bei der ich die Frage stelle: Wie weit darf denn Demokratie gehen? Wie weit ist denn unser Minderheitenschutz, besonders wenn es sich um Minderheiten handelt, die unwiederbringlich verloren gehen? Unwiederbringlich verloren — autochthone Völker!
Die evangelischen Sorben im Kirchspiel Schleife sind wahrscheinlich sogar das kleinste – Herr Schiemann wird das besser wissen als ich -‚ wohl aber das ursprünglichste Folklore- und Trachtengebiet – zumindest bei den evangelischen Sorben. Ich habe zu den Besonderheiten schon etwas gesagt Hans Nepila, dessen Namen viele sicherlich nicht kennen und den auch ich früher nicht kannte – das gebe ich zu -‚ der eigentlich Hanzo Njepila Rowinski hieß – der aus Rohne stammende Hans Nepila, wenn ich das richtig verstehe -, wurde 1766 in Rohne geboren. Er wurde Halbbauer und machte das Land in den Rohner Fluten urbar. Seine Schriften sind ausschließlich im Schleifer Dialekt verfasst. Seine Schriften werden überdauern. Die schönen Dörfer, die er darin in seiner reichen Sprache beschrieben hat, werden wir dann nicht mehr sehen.
(…)
Eine Kurzintervention auf die Rede des Staatsministers Martens. Wer hier die natürliche Ressource Atemluft in diesem Parlament verbraucht, das lasse ich jetzt einmal anbei. Aber Sie haben, Herr Martens, sehr klar und deutlich dargestellt, worum es bei der Diskussion in der Schweiz gegangen
ist. Sie haben einen Punkt etwas ausgespart, der vielleicht zur Erhellung des
Problems beiträgt.
Vor allem fühlten sich die Schweizer überfremdet durch Deutsche. Das ist ein etwas neuer Zustand. Wir sind es eigentlich gewöhnt, dass wir uns überfremdet fühlen. Wir haben gerade verschiedene Reden zum Thema gehört. Die Schweizer fühlen sich überfremdet durch Deutsche, auch durch ein paar Italiener. Aber das war nicht der wesentliche Punkt. Dieser war, dass einfach zu viel Deutsche in der Schweiz waren. So ist das, wenn es offene Grenzen gibt, und so ist es, wenn man hin- und herziehen und sich miteinander vertraut machen kann. Ich glaube nicht, dass es an jedem einzelnen Deutschen gelegen hat, der in die Schweiz gezogen ist. Meine Cousine lebt auch in Bern. So ist das Leben.
Aber unabhängig davon ist die Frage, wie wir in der Lage sein werden, miteinander tolerant umzugehen, sehr wesentlich. Wenn ich das richtig verstanden habe, dann ist der Nachname Ihres neuen Chefs bei der NPD ja auch nicht so rein deutschen Ursprungs. Oder habe ich da was missverstanden?

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