Antje Hermenau zu Konsequenzen aus der Mai-Steuerschätzung

Redebeitrag der Landtagsabgeordneten Antje Hermenau zur Aktuellen Debatte der Fraktion LINKE „Konsequenzen aus der Mai-Steuerschätzung: Jetzt gegensteuern“ in der 15. Sitzung des Sächsischen Landtages, 19. Mai 2010, TOP 3
Es gilt das gesprochene Wort!
—————————————————————————-
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen!
Herr Kollege Zastrow! Steuermehreinnahmen: Man hat zum Beispiel immer noch erlassen, dass Brennstoffelemente ordentlich besteuert werden. Es gibt nur eine Ausnahmeregelung, weil es ein paar Ideologen gibt, die Atomkraft verteidigen. Das sind 2 Milliarden Euro im Jahr, die dem Staat fehlen.
Warum eine Aktuelle Debatte zur Steuerschätzung? Weil in der Tendenz nichts anderes herausgekommen ist als das, was wir schon vor einem Jahr gewusst haben. Das wissen Sie auch. Herr Scheel, Sie wissen es etwas konkreter, dass die Kommunen viel schlechter dran sind und der Freistaat einen Zacken besser dran ist. Aber im Großen und Ganzen ist es dieselbe Tendenz.
Man könnte – das finde ich jedenfalls – aus dieser Erkenntnis ableiten, dass es aktuell ganz ratsam wäre, Herr Finanzminister, dieser ominösen Arbeitsgruppe auf Bundesebene, die sich mit der Abschaffung der Gewerbesteuer herumplagen möchte, vielleicht zu bedeuten, dass es ganz gut wäre, die Gewerbesteuer zu stabilisieren. Aber ich kann nur davon abraten, sie abzuschaffen, weil wir Jahre der Rezession vor uns haben. Wenn dem so ist, dann ist es wichtig, dass es ein Band zwischen der Kommune und der Wirtschaft vor Ort gibt, da dies die einzige Möglichkeit ist, die Bürgermeister und Politiker in den Städten dazu anzuhalten, aktive Wirtschaftsansiedlung vor Ort zu treiben. Vor diesem Hintergrund wäre es sicher gut, zur Stabilisierung der Gewerbesteuer durch Veränderung und Anpassung beizutragen, sie jedoch nicht aufzulösen und durch eine Bundessteuer zu ersetzen.
Das Nächste, was ich gern sagen möchte, ist: Ich war überrascht, wie schnell Ihr Ergebnis und Ihre Pressekonferenz zum Thema Steuerschätzung diesmal aus Ihrem Hause gekommen sind. Früher haben Sie dafür ein, zwei Wochen länger gebraucht, weil Sie noch die regionalisierte Steuerschätzung gemacht haben. Ich muss davon ausgehen, dass Sie diesmal darauf verzichtet haben, die bewährte konservative niedrigere Wachstumsannahme als die des Bundes zu unterstellen und das umzurechnen. Sie können dies ja nachher im Beitrag richtigstellen. Aber für mich ist das eine ziemlich wichtige Frage.
In den letzten Jahren, fand ich, lag das Sächsische Staatsministerium der Finanzen mit seiner konservativeren Schätzung der Wachstumsannahme immer relativ richtig. Im letzten Jahr sind in der Steuerschätzung auf Bundesebene 1,2 % Wachstum unterstellt worden und in Sachsen 0,7 %. Wenn es aber diesmal schnell gegangen ist und Sie haben die Wachstumsannahme des Bundes, die für 2011 1,4 % beträgt, übernommen und sie nicht abgesenkt – was vernünftig gewesen wäre; wenigstens auf ein langjähriges Mittel von 1 %, wie die Prognos AG vorschlägt -, dann haben Sie sich künstlich reichgerechnet. Das müssen wir hier aufklären. Dies ist genau die Debatte für dieses Thema.
Dann wollen Sie 2011/2012 deutlich mehr ausgeben, als Sie sehr wahrscheinlich einnehmen werden – wenn das der Fall ist. Es ist dann schon eine fette Nummer, Herr Zastrow, dass Sie behaupten, Sie können nur ausgeben, was Sie einnehmen. Man kann ja auch mogeln und kann behaupten, dass man mehr einnimmt. Dann gibt man eben mehr aus und holt es durch Kreditermächtigung hinten wieder herein. Also: Vorsicht!
Wenn Sie die Wachstumsannahme des Bundes von 1,4 Prozent übernommen haben, dann haben Sie Ihre Mehreinnahmen künstlich hochgerechnet, und wenn das stimmt, resultiert aus dieser künstlichen Hochrechnung die größere Ausgleichsmasse für die Kommunen, die ab Montag schlagartig stumm geworden sind und nicht mehr gemeckert haben.
Ich hätte gern, dass wir das klären, da ansonsten die Bugwelle im kommunalen Finanzausgleich größer wird und noch weiter vor sich her geschoben wird, obwohl in den nächsten Jahren keine wesentliche Erholung zu erwarten ist, und auch eine Kaufkraftsteigerung ist bis 2020 in Sachsen nicht in Sicht. Wenn man das weiß, kann man die Bugwelle nicht weiter auswachsen lassen; denn die Kommunen müssen ja zurückzahlen, was sie zu viel bekommen haben.
Die Prognos AG hat heute in München ihre langjährige Studie bis zum Jahr 2035 vorgestellt. Diese geht von einem Durchschnittswachstum von ein Prozent aus. Ich finde, das sollte man in der Lage, in der wir uns befinden, ernst nehmen. Dabei haben sie davon gesprochen, dass Sie fast alle Frauen und älteren Menschen in den Arbeitsmarkt einbeziehen, um dieses Wachstum überhaupt herzustellen. Wenn das die Wahrheit ist, dann zwingt das natürlich – nun sind wir bei den Konsequenzen aus der Steuerschätzung – zum Umbau des Haushaltes. Es zwingt zur Prioritätensetzung und dazu, Klassenkampfballast über Bord zu werfen – das gilt übrigens für beide Klassenkampfseiten. Außerdem gilt es, den Haushalt gründlich zu kennen und für Transparenz zu sorgen, damit diese Klassenkampfkeilereien bei den Debatten aufhören können.
Ich muss schon sagen: Dieses Kampfvokabular bei den Einsparbedürfnissen und -notwendigkeiten, die vorliegen, stört sehr. Es wird keine Einnahmenverbesserung in einer Höhe geben, die es möglich macht, die Umverteilung, die wir jetzt haben, durchzuhalten. Das ist nicht zu schaffen. Dafür müssten Sie die Mehrwertsteuer bei dem in Deutschland existierenden Konsolidierungsbedarf auf ungefähr 28 bis 30 Prozent anheben. Ich halte das für absurd, um es einmal ganz klar zu sagen.
Die Verteilungsträume des linken Lagers werden in genau derselben Haushaltsblase platzen wie die Wachstums- und Steuersenkungsträume der anderen Seite. Das ist so. Dabei ist jetzt einfach mehr Ernsthaftigkeit angesagt, und ich würde mir sehr wünschen, dass diese auch den weiteren Verlauf der Debatte bestimmen wird.