Eva Jähnigen zur Reduzierung der Bewirtschaftungs- und Bauunterhaltsausgaben des Freistaates Sachsen

Offenbar ist bis heute unklar, wie viele Personen an den einzelnen Standorten arbeiten sollen und welche Alternativen zu kostengünstigen Standorten außer den Vorgaben der Regierung bestehen – Um Einsparungen bei den Unterbringungskosten ging es bei der Erstellung des Standortkonzeptes bisher nicht
Redebeitrag der Abgeordneten Eva Jähnigen zum Antrag der Fraktion GRÜNE "Umsetzung der Forderung des Sächsischen Rechnungshofes zur Nachhaltigkeit und Reduzierung der Bewirtschaftungs- und Bauunterhaltsausgaben des Freistaates Sachsen" (Drs. 5/7434) in der 46. Sitzung des Sächsischen Landtages, 14.12., TOP 8
Es gilt das gesprochene Wort!
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Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
Schuldenbremse, sinkende Einnahmen und eine Finanzkrise, die auch Deutschland erreichen wird, sind Realität. Realität ist auch, dass die CDU-geführte sächsische Regierungskoalition falsche Schlussfolgerungen bei den Personalkosten zieht. Das geht von unrealistischen und unfundierten Stellenkürzungen bis hin zur Streichung des Weihnachtsgeldes für Beamte.
Wer als Regierung glaubwürdig sein will, wird sich daran messen lassen müssen, wie klug er bei vermeidbaren Sachkosten in der Verwaltung spart. Wir müssen bei den Sachkosten jeden Euro dreimal umdrehen, denn wir brauchen in Zeiten des Fachkräftemangels genügend Geld für qualifiziertes Personal und Personalentwicklungsmaßnahmen! Anders ist keine Staatsmodernisierung zu machen.
Deshalb schlagen wir GRÜNE mit unserem Antrag heute vor, endlich eine Sachkostenbremse für die Freistaatsverwaltung einzuführen.
Beim Vorbereiten meiner Rede stelle ich mir gern die Frage: "Wie würde ich das meiner Tochter erklären?" In diesem Fall täte ich es so:
Die Bediensteten Sachsens in Gerichten, Finanzämtern, Polizei u. a. arbeiten in Häusern aus Zeiten in denen sie deutlich mehr Kollegen hatten. Viele dieser Kollegen sind in Rente gegangen. In ihre Zimmer sind die gezogen, die schon immer mal ein größeres Zimmer wollten. Bald gehen noch mehr von ihnen in Rente und mehr Zimmer werden frei. In Häusern, in denen früher 500 Leute gearbeitet haben, wird z. B. nur noch die Hälfte der Leute arbeiten. Trotzdem muss man die Häuser heizen, saubermachen und reparieren. Das kostet viel Geld. Da wir aber bald weniger Geld einnehmen, müssen wir auch weniger Geld ausgeben.
Das kann zum Beispiel dadurch passieren, dass die Mitarbeiter in kleinere Häuser ziehen. Die neuen Häuser sollten ganz wenig Energie verbrauchen, denn die Energiekosten steigen ständig und wenn sich das Klima verschlechtert, wird das auch noch mal Kosten erzeugen. Dazu muss man Geld für gute Ideen ausgeben – kann dann aber später über viele Jahre Geld sparen. Außerdem könnten sich zwei Mitarbeiter immer ein Zimmer teilen oder – wenn sie an verschiedenen Tagen arbeiten – sogar einen Schreibtisch.
Das geht auch – allerdings muss man sich dazu die Situation genau ansehen, überlegen und dann einen Plan machen.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, mit dem Standortkonzept der Staatsregierung liegen Pläne auf den Tisch. Das sind allerdings Pläne in denen es nicht darum geht, zu prüfen, wie viele Bedienstete man nach den Anforderungen ihrer öffentlichen Dienste kostensparend in energieeffizienten Gebäuden unterbringt. Nein – die Staatsregierung hat in der bundesweit bekannten sächsischen Großzügigkeit die Schließung bestimmter Behördenstandorte beschlossen und den Rest nach schwarzgelber Wahlkreisarithmetik über das Land verstreut.
Erst nach diesen grundsätzlichen Entscheidungen will die Regierung Wirtschaftlichkeitsfragen für die einzelnen Standorte prüfen und geeignete Standorte prüfen lassen – ich wiederhole: nach und nicht vor der Entscheidungen – so hat es der Chef des Sächsischen Staatsbetriebes Immobilien- und Baumanagement (SIB) klar gesagt.
Allerdings haben die Beratungen zum Standortegesetz im Landtag gezeigt: Offenbar ist bis heute unklar, wie viele Personen an den einzelnen Standorten arbeiten sollen und welche Alternativen zu kostengünstigen Standorten außer den Vorgaben der Regierung bestehen sollen.
Offen bleibt dabei völlig, ob die Sachkosten pro Kopf noch weiter steigen werden oder ob sie wirklich sinken. Die wahren Kosten der neuen Standorte sind bis heute nicht bekannt und die angeblichen schwarzen Zahlen des Konzeptes kommen ja nur durch die unseriöse Verrechnung mit den Personaleinsparungen zustande.
Diese Reihenfolge, meine Damen und Herren, macht eines deutlich – um Einsparungen bei den Unterbringungskosten ging es bei der Erstellung des Standortkonzeptes bisher nicht. Wir GRÜNE meinen aber: es muss hier eine Bremse gegen die wachsenden Sachkosten geben – damit auch in 15 Jahren noch genügend Spielraum für qualifiziertes Personal ist, z. B. in Umweltverwaltung, Polizei und Schulen. Wir greifen deshalb die Empfehlungen des Rechnungshofes auf und schlagen Ihnen einen Beschluss für eine Sachkostenbremse vor.
Hier seien einige Zahlen aus der beratenden Äußerung des Rechnungshofes ins Stammbuch der Regierung geschrieben:

  1. Sachsen nutzt für seine Landesbehörden insgesamt rd. 3,4 Millionen Quadratmeter Hauptnutzfläche (HNF). Für deren Bewirtschaftung wurden 2009 145,6 Millionen Euro ausgegeben, sowie für den Bauunterhalt weitere 57,2 Millionen. Insgesamt sind die Bewirtschaftungskosten in den letzten 10 Jahren um 28,7 Prozent gestiegen, während die Kosten für den Bauunterhalt um rund 36,7 Prozent zurückgegangen sind!
  2. Sachsen steht aufgrund der zu erwartenden Mindereinnahmen allein aus den Solidarpaktgeldern, den Berechnungen des Rechnungshofes zufolge künftig für Bewirtschaftung und Bauunterhalt ca. 47 Millionen Euro jährlich weniger zur Verfügung.
  3. Im letzten Haushaltsgesetz wurden mit den Stimmen der Koalition die Ausgaben für die Erhöhung der Energieeffizienz staatlicher Liegenschaften halbiert und damit auf 6 Millionen Euro jährlich reduziert. Im Jahr 2007 konnten mit solchen Maßnahmen in Höhe von 5 Millionen Euro aber jährliche Einsparungen bei den Bewirtschaftungsausgaben von rund 450.000 Euro erzielt werden. Über zehn Jahre haben sich diese Ausgaben amortisiert!
  4. Mit dem letzten Haushalt wurde ein weiterer Personalabbau in Höhe von 8.800 Stellen beschlossen. Der Ministerpräsident hat einen zusätzlichen Personalabbau um weitere 8000 Stellen angekündigt.

Die erste besorgniserregende Botschaft dieser Zahlen ist, dass die Bewirtschaftung unserer Behördengebäude immer kostenintensiver wird – obwohl in den letzten sieben Jahren bereits reichlich 32.000 Stellen eingespart wurden. Offenbar geht Personalabbau nicht mit der Verringerung von Gebäudebewirtschaftungskosten einher. Das kann und muss mit den guten Vorschlägen des Rechnungshofes geändert werden.
Die zweite besorgniserregende Botschaft dieser Zahlen ist: Der Freistaat fährt massiv auf Verschleiß. Und das setzt sich noch fort. Mit dem Haushalt 2011/2012 wurden die Bauunterhaltskosten nochmals um knapp acht Millionen auf 49,9 Millionen Euro pro Jahr gesenkt. Seriös sind jährliche Bauunterhaltskosten von mindestens 1 – 1,5 Prozent des Gebäudeneuwertes – dies war auch in der RLBau bis 2008 so festgeschrieben. Wir liegen jedoch derzeit nur bei 0,74 Prozent. Mit der Folge, dass ein Sanierungsstau produziert wird. Wer am Bauunterhalt zu sehr spart, büßt dafür mit deutlich höheren Sanierungskosten in der Zukunft.
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen von der Koalition – auch wenn Sie es uns immer anders verkaufen wollen – der Finanzminister spart hier an der falschen Stelle, nämlich auf Kosten der nächsten Generation!
Die dritte Botschaft dieser Zahlen ist eine alte: die Erhöhung der Energieeffizienz etwa durch energetische Gebäudesanierung erreicht nicht einmal Schneckentempo. Die steigenden Energiekosten dürfen wir nicht aussitzen! Sonst wird der Spielraum für Personalausgaben künftig noch kleiner – und das in Zeiten des Fachkräftemangels.
Die vierte Zahl – der beschlossene Abbau von über 8.800 Stellen ist ein Fakt – der sich in einem zu erstellenden Behördenunterbringungskonzept niederzuschlagen hat. Solche aktuellen flächendeckenden Unterbringungskonzepte hat die Regierung bisher nicht. Sie sind aber unabdingbare Voraussetzung für ein vorausschauendes und wirtschaftliches Liegenschaftsmanagement!    
Meine Damen und Herren Kollegen, wir schlagen Ihnen heute folgende Konsequenzen aus den Feststellungen des Rechnungshofes vor:

  1. Das Finanzministerium hat ein transparentes Behördenunterbringungskonzept zu erstellen, dass allein durch den beschlossenen Stellenabbau 200.000 Quadratmeter Hauptnutzfläche einsparen kann und den Anforderungen der öffentlichen Dienstleistungen entspricht.
  2. Voraussetzung für dieses Unterbringungskonzept ist zunächst, dass der SIB ein Controlling einführt, mit dem es zu jedem Zeitpunkt über die aktuelle Belegung der einzelnen Liegenschaften aussagefähig ist.
  3. Weitere Voraussetzung für ein Unterbringungskonzept sind die Aktualisierung der bestehenden sächsischen Raum- und Flächennormen und die Erarbeitung moderner Personaleinsatz- und Bürokonzepte.
  4. In dem Unterbringungskonzept und in den entsprechenden Haushaltsplänen sind künftig 1 bis 1,5 des Neuwertes der Gebäude für den Bauunterhalt einzustellen und die Ausgaben für wirtschaftliche Energieeffizienzmaßnahmen und die Quote der energetischen Gebäudesanierung auf drei Prozent zu erhöhen.

Meine Damen und Herren von der Koalition: wenn Sie unserem Antrag heute zustimmen, haben Sie die Möglichkeit dem sog. Staatsmodernisierungminister Martens zu zeigen, wie echte Staatsmodernisierung beginnen kann.
Wenn Sie ihm dann noch aufgeben, ein umfassendes Personalkonzept für die Landesverwaltung vorzulegen, eine grundlegende Aufgabenkritik einzuleiten und ein Standortkonzept für Behörden ergebnisoffen zu diskutieren, dann haben wir eine echte Chance Sachsen zukunftsfähig zu machen.
Stimmen Sie also heute für eine Sachkostenbremse in Sachsen!