Eva Jähnigen zur zweiten Lesung des Landesplanungsgesetzes
Das neue sächsische Planungsgesetz soll ein Werkzeugkoffer sein – aber seine Stellschrauben fehlen und wichtige Werkzeuge sind stumpf
Redebeitrag der Abgeordneten Eva Jähnigen zum Gesetzentwurf der Staatsregierung „Raumordnung und Landesplanung im Freistaat Sachsen“, 15. Sitzung des Sächs. Landtages, 19. Mai, TOP 3
Es gilt das gesprochene Wort!
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen!
Über 18 Jahre nach dem Neubeginn sächsischer Landesplanung müssen wir die Beratung des neuen Planungsgesetzes mit einem Resümee verbinden und uns fragen: Was muss in Sachsens Landesentwicklung in den folgenden Jahren geleistet werden?
Eine Antwort auf die demografische Entwicklung unseres Landes und auf die ökologischen und sozialen Anforderungen für Sachsen in dieser Zeit ist überfällig.
Die nüchterne Realität ist leider: Sachsen tritt mit Klimaschutz und klimafreundlicher Energiepolitik auf der Stelle, baut landesweit für teures Geld überdimensionierte Straßen, und Einkaufszentren auf der grünen Wiese setzen den Handel in etlichen Innenstädten wie in Siebenlehn oder im Dresdner Elbepark unter Druck.
Das muss sich ändern. Für diesen Umsteuerungsprozess hat Sachsen wenig Zeit – aus ökologischen, finanziellen und sozialen Gründen. Deshalb brauchen wir gute Stellschrauben in einem modernen, bürgerfreundlichen Landesplanungsgesetz. Die fehlen aber im bisherigen Gesetzentwurf!
Die wichtigste Stellschraube sind die Ziele für eine ökologische Landesentwicklung.
Kein Wort gibt es bisher zum Klimaschutz – dabei hat am 04. Mai 2010 der Sachverständigenrat der Bundesregierung ein neues Gutachten zum Ausbau der erneuerbaren Energien vorgelegt und setzt wie wir auf 100 Prozent Vollversorgung Deutschlands mit Strom aus Erneuerbaren Energien!
Besonders wichtig sind uns ein Stopp der grassierenden Flächenversiegelung und die Herstellung eines sachsenweiten Biotopverbundes. Unsere Kinder werden uns das angesichts der erheblichen, klimatischen Veränderungen danken.
Deshalb beantragen wir die Aufnahme dieser wichtigen Ziele als Ergänzung zu den allgemeinen Zielen in Paragraph §2 des Bundesraumordnungsgesetzes in das Landesplanungsgesetz.
Als weitere Stellschraube fehlt ein konsequenter Durchgriff der Raumordnungsbehörde bei der Durchsetzung der Landesplanung.
Die Vergangenheit hat gezeigt: Landesentwicklung braucht einen klaren Durchgriff und eine Anpassungspflicht für die Regionalplanung als Konkretisierung der Raumordnung. Beispielsweise hat die oberste Raumordnungsbehörde zuletzt den Regionalplan des Planungsverbandes Oberes Elbtal/ Ostererzgebirge wegen Nichtumsetzung der Klimaziele der Staatsregierung nicht genehmigt.
Das war richtig und ist ausdrücklich zu begrüßen – ich habe diesen Prozess als Mitglied der Verbandsversammlung dieses Planungsverbandes begleitet und dränge wie die Vertreter der Raumordnungsbehörde auf eine Überarbeitung der Planung. Diese geschieht aber nicht. So bleibt selbst die Umsetzung der viel zu vorsichtigen Klimaziele der Staatsregierung wieder einmal auf der Strecke!
Im Innenausschuss hat unsere Fraktion deshalb vorgeschlagen, dass mit der Überarbeitung des Landesentwicklungsplanes jeweils auch eine Überarbeitungspflicht für die Regionalpläne verbunden und mit klaren Fristen untersetzt sein soll.
Das fand die Koalition nicht einmal diskussionswürdig – erschreckend, wie unambitioniert und gleichgültig Landesplanung hier betrieben wird! In der Folge dieser bedauerlichen Haltung bleiben auch die im Werkzeugkoffer noch enthaltenen Instrumente in der Mehrheit stumpf.
Was hilft es, wenn das Parlament frühzeitige Informationen zum Landesentwicklungsplan fordert, seine eigene Beteiligung und die öffentliche Debatte aber nicht regelt?
Das muss transparent, im Gesetz selbst geschehen und darf nicht den jeweiligen Absprachen innerhalb einer Mehrheit unterliegen, unabhängig davon, wer sie gerade bildet. Der Rechtsbegriff der „Frühzeitigkeit“ allein ist dazu viel zu unbestimmt.
Wir machen dazu einen Vorschlag nach dem Vorbild bayrischen Rechts: Beteiligung des Parlamentes zusammen mit der ersten Beteiligung der Träger öffentlicher Belange und Verbände. In der Praxis wird das derzeit nicht praktiziert – die Eckpunkte des Staatsministerium des Inneren stehen bereits seit Wochen auf der Homepage, wurden an die Träger öffentlicher Belange zur Stellungnahme versandt und wir haben sie als Ausschüsse erst vor zwei Wochen erhalten.
Wir wollen, dass der Landesentwicklungsplan aufgrund seiner besonderen Bedeutung als Rechtsverordnung mit Zustimmung des Parlaments verabschiedet wird. Er ist keine klassische Rechtsverordnung zur Regelung des Verwaltungsvollzugs wie viele andere, sondern legt langfristig und verbindlich Grundsätze der Landesplanung für den Freistaat fest.
In vielen Bundesländern wird das praktiziert und so politisch die Autorität und Wirksamkeit der Landesentwicklungsplanung verstärkt.
Ein weiteres Werkzeug soll im neuen Landesplanungsgesetz auch noch abgestumpft werden: das Verfahren der Braunkohleplanung. Hier soll nach dem Willen der Regierung künftig auf die Pflicht zu einer eigenen projektbezogenen Umweltverträglichkeitsprüfung bei Neuanlagen verzichtet werden. Die bergrechtlichen Verfahren sollen das allein abdecken können!
Wollen Sie das ernsthaft angesichts der fehlenden Transparenz bergrechtlicher Verfahren und völlig anderer Zuständigkeiten der Bergbehörden behaupten?
Wir GRÜNEN meinen: Sachsen braucht keine neuen Braunkohletagebaue, sondern einen Ausstieg aus der klimaschädlichen und landschaftsfressenden Braunkohlenutzung. Solange aber dafür die politische Mehrheit nicht besteht und neue Braunkohletagebaue vorbereitet werden, wie jetzt unter schwarz–Gelb, dürfen die Rechte der betroffenen Bevölkerung auf Öffentlichkeitsbeteiligung und ordentliche Verfahren nicht noch mehr geschwächt werden. Das schlägt den Betroffenen ins Gesicht und schwächt auch hier die Rolle der Landesplanung.
Auch hierzu haben wir Ihnen nochmals einen Vorschlag unterbreitet und fordern Sie auf, Ihre bisherige Position zu überdenken.
Summa summarum: Sachsen wird den Anforderungen des demografischen Wandels und einer modernen Klima- und Sozialpolitik nicht ohne ein modernes und bürgerfreundliches Planungsgesetz gerecht werden können. Wir brauchen starke Raumordnungs- und Planungsbehörden.
Dem vorliegenden Gesetz fehlen dafür Stellschrauben und scharfe Werkzeuge. Zu einem solchen Werkzeugkoffer kann man nur sagen: Reklamation und zurück an den Produzenten. Wir werden das Gesetz in dieser Form ablehnen.