Karl-Heinz Gerstenberg: Frau von Schorlemer ist in Gefahr, eine Kulturvernichtungsministerin zu werden – die Umstrukturierung der Landesbühnen und ihres Orchesters läuft geradezu in die Misere

Sehr geehrter Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die CDU/FDP-Koalition hat in den Haushaltsberatungen für die Landesbühnen Sachsen eine Kommunalisierung mit der Brechstange eingeleitet. Die Landesbühnen haben sich gezwungenermaßen der Realität des Haushaltsgesetzes gestellt und mit ihrem Konzept "Mobiles Theater für Sachsen" eine schlüssige Zielperspektive vorgelegt. Das Konzept umfasst qualitativ hochwertige Angebote sowohl im Kernspielgebiet als auch ergänzend in den anderen Kulturräumen. Insbesondere die theaterpädagogischen Angebote sollen ausgebaut werden. In dieser Situation kann man nicht einfach, werte Damen und Herren von CDU und FDP, kurzfristig ein neues Struktur- und Finanzierungskonzept verlangen, nach dem das Orchester der Landesbühnen kurzer Hand zerschlagen würde. Offensichtlich haben Sie erst im Haushalt einen Zuschussbetrag festgelegt und schauen jetzt zu, welche Folgen das hat. Das ist keine Kulturpolitik mit Weitblick, sondern nach dem Prinzip "Augen zu und durch" – ohne Rücksicht auf Verluste!
Was sich angesichts dieses erpresserischen Vorgehens abzeichnet, sind einschneidende Folgen für die Musik- und Theaterkultur in Sachsen. Das Landesbühnenorchester soll aufgelöst und nur ein Teil seiner Musiker in einer dann gewissermaßen erweiterten Elblandphilharmonie angestellt werden. Diese neue Orchester GmbH müsste sowohl das Musiktheater der Landesbühnen als auch Konzerte im Kulturraum gleichermaßen stemmen – und zwar auch zeitgleich. Wenn die Orchesterleistungen in der Qualität nicht abnehmen sollen, wären für diesen Auftrag 86 Planstellen der TVK-Kategorie B die absolute Untergrenze. Da die Elbland Philharmonie in der Kategorie D geführt wird und ihre Musiker derzeit deutlich unter Tarif bezahlt werden, müsste insgesamt deutlich aufgestockt werden. So können vielleicht Stellen beim Freistaat gespart werden, aber im Ganzen fragt sich, welche Einsparung da außer bei der Kultur noch übrig bleibt.
Das kulturelle Angebot würde deutlich schrumpfen. Die Landesbühnen könnten statt 180 jährlich nur noch 120 Aufführungen in der Sparte Musiktheater durchführen, davon 50 Prozent in der Fläche. Die Nachfrage nach Musiktheaterangeboten in der Fläche ließe sich nicht mehr befriedigen. Hinzu kommt, dass das Landesbühnenorchester ein wichtiger und verlässlicher Partner der Hochschulen, der Singakademie und vieler Chöre im Rahmen der musikalischen Ausbildung in Sachsen ist. Diese Leistungen dürfen nicht weg brechen.
Sehr geehrte Frau Staatsministerin von Schorlemer, sie wollen wahrscheinlich eine Ministerin werden, welche die Kultur in Sachsen durch Strukturreformen auf sichere Beine stellt. Im Moment sind Sie in Gefahr, eine Kulturvernichtungsministerin zu werden. Die Umstrukturierung der Landesbühnen und ihres Orchesters läuft derzeit geradezu in die Misere. Das sehen auch Mitglieder zahlreicher Ensembles, der Studierendenrat der Musikhochschule und viele Unterstützerinnen und Unterstützer so, deren Proteste wir ausdrücklich unterstützen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN, natürlich kann ein Kulturraum nicht einfach zur Beteiligung an einer Landeseinrichtung verpflichtet werden, insofern haben Sie Recht. Aus unserer Sicht tragen hier jedoch der Freistaat, die Stadt Radebeul und der Kulturraum Meißen-Sächsische Schweiz-Osterzgebirge eine gemeinsame Verantwortung. Ein Weiter-so-wie-bisher ist in der jetzt durch die Koalition geschaffenen Lage noch kein zukunftstaugliches Konzept. Wenn wir die sächsische Theaterstruktur langfristig sichern wollen, sollten wir uns der Herausforderung steigender Kosten stellen. Die Landesbühnen mit Weitsicht umzustrukturieren, kann ein positives Modell hervorbringen.
Notwendig ist deshalb eine langfristig tragfähige Regelung. Eine Orchesterfusion wäre nur dann sinnvoll, wenn die Leistungsfähigkeit in den Bereichen Musiktheater, Konzert und Musikpädagogik gewährleistet bleibt. Es bedarf dazu einer flexiblen und mobilen Verfügbarkeit des Orchesters für die Landesbühnen, in einer angemessenen Stärke und Zusammensetzung.
Auch wenn die Orchesterfrage jetzt im Mittelpunkt steht – es geht um ein Gesamtkonzept für die Landesbühnen und das kann nur in einem mehrjährigen Prozess sorgsam ausgehandelt werden. Dabei kommt es auf eine Abstimmung der Angebote mit den Akteuren der Theater- und Orchesterlandschaft in Sachsen an. Die Landesbühnen haben sich dabei ein sensibles Vorgehen und größtmögliche Kompromissbereitschaft vorgenommen. Für die Abstimmungen müssen aber nun jeweils Gespräche mit den Kulturkonventen, den Theatern und Trägern geführt werden. Aufgrund der Eingriffe in das Kulturraumgesetz ist dort der Eindruck einer feindlichen Übernahme der Spielstätten entstanden. Die Aufgabe des Ministeriums ist es, eine solche Entwicklungsplanung sensibel voranzutreiben, statt lediglich Kürzungspläne straff durchzuboxen.