Michael Weichert: Gentechnik bringt keine Vorteile! Kein Anbau und Freisetzung von Gentech-Pflanzen auf landeseigenen Flächen – Sachsen muss Netzwerk gentechnikfreier Regionen beitreten

Redebeitrag des Abgeordneten Michael Weichert zum Antrag der Fraktionen GRÜNE, Linke, SPD „8-Punkte-Programm für eine gentechnikfreie Landbewirtschaftung“ (Drs. 5/5321), in der 35. Sitzung des Sächsischen Landtages, 20.04., TOP 5
Es gilt das gesprochene Wort!
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Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
die „bündnisgrüne Dagegenpartei“ ist gegen – wie sollte es anders sein – Agro-Gentechnik auf Sachsens Feldern. Das ist Ihnen sicher nicht neu. Doch als wäre das nicht schon schlimm genug, hat sie nun auch noch die anderen demokratischen Oppositionsparteien im Sächsischen Landtag aufgemuntert, gemeinsam dagegen zu sein. Und das ist in dieser Form tatsächlich eine neue Qualität, über die ich mich persönlich freue. Auch weil ich weiß, das die Eine oder der Andere Kollege der Koalitionsfraktionen ähnlich fühlt. Zumindest, wenn sie im Ländlichen Raum sonntags aus dem Gottesdienst kommen!
Aber warum tun wir das? Agro-Gentechnik ist doch DIE Wunderwaffe gegen den Hunger in der Welt?
Klar ist: Hunger hat vielfältige Ursachen: Kriege, Armut, fehlenden Zugang zu Wasser oder zu Saatgut. Ungerechte Verteilung, unfairer Handel. In der Regel liegt es nicht an zu geringen Erträgen. Wir produzieren weltweit genügend Nahrungsmittel, um die Weltbevölkerung zu ernähren.
Nun ja, den Welthunger stillt die Gentechnik also nicht, aber warum die Aufregung? Es handelt sich doch nur um eine spezielle Form der Pflanzenzüchtung, nicht wahr?!
Meine Damen und Herren, auch das stimmt nicht, und Sie wissen das auch! Die herkömmliche Züchtung arbeitet nur mit Organismen der gleichen Art oder mit nahen Verwandten. Bei der Gentechnik wird Erbmaterial von Bakterien, Viren, Pflanzen, Tieren und Menschen isoliert und in andere Lebewesen übertragen. Dabei werden die natürlichen Artgrenzen überschritten. In einem gentechnisch veränderten Organismus (GVO) ist das genetische Material also so verändert worden, wie es unter natürlichen Bedingungen nicht vorkommen würde. Einmal freigesetzt, habe wir keine Kontrolle mehr über unsere Spielchen mit der Schöpfung. Deren Bewahrung sieht anders aus, meine Damen und Herren.
Aber die Landwirte und Umwelt profitieren doch davon! Oder?
Kurzfristig mag mancher Landwirt Erfolge gegen Maiszünsler und Co. feiern. Aber, Landwirte aus den USA und Kanada können ein Lied davon singen, was geschieht, wenn man sich in Abhängigkeit der Saatguthersteller begibt und das patentierte Saatgut einsetzt. (Nobelpreisträger Schmeisser)
Meine Damen und Herren,
Probleme bekommen auch all jene, die gentechnikfrei arbeiten möchten. Wind und Bienen tragen Pollen kilometerweit. Die Pollen übertragen die veränderten Gene auf herkömmliche Pflanzen. Dadurch wird die gentechnikfreie Landwirtschaft gefährdet. Und um Gentechnikfreiheit nachzuweisen, müssen Landwirte schon heute teure Untersuchungen aus eigener Tasche zahlen. Das ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit! Hier muss der Verursacher in die Pflicht genommen werden.
Unser Landwirtschaftsminister sieht das jedoch leider ganz anders: Während einer Veranstaltung des Biosaxony e.V. im vergangenen Jahr antwortete Herr Kupfer auf die Frage, warum gentechnikfrei arbeitende Betriebe die Mehrkosten für Analysen tragen müssen, zynisch: „Das ganze Leben kostet“.
Sehr geehrter Herr Kupfer, so etwas kann doch unmöglich Ihr Ernst sein. Mit solchen Kommentaren punkten Sie vielleicht bei Ihrem Schützenverein in Torgau, aber doch nicht als Landwirtschaftsminister.
Auch die Umwelt profitiert nicht von der Agro-Gentechnik. Der Anbau von Gentechnik-Pflanzen, der meist in Monokulturen stattfindet, vernichtet die biologische Vielfalt und die kleinbäuerliche Landwirtschaft. Das freigesetzte Gift, das einige Gentechnik-Pflanzen produzieren, schadet Insekten und Kleintieren und kann sich in Boden und Wasser anreichern. Andere Gentechnik-Pflanzen (Roundup-Ready-Soja) sind unempfindlich gegen ein Ackergift, damit der Landwirt nur noch dieses eine Gift braucht. Davon muss er jedoch langfristig immer mehr spritzen, weil auch Wildkräuter widerstandsfähig werden. Auch dazu gibt es eindeutige Untersuchungsergebnisse, die bei der GRÜNEN-Fraktion gern eingesehen werden können.
Meine Damen und Herren, nun zu den Schwerpunkten des Antrages:

  1. Fordern wir die Staatsregierung auf, Sachsen zur gentechnikfreien Region zu erklären und dem europäischen "Netzwerk gentechnikfreier Regionen" beizutreten. Das 2003 gegründete Netzwerk ist auf mittlerweile 35 Regionen angewachsen. Sachsen fände sich dort in Gesellschaft mit Thüringen, Niederösterreich, der Bretagne (Frankreich) und anderen.
  2. Um ein gentechnikfreies Sachsen schnellstmöglich Wirklichkeit werden zu lassen, zeigen wir der Staatsregierung verschiedene Handlungsoptionen auf, die sofort umgesetzt werden können. Dazu zählt, auf landeseigenen Flächen mit sofortiger Wirkung ein Anbau- und Freisetzungsverbot durchzusetzen. Damit wird eine Forderung meiner Fraktion aus dem Jahr 2008 wieder aufgegriffen (Drs. 4/13700), die von der Staatsregierung noch immer nicht umgesetzt wurde.
  3. Fordern wir im Sinne einer verantwortungsvollen Politik für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucher, dass die Staatsregierung bereits bestehende gentechnikfreie Regionen und Initiativen unterstützt.

Meine Damen und Herren, wir müssen in Sachsen nicht bei Null anfangen. Auf rund 25.000 Hektar arbeiten heute bereits über 100 sächsische Landwirte ohne Gentechnik. Sie haben sich dazu in sechs gentechnikfreien Regionen organisiert:

  • Biosphärenreservat Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft
  • Gentechnikfreie Region Nordsachsen
  • Gentechnikfreie Region östliches Muldental
  • Gentechnikfreie Zone Limbach/ Oberfrohna und Umgebung
  • Initiative "Oberlausitz Gentechnikfrei"
  • Gentechnikfreie Region Mittelsachsen (2009 durch eine Initiative der GRÜNEN-Fraktion gegründet)   

Darüber hinaus gibt es in Sachsen drei gentechnikfreie Kommunen. Dies sind Leipzig, Chemnitz und Limbach-Oberfrohna. Sie alle haben unsere Unterstützung verdient.
4. Meine Damen und Herren, geht es unter Punkt 6 unseres Antrages um die Förderung der gentechnikfreien pflanzenökologischen Forschung in Sachsen. Bevor Herr Staatsminister Kupfer sagt: „Das machen wir doch!“, lassen Sie mich bitte an einem Beispiel erklären, was gemeint ist:
Am 30. März 2011 überreichte die Staatsregierung einen Fördermittelbescheid über 490.000 Euro an den biosaxony e.V. Mit dem Geld soll der Aufbau eines Clusters der Biotechnologie/Life Science Branche in Sachsen gefördert werden. Dagegen wäre auch gar nichts einzuwenden, wenn nicht Staatsminister Kupfer gleichzeitig die Unterstützung der Ökolandbauberatung verweigern würde, die nur einen winzigen Bruchteil dessen kosten würde. Diese Schieflage muss beseitigt werden, Meine Damen und Herren.
Und zum Schluss kommen wir im Punkt 8 unseres Antrages der Koalition weit entgegen. Immer wieder behauptete sie, dass sämtliche Argumente der Gentechnik-Kritiker allesamt in der Praxis nicht belegbar seien. Wir geben der Staatsregierung nun die Gelegenheit, dies im Rahmen einer unabhängigen Studie zu untermauern. Sie soll verlässliche Aussagen zu Kosten und Nutzen beim Einsatz der Agro-Gentechnik in Sachsen liefern, indem besonders folgende drei Aspekte genauer untersucht werden:

  1. Die Ermittlung und Bewertung der sozioökonomischen Auswirkungen des Einsatzes der Agro-Gentechnik. Welchen Beitrag leistet sie bspw. zur Schaffung neuer Arbeitsplätze im Freistaat?
  2. Welche Kosten (z.B. für Analysen, Warenstromtrennung usw.) entstehen unbeteiligten Dritten durch die Agro-Gentechnik?
  3. Welche Chancen und Risiken birgt die Technologie unter Annahme verschiedener Zukunftsszenarien?

Dem Argument, sich dem Thema Agro-Gentechnik auch anhand ökonomischer Analysen zu nähern, dürfte sich ja eigentlich niemand, der sonst immer die Wirtschaftlichkeit auf dem Schirm hat, verschließen. Insofern bleibe ich optimistisch und freue mich bereits jetzt auf breite Zustimmung!