Miro Jennerjahn: Mindestlohn der CDU ist eine Farce: tariflich vereinbarte Niedrigstlöhne haben weiter Bestand
Mindestlohn der CDU ist eine Farce: tariflich vereinbarte Niedrigstlöhne – z.B. 3,06 Euro für die Friseurin in Sachsen – haben weiter Bestand
Redebeitrag des Abgeordneten Miro Jennerjahn "Niedriglöhne bekämpfen – Bundesratsinitiative für gesetzlichen Mindestlohn ergreifen" (Linke, Drs. 5/7429) in der 44. Sitzung des Sächsischen Landtages, 23.11., TOP 8
Es gilt das gesprochene Wort!
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Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
beim Lesen des Antrags habe ich kurz gestutzt und mich gefragt, was damit bezweckt wird. Eine kurze Handlungsanweisung an die Staatsregierung, sich im Bundesrat für Mindestlöhne einzusetzen.
Ich vermute, Sie haben versucht, einen Parteitagsbeschluss der CDU pro Mindestlohn zu antizipieren und dann mit einem sehr schlichten Antrag, wenn man so will, den kleinsten gemeinsamen Nenner zu formulieren, der überhaupt mal einen Einstieg in das Thema Mindestlohn ermöglichen würde.
So weit, so gut. Das Problem, die CDU hat einen Strich durch die Rechnung gemacht. Denn durch die Reihen der Christdemokraten geht beim Thema Mindestlohn ein Riss, der sich auch mit der lauwarmen Konsenssauce des Leipziger Parteitages nicht zukleistern lässt. Dessen Ergebnis ist für Millionen von Niedriglohn-Beschäftigten eine Farce, denn mit diesem Beschluss bleibt die Ausnahme vom Mindestlohn die Regel. Mit der CDU wird es nur weitere Mindestlöhne in Branchen ohne tarifliche Vereinbarungen geben. Tariflich vereinbarte Niedrigstlöhne – beispielsweise 3,06 Euro für die Friseurin in Sachsen – haben damit weiter Bestand.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, seien Sie mal ehrlich: die Mindestlohn-Kosmetik Ihrer Partei ist doch nichts weiter als der Versuch, sich für andere Koalitionspartner "aufzuhübschen" und gleichzeitig ein Wahlkampfthema vom Tisch zu räumen.
Dabei ist offensichtlich, dass in der CDU lägst nicht alle mit dem Resultat des Leipziger Parteitages zufrieden sind. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) bspw. hält einen Mindestlohn zwischen sieben und acht Euro für unerlässlich. Für einen nach Ost und West differenzierten Mindestlohn gibt es seiner Meinung nach keine Rechtfertigung mehr. Die Meinung unseres Landesvaters bleibt hingegen einmal mehr verschwommen.
Der Arbeitsmarktforscher Joachim Möller, Direktor des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), sagte in einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung, ein vernünftiger Mindestlohn habe nur Vorteile. Er könne in einem gewissen Umfang sogar Beschäftigung fördern, weil die Attraktivität von Jobs steige, offene Stellen schneller besetzt würden sowie die Fluktuation reduziert werde. Das sind übrigens auch Erfahrungen, die z.B. in Großbritannien gemacht wurden.
Eine Studie des PROGNOS-Institutes kommt zu dem Ergebnis, dass dem Staat nach Einführung eines Mindestlohnes von 8,50 Euro Mehreinahmen von mehr als sieben Milliarden Euro im Jahr zur Verfügung stünden. Dank einer solchen Lohnuntergrenze würden für fünf Millionen Arbeitnehmer in Deutschland die Arbeitseinkommen steigen. Entsprechend zahlen sie jeweils knapp 2,7 Milliarden mehr an Steuern und Sozialbeiträgen. Gleichzeitig würde ihr Bedarf an Unterstützung etwa durch Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe oder Wohngeld um 1,7 Milliarden Euro sinken.
Meine Damen und Herren, wir Grüne werden die Einladung der CDU zur Einführung von Dumpinglöhnen nicht mitmachen. Ein allgemeiner flächendeckender Mindestlohn muss für alle Beschäftigten ohne Ausnahme gelten. Um das zu erreichen, schlagen wir Grüne eine Mindestlohnkommission nach britischem Vorbild vor, die unabhängig von politischem Einfluss eine Mindestlohnhöhe ermittelt. Diese Kommission besteht aus Vertreterinnen und Vertretern von Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden und Wissenschaft. Sie soll unter Berücksichtigung der sozialen und wirtschaftlichen Anforderungen angemessene und faire Arbeitsbedingungen schaffen, sowie sozialversicherungspflichtige Beschäftigung erhalten. Die vorgeschlagene Mindestlohnhöhe wird durch eine von der Bundesregierung erlassene Rechtsordnung wirksam.
Um diesen Forderungen Nachdruck zu verleihen, unterstützen wir den Antrag der Linksfraktion. Vielen Dank!