Michael Weichert zur großen Bedeutung der Arbeit des Landesbeauftragten für Stasi-Unterlagen: Die Hoffnung, dass die unbewältigte Geschichte uns in Ruhe ließe, wenn man auf Aufarbeitung verzichtete, ist eine gefährliche Illusion
Es gilt das gesprochene Wort![…] Der Bericht ist ein Beleg für die Notwendigkeit dieser Arbeit. Die Anzahl der geleisteten Beratungsgespräche mit Bürgerinnen und Bürgern dokumentiert das Bedürfnis vieler Betroffener, sich auch heute noch – bald 20 Jahre nach der Friedlichen Revolution – mit den sie betreffenden Akten der Stasi auseinanderzusetzen.
Meine Damen und Herren, 20 Jahre nach der Friedlichen Revolution droht andererseits bei vielen Menschen die Erinnerung an das Repressionssystem der DDR zu verblassen. Der Landesbeauftragte benennt Trivialisierung und Verharmlosung der DDR-Vergangenheit als Problem. Insbesondere fehlt das Wissen um die Unterdrückungsmaschinerie der SED gerade den Generationen, die die DDR nicht mehr bewusst miterlebt haben.
Der Bericht verweist ausdrücklich auf Defizite in der schulischen Bildung – nicht zuletzt in den Schulbüchern. Dies ist ein Befund, der uns in diesem Hause, in dem so oft leidenschaftlich über Schule und Bildung gestritten wird, durchaus zu denken geben sollte. Die Aussage des Berichts, dass das Problem nicht Desinteresse, sondern die Vermittlung der DDR-Geschichte ist, muss hier betont werden. […]
Meines Erachtens ist die kürzlich hoch gekochte Debatte um die Vergangenheit der CDU-Blockpartei ein Indiz dafür, wie schwer wir uns immer noch mit Differenzierungen tun. Wenn heute allen Ernstes über Begriffe wie „Kollektivschuld“ diskutiert wird, dann frage ich mich, ob es in 20 Jahren wirklich gelungen ist, eine Geschichtsaufarbeitung ohne Klischees zu ermöglichen.
Vollständiger Wortlaut als PDF zum herunterladen:
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