Annekathrin Giegengack: Der Quasi-Einstellungsstopp ist ein absolutes Unding

Redebeitrag der Abgeordneten Annekathrin Giegengack zum Antrag der SPD-Fraktion "Bildungspaket 2020 nachbessern", 53. Sitzung des Sächsischen Landtages, 3. April 2012, TOP 10
Es gilt das gesprochene Wort!
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
um es gleich vornweg zu sagen, wir unterstützen die inhaltlichen Forderungen des SPD Antrages. Die Richtung stimmt und damit hier kein Zweifel aufkommt, für uns gibt es auch nur diese eine Richtung.
Und da sind wir gleich beim ersten Punkt:
Der Quasi-Einstellungsstopp – von der Staatsregierung irreführend als „vorübergehende Personalbewirtschaftungsmaßnahme im Sinne eines Zustimmungsvorbehaltes bei Neueinstellung“ bezeichnet, ist ein absolutes Unding.
Wir reden über Unterrichtsausfall in Größenordnungen und das SMK muss vor jeder Neueinstellung oder Vertragsverlängerung von Lehrern das Votum des SMF und die Zustimmung des MP und des Wirtschaftsministers einholen. Und dabei handelt es sich jeweils um Einzelfallentscheidungen, wie mir Frau Kurth auf meine Anfrage vor vier Tagen schriftlich mitteilte. Die Bewirtschaftung des Stellenpools zur Kompensation von Mutterschaftsurlaub, Elternzeit, befristete Erwerbsunfähigkeit usw. wird über insgesamt vier Häuser abgewickelt, in Einzelfallentscheidungen!
Meine Damen und Herren, diese Praxis muss umgehend beendet werden. Dieser Zustand ist unhaltbar.
Zum Punkt zwei:
Zweifellos, die TU Dresden und Chemnitz sowie die Uni Leipzig stehen vor einem Kraftakt, wenn sie ab dem kommenden Wintersemester insgesamt 1700 Lehramtsstudenten immatrikulieren und die Erfolgsquote bei den Lehramtsstudiengängen wesentlich verbessern sollen. Es steht außer Frage, hierfür müssen die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen werden.
Gleiches gilt für ein wirksames Seiteneinsteigerprogramm für Grund- und Mittelschullehrkräfte. Im Bereich Mittelschule scheiden bis 2020 mit insgesamt 3061 Personen die meisten Lehrkräfte aus dem Schuldienst aus, gefolgt von den Grundschullehrkräften in Höhe von 2842 Personen. Aktuell ist an den Universitäten und Hochschulen Sachsens das Lehramt für Gymnasien mit ca. 60 % stark überrepräsentiert, während die Lehrämter für Grund- und Mittelschulen mit ca.je 10 % stark unterrepräsentiert sind. Ohne ein wirksames Seiteneinsteigerprogramm für die beiden Schularten, laufen wir auf eine Katastrophe zu.
Und um ein dritten Punkt aufzugreifen:
Natürlich müssen wir die Arbeitsbedingungen in unseren Schulen so gestalten, dass möglichst viele Lehrer und Lehrerinnen bis zum Erreichen des gesetzlichen Rentenalters im Schuldienst verbleiben. Das heißt  – Hände weg von der Ermäßigungsstundenregelung für ältere Lehrkräfte. Hier zu sparen ist absolut kontraproduktiv.
Meine Damen und Herren und damit wäre ich bei den Forderungen des SPD Antrages, die ans Eingemachte gehen und die auch den ehemaligen Minister bei seinem Rücktritt bewegten:

  • keine Reduzierung der unterrichtswirksamen Lehrerstellen bis 2020
  • Wiederbesetzung aller durch Abgang und Eintritt in die Freistellungsphase der Altersteilzeit frei werdenden Stellen, d.h. ca. 1000 Neueinstellungen jährlich
  • sowie Höhergruppierung aller Lehrkräfte, die die Voraussetzung dafür erfüllen

Ja, wir tragen diese Forderungen inhaltlich mit. Doch, allein die Neueinstellung von 1000 Lehrkräften pro Jahr bis 2015/16 bedeuten Mehrausgaben in Höhe von insgesamt rund eine halben Milliarde  Euro. Bei solchen Hausnummern mit dem Satz zu kommen Herr Dulig: „Das nehmen wir aus den Steuermehreinnahmen“, ist mit Verlaub naiv.
Insgesamt wurden in 2011/12 ca. 1,5 Mrd. Steuermehreinnahmen vom Land vereinnahmt (653 Mio. 2011 und 877 Mio. in 2012). Davon steht ca. ein Drittel über den KFA den Kommunen zu. Große Teile der Steuermehreinnahmen sind über Beschlüsse gebunden, das ist eine Tatsache, auch wenn wir die fast ausschließlich Verwendung der Steuermehreinnahmen für Rücklagen stark kritisiert haben.
Hinzu kommt, dass Sie – meine Damen und Herren von der SPD Fraktion – der Koalition und der Staatsregierung mit ihrem Antrag quasi einen Freifahrtsschein ausstellen, was die Beschaffung dieser zusätzlichen Finanzmittel im Haushalt betrifft.
Glauben sie wirklich, dass die Staatsregierung aufgrund ihres Antrages ihre heiligen Kühe Garantiefonds oder Haushaltsausgleichsrücklage schlachten wird?
Nun wo die Koalition und die Staatsregierung Kürzungspotential sehen, das wissen wir, und das nicht zuletzt seit den letzten Haushaltsverhandlungen. Wenn ich mich recht erinnere, waren sie – meine Damen und Herren Sozialdemokraten – damals mit die schärfsten Kritiker dieser Haushaltspolitik. Und jetzt ist es ihnen egal, woher das Geld kommen soll?
Uns Grünen ist das nicht egal. Für uns ist die Vorlage und der Beschluss eines Finanzkonzeptes für diese Mehrausgaben bei Lehrern unabdingbar. Die Haushaltshoheit hat dieses Parlament und wir sind nicht bereit, diese an eine schwarz-gelbe Staatsregierung abzugeben.
Und Herr Pritscha eben weil wir uns Gedanken machen, wo das Geld herkommt.