Annekathrin Giegengack: Keine Fouls mehr gegen freie Schulen!
Redebeitrag der Abgeordneten Annekathrin Giegengack zur Aktuellen Debatte "Sichere Perspektive für freie Schulen in Sachsen – Vielfalt und Qualität durch finanzielle Unterstützung wahren"
92. Sitzung des Sächsischen Landtages, 12. März 2014, TOP 3
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren!
Wir sprachen ja schon über Uli Hoeneß und waren beim Fußball. Jedes Spiel hat seinen Schiedsrichter, der darauf achtet, dass die Regeln eingehalten werden und dass nicht foul gespielt wird. In der Politik kommt diese Rolle den Gerichten zu. Erst im November letzten Jahres hat der Verfassungsgerichtshof in Leipzig mit dem Urteil zu den freien Schulen deutlich gemacht und dem Haus gesagt, es möge seine – eigenen Regeln einhalten: Die Verfassung, die ihr euch selbst in Artikel 102 Abs. 2 gegeben habt, sieht vor, dass für die Bildung der Jugend in Sachsen sowohl staatliche als auch freie Schulen zuständig sind und dass es kein staatliches Schulmonopol gibt.
Leider gibt es keine wirkliche Kontrolle für das Fairplay bei uns. Die Staatsregierung beherrscht viele Fassetten des versteckten Foulspiels. Das wird insbesondere deutlich beim Umgang mit den freien Schulen. Da finden wir den einen Ansatz, der eher holzschnittartig ist, etwa so, wie Georg Baselitz seine Skulpturen bearbeitet, und wir finden den feingliedrigen in der Art à la Lyonel Feininger. Herr Wöller ist eher holzschnittartig hineingegangen, hat reingeholzt und von Kannibalismus gesprochen, Veränderungen im Gesetz vollzogen, wo eindeutig klar war, was unser Juristischer Dienst im Landtag schon herausgefunden hatte, dass sie nicht verfassungskonform sind.
Frau Kurth macht das alles viel subtiler. Sie spricht davon, den Dialog zu pflegen, von einem kooperativen Miteinander und einem gemeinsamen Weg, von einer Wertschätzung, einem Dialogprozess. Was ist denn in den zwei Jahren passiert, seitdem Sie im Amt sind? Sie sind am 22. März 2012 ins Amt gekommen. Haben wir seitdem eine Sachkostenregelung für die freien Schulen bekommen? Diese warten seit sechs Jahren, sieben Monaten und elf Tagen auf eine angemessene Sachkostenregelung. Bei Ihnen ist überhaupt nichts passiert. Angeblich ein Dialogprozess – nichts.
Noch fieseliger wird es, wenn wir uns die Pressemitteilung zu dieser Förderrichtlinie anschauen. Ich zitiere: „Nach mehreren Verhandlungen hatte sich die Staatsregierung mit den Interessenvertretern der freien Schulen auf Übergangslösungen verständigt.“ Der Satz „35 Millionen Euro, mehr ist nicht drin“ hat für mich eher etwas von Ansage und wenig von Verständigung.
Auch Ihre Ausführungen, was im Ausschuss passiert ist, finde ich haarsträubend. Sie haben gesagt, Sie hätten den Ausschuss informiert und mit uns gemeinsam über die Verhandlungen gesprochen. Ich kann mich an diese Ausschusssitzung gut erinnern. Damals hatte ich noch beantragt, Sie sollten uns bitte über die Eckpunkte, die Sie mit den freien Schulen verhandeln, informieren. Da haben Sie gesagt, Sie hätten
Vertraulichkeit vereinbart und würden darüber gar nichts erzählen. Das ist kein Fairplay, nein, das ist foul gespielt.
Aber die Koalition ist auch nicht besser. Lothar Bienst, du weißt, dass ich dich persönlich außerordentlich schätze, aber die Pressemitteilung, die ihr herausgegeben habt, hat es schon in sich. Du hast geschrieben: „Wir sind uns unserer Verantwortung für die Entwicklung unserer sächsischen Bildungslandschaft bewusst. Deshalb setzt sich die CDU-Landtagsfraktion wie keine andere Fraktion seit mehr als zwei Jahrzehnten für die Förderung der freien Schulen in Sachsen ein!“
Da frage ich mich, wer hat denn hier die Kürzungen beschlossen? Die Heinzelmännchen oder wer? Auch das Zitat eben aus der Pressemitteilung der Landeskirche war nicht ganz in Ordnung, weil darin nicht nur steht, dass die Landeskirche ihre Schuldner auffordert, erst einmal die Verfahren ruhen zu lassen. Die Landeskirche hat durchaus sehr kritische Töne gefunden und formuliert, dass die 35 Millionen Euro eine absolute Schmerzgrenze bedeuten. Das finde ich nicht ganz fair.
Auch die Debatte über sichere Perspektiven für freie Schulen – darüber haben wir ja auch schon gesprochen, finde ich nicht fair gespielt. Ich sehe keine sichere Perspektive für die freien Schulen mit den 35 Millionen Euro, die hier angeboten wurden. Worüber überhaupt noch nicht gesprochen wurde: Diese 35 Millionen Euro sind ja nicht pro Jahr, sondern für zwei Jahre, und 2014 gibt es nur 10 Millionen Euro, und diese 10 Millionen Euro werden auch noch einmal aufgeteilt in Investitionsmittel und laufende Mittel.
Nur einmal ein spezielles Problem von kleinen Grundschulen, weil vorhin das Beispiel der Grundschulen kam. Es gibt so kleine Grundschulen, die diese lnvestmittel überhaupt nicht abrufen können, weil sie so wenig Schüler haben, dass sie gar nicht auf 5 000 Euro kommen, die sie brauchen, um diese als lnvestmittel zu beantragen.
Man hat mit den Schulen nicht richtig verhandelt und darüber gesprochen, was die Schulen tatsächlich brauchen.
Ich würde gern noch ein paar Ausführungen dazu machen, weshalb die freien Schulen große Bedenken hatten, dieses Angebot von 35 Millionen Euro insgesamt anzunehmen. Es wurde schon angedeutet, die 35 Millionen Euro decken noch nicht einmal die notwendige Anpassung der Sachkostenpauschale ab. Es ist bei den Verhandlungen deutlich geworden, dass die Gebäudekosten darin nicht enthalten sind. Da wäre die Summe viel größer gewesen. Das heißt, mindestens 70 Millionen Euro hätte es bedurft, um nur allein die Sachkosten auf einen angemessenen Stand zu bekommen. Es wurde auch keine Differenzierung zwischen den Schularten vorgenommen. Die 35 Millionen Euro werden pro Schüler ausgezahlt. Hier sind besonders die Grundschulen benachteiligt. Sie wissen, die Sachkosten werden aus 25 % Personalkosten berechnet, die Personalkosten richten sich nach der Eingruppierung im staatlichen Schulsystem. Dementsprechend stehen die Grundschulen bei den Sachkosten schlechter da. Indem man das Geld einfach pro Kopf auszahlt, egal an welcher Schule, sind die Grundschulen benachteiligt.
In der Förderrichtlinie wurde keine Differenzierung in Bezug auf Schulen vorgenommen, die sich in schwierigen Stadtteilen befinden. Das heißt, Schulen, die besonders viel Schulgeldersatz aufgrund ihrer Schülerschaft beantragen konnten, der jetzt weggefallen ist, bekommen bloß pro Kopf das Geld ausgereicht und hätten eigentlich mehr gebraucht.
Es wurde schon angesprochen, dass Schulen in der Wartefrist nicht berücksichtigt wurden. Diese bekommen jetzt Geld aus der Übergangsregelung, ansonsten bekommen sie gar nichts, bis ein neues Gesetz in Kraft tritt. Auch die Ausweisung der Hälfte des Geldes als Investitionsmittel habe ich vorhin schon angesprochen. Es gibt keinen offiziellen Verzicht von einer möglichen Verzinsung der Rückzahlungen. Das ist ein Damoklesschwert, welches über den freien Schulen schwebt. Wenn sie jetzt Fördermittel aus dieser Förderrichtlinie beantragen und dann irgendetwas nicht klappt, werden die Fördermittelrückforderungen möglicherweise auch noch verzinst. Das kann einigen kleineren Schulen durchaus schwer zu schaffen machen.
Wir dürfen uns nichts vormachen: Die freien Schulen haben dieses Angebot angenommen, weil sie sich in einer Zwangslage befinden. Hinter vorgehaltener Hand wurde von Erpressung gesprochen: – „Wenn wir das nicht annehmen, bekommen wir gar nichts. Damit haben einige Schulen so ein großes Problem, dass sie es sich vielleicht gar nicht überlegen.“
Einen Aspekt möchte ich noch ansprechen. Nicht nur die freien Schulen befinden sich in einer Zwangslage, wenn sie das annehmen. Vielleicht sollte der haushaltspolitische Sprecher der CDU-Fraktion jetzt zuhören. Auch der Freistaat befindet sich zunehmend in einer Zwangslage in Bezug auf die freien Schulen, denn durch die Einsparungen und Kürzungen wurde eine Bugwelle finanzieller Verpflichtungen aufgestaut, die, sollte das Gesetz tatsächlich rückwirkend
gelten, kaum mehr haushalterisch darstellbar sein wird. Frau Stange hat angedeutet, dass es hier um dreistellige Millionenbeträge geht.
Wenn die CDU-Fraktion sich immer hier hinstellt und arrogant und abschätzig über das dilettantische Finanzgebaren anderer Bundesländer ablästert, ganz besonders gern über NRW wie heute wieder, sollte sie sich bewusst sein, dass sie mit ihrer Bildungspolitik unseren Freistaat hoch yerschuldet, sicher nicht bei Banken und Kreditinstituten, sondern vielmehr bei den Eltern und Schülern der freien Schulen. Ich muss sagen, dass ich das persönlich viel verwerflicher finde.
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