Annekathrin Giegengack über den freien Zugang zu freien Schulen
Redeauszüge der Abgeordneten Annekathrin Giegengack zum Antrag „Sicherung des freien Zugangs zu freien Schulen“ in der 21. Sitzung des Sächsischen Landtages, 29.09., TOP 6
Es gilt das gesprochene Wort!
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Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Sehr geehrter Herr Präsident!
In dieser Debatte ist schon sehr viel gesagt worden über die
wichtige Rolle der freien Schulen in unserem Bildungssystem. Die Kampagne „Damit‘s bunt bleibt. JA zu freien Schulen“ ist angelaufen. Wir spüren es alle an unseren E-Mail-Briefkästen. Am Dienstag hat der Parlamentarische Abend der freien Schulen stattgefunden. Es existiert ein umfangreiches Thesenpapier der Arbeitsgemeinschaft Schulen in freier Trägerschaft und ein Positionspapier des Privatschulverbandes.
Ich möchte all die Argumente für den Erhalt der freien Schulen nicht wiederholen, sondern eher auf den Kern des Problems eingehen; denn die geplante Streichung der Schulgelderstattung für Kinder aus einkommensschwachen Familien ist meines Erachtens nur eine Variante des grundlegenden Problems; dies ist natürlich ein finanztechnisches. Auch wenn wir hier jetzt keine Haushaltsdebatte führen wollen, denke ich, man kann es davon nicht abtrennen. Der gesamte Haushalt im Bildungsbereich ist nach ein und demselben Muster gestrickt, nämlich dass das vorhandene Defizit auf die jeweils nachgeordnete Ebene, das heißt die Kommunen und die freien Träger, weitergegeben wird unter dem Vorwand, gesetzlich für die Erfüllung dieser Aufgaben nicht zuständig zu sein.
Dieses Muster findet sich bei der Schulhausbauförderung, bei der Kita
lnvestförderung und eben auch bei den freien Schulen. Damit stehen die Kommunen und die freien Träger sozusagen vor der Quadratur des Kreises: Sie sollen bei Reduzierung der Regelleistungen ihre Aufgaben weiter im vollen Umfang erfüllen und darüber hinaus den Wegfall von Fördermitteln kompensieren.
Konkret bedeutet das für die freien Schulträger, dass sie in Zukunft trotz Streichung der Schulgelderstattung ihrer verfassungsgemäßen Pflicht nachkommen sollen, die Schüler eben nicht nach ihren Besitzverhältnissen zu sondern — wobei gleichzeitig die Regelfinanzierung der freien Schulen von 90 auf 80 % abgesenkt werden soll. Herr Bläsner, genau diesen Punkt haben Sie eben nicht erwähnt: dass auch die Regelfinanzierung zurückgefahren werden soll. Diese beiden Dinge müssen wir unbedingt gemeinsam betrachten.
Es liegt auf der Hand, dass das nicht geht, und das wissen Sie auch — zumindest Iris Firmenich von der CDU-Fraktion, wie gestern der Ausgabe der „Freien Presse“-Mittweida zu entnehmen war. Dort heißt es, dass sie sich als stellvertretende Vorsitzende des Schulvereins einer evangelischen Grundschule für den Erhalt bestehender Einrichtungen stark macht.
Ich zitiere: «Wir debattieren darüber, sind uns aber auch weitestgehend einig, dass die freien Schulen weiter existieren müssen. Ich hoffe nicht, dass ich mich in Zukunft dieser existenziellen Gewissensentscheidung stellen muss. Aus eigener Kraft können die Schulen wegbrechende Zuschüsse nicht kompensieren. Die Gehälter der Lehrer sind schon unter Tarif — Herr Minister! — und Entlassungen aufgrund begrenzter Personaldecke unmöglich.»
Wir GRÜNEN sind über diese Äußerung sehr erleichtert, relativiert sie doch Einzelmeinungen in der CDU, die die Reduzierung der Mittel für freie Schulen als eine willkommene Gelegenheit begrüßen, dass sich Eltern quasi über ein erhöhtes Schulgeld eine — ich zitiere — «destruktive Kinderfreie Schule für ihre Schützlinge erkaufen können». Ich danke auch an dieser Stelle für die klaren Worte von Herrn Colditz, der sich davon distanziert hat.
Herr Minister, ich schätze Sie und Ihre Arbeit durchaus; aber ich finde, Sie haben nicht zuletzt durch Ihre Kannibalismusäußerung einen Anteil daran, dass sich die Debatte um die freien Schulen so heißläuft; denn unter einem solch enormen Zeit- und Entscheidungsdruck über die Zukunft der freien Schulen zu verhandeln ist unmöglich.
Wir stimmen heute dem Antrag der SPD-Fraktion zu, noch einmal eine Prüfung auf die Verfassungsmäßigkeit der Vorschläge herbeizuführen. Wir haben selbst bereits einen Antrag auf Prüfung durch den Juristischen Dienst gestellt. Wir stimmen der SPD zu in der weisen Voraussicht, dass uns der Juristische Dienst unter Umständen vielleicht doch erst nach der Haushaltsdebatte seine Ergebnisse mitteilt, und so gehen wir auf Nummer sicher.
Vielen Dank.