Annekathrin Giegengack: Wie viel sind Schulabschlüsse in Sachsen wert?

Redebeitrag der Abgeordneten Annekathrin Giegengack zum Antrag "Gemeinsam zum Erfolg – Anerkennung und Vergleichbarkeit durch Bildungsstaatsvertrag verbessern", 69. Sitzung des Sächsischen Landtages, 30. Januar 2013, TOP 2

– Es gilt das gesprochene Wort –
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Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

ich muss in das gleiche Horn stoßen wie meine Vorrednerinnen. Ich habe mich auch gefragt – nicht nur bei der Debatte, sondern schon vorher, als die

Berichterstattung wegen des Staatsvertrages kam —‚ was das jetzt eigentlich soll.

Denn es ist in der Tat so, dass das, was im Staatsvertrag steht, Aufgaben der Kultusministerkonferenz sind. Ich darf kurz zitieren: “Eine wesentliche

Aufgabe der Kultusministerkonferenz besteht darin, durch Konsens und Kooperation in ganz Deutschland für die Lernenden, Studierenden, Lehrenden und

wissenschaftlich Tätigen das erreichbare Höchstmaß an Mobilität zu sichern und Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse sicherzustellen.“

Daraus ergeben sich als abgeleitete Aufgaben – das ist genau das, Herr Bienst, was Sie vorhin vorgelesen haben: – „… die Übereinstimmung und

Vergleichbarkeit von Zeugnissen und Abschlüssen zu vereinbaren, auf die Sicherung von Qualitätsstandards in der Schule hinzuwirken, die Kooperation von

Einrichtungen der Bildung zu fördern“. Ich habe mich wirklich gefragt, warum hier nun drei Länder einen Alleingang machen. Es lag mit der Niedersachsen-

Wahl ja nahe. Die ist nun vorbei, knapp verloren. Jetzt steht noch die bayerische Wahl an.

Es ist in der Tat so: Man kann mit Bildungspolitik Wahlen gewinnen oder auch verlieren. Sie haben sich ein Thema gesucht, bei dem es eine große Zustimmung

in der Bevölkerung gibt. – Zwischen 75 und 96 Prozent je nach Bundesland – der Eltern sagen: Wir brauchen einheitliche Abschlüsse. Es wird sich zeigen, ob

Sie das als Wahlkampfthema benutzen können. In Niedersachsen hat es nicht so ganz hingehauen.

Es wurde bereits angesprochen: Warum sind Eltern so hinterher, was die einheitlichen Abschlüsse betrifft? Natürlich – die Mobilität. Diese ist im

Zusammenhang mit dem Staatsvertrag, der wahrscheinlich nur noch zwischen zwei Ländern abgeschlossen wird, auch nicht so der Brüller, also wenn man

beispielsweise von Plauen nach Hof zieht. Außerdem sind unsere Bildungssysteme doch recht ähnlich.

Ich habe noch eine Kleine Anfrage dazu gestellt. Das Mobilitätsproblem ist gar nicht so sehr groß, wie wir es immer vermuten. Wir wollten es einfach noch

einmal nachgewiesen haben. Letztendlich wechseln viermal mehr Gymnasiasten auf die Mittelschule, als Kinder aus einem anderen Bundesland an unsere

Mittelschule zu kommen.

Den zweiten Punkt halte ich persönlich für sehr wichtig, das ist die Vergleichbarkeit: Wie viel ist das sächsische Abitur wert, bzw. andere sächsische

Abschlüsse im Vergleich zu anderen Abituren und Abschlüssen? Ist genauso schwer? Jetzt gibt es von den CDU-regierten Ländern die Initiative der gemeinsamen

Aufgaben im Abitur ab 2014. Ich weiß nicht, ob es unbedingt so zielführend ist, dass alle am gleichen Tag das gleiche Abitur schreiben. Das sei einmal

dahingestellt. Aber ich möchte einfach zu bedenken geben: 50 Prozent der Schüler machen kein Abitur, sondern einen mittleren Schulabschluss: Realschul-

oder Hauptschulabschluss, und ich halte es für sehr wichtig, dass wir dort auch eine Vergleichbarkeit hinbekommen; denn dort gehen die Unterschiede meines

Erachtens viel weiter auseinander.

Wenn wir uns einmal den Vergleich zwischen Schülern, die keinen Abschluss bekommen, und dem Anteil von Schülern in einem Bundesland anschauen, die zu den

sogenannten Risikoschülern zählen – das sind die Schüler in der 9. Klasse, die auf dem Niveau der 3. Klasse lesen, schreiben und rechnen – dann haben wir

in Sachsen in etwa eine Übereinstimmung dieses Anteils – schlimm genug – das sind 11 Prozent der Schüler, die keinen Abschluss bekommen und nur auf dem

Niveau der 3. Klasse lesen, schreiben und rechnen.

Wenn ich mir das in Bayern anschaue, so ist es dort schon der doppelte Anteil der Kinder, die nur auf diesem Niveau lesen, schreiben und rechnen, und nur

halb so viele, die keinen Abschluss bekommen. Bei den anderen Ländern, mit denen wir jetzt gemeinsame Abiturprüfungen angehen – zum Beispiel Niedersachsen

und Schleswig-Holstein —‚ ist der Anteil noch höher. Dort haben wir 25 Prozent der Neuntklässler, die auf dem Niveau der 3. Klasse rechnen und schreiben.

Da wird mir Himmelangst. Aber es sind nur 7 Prozent die keinen Abschluss bekommen. Das ist schlimm, klar; diese 7 Prozent sind immer noch schlimm. Aber das

geht doch total auseinander. Da stimmt doch etwas mit den Abschlüssen nicht in Hamburg ist es noch drastischer: 30 zu 7 Prozent. Ich denke, dort müssen wir

unbedingt beim Realschul- und beim Hauptschulabschluss nachsteuern, damit es vergleichbar wird und sich die Bundesländer nicht gegenseitig die Taschen

vollhauen und sich mit ihren Zahlen austricksen. Davon steht leider nichts im geplanten Staatsvertrag.

Ich würde mir sehr wünschen, wenn dort nachgesteuert wird, dass dann bitte auf KMK-Ebene alle Länder mitgenommen werden. Ich denke, man sollte beherzigen,

was schon vor über 65 Jahren für die KMK festgeschrieben wurde, als sie gegründet worden ist – ich zitiere -: “Die Länder nehmen in der Konferenz ihre

Verantwortung für das Staatsganze auf dem Weg der Selbstkoordination wahr und sorgen in Belangen, die von länderübergreifender Bedeutung sind, für das

notwendige Maß an Gemeinsamkeit in Bildung, Wissenschaft und Kultur.“ Und das bitte für alle Bundesländer.

Vielen Dank.

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