Annekathrin Giegengack zur Umsetzung des Kinderförderungsgesetzes

Redebeitrag der Abgeordneten Annekathrin Giegengack zum Antrag „Umsetzung des Kinderförderungsgesetzes in Sachsen“ in der 22. Sitzung des Sächsischen Landtages, 30.09., TOP 7
Es gilt das gesprochene Wort!
—————————————————————————-
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Die Problematik Kindertagesstätten, Kinderbetreuung kann man aus einer
Reihe von Perspektiven betrachten: ethisch-moralisch, gleichstellungspolitisch, sozial-pädagogisch, bildungspolitisch, familienpolitisch, aber eben auch volkswirtschaftlich.
Das halte ich für eine sehr wesentliche Betrachtungsweise, die heute nur im Ansatz bei Frau Schütz zur Sprache gekommen ist. Sie ist wichtig, aber leider spiegelt das die Anwesenheit der Abgeordneten hier im Saal nicht richtig wider.
Aus dieser Perspektive stellen die Ausgaben für Kindertagesstätten durchaus größere volkswirtschaftliche Investitionen dar. Der volkswirtschaftliche Ertrag dieser Investitionen beläuft sich nach den Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin auf bis zu vier Euro für einen investierten Euro. Das heißt, eine durchschnittliche Investition von 5200 Euro für einen Kindertagesstättenplatz pro Jahr führt zu einem durchschnittlichen Ertrag von 20.000 Euro.
Die Nutzeneffekte sind vielfältig. Durch eine optimale Kinderbetreuung erzielen Eltern zusätzliches Einkommen. Daraus resultieren zusätzliche Sozialversicherungsbeiträge und zusätzliche Steuereinnahmen. Darüber hinaus kommt es zu Einsparungen von Sozialhilfekosten. Eine weitere Nutzenswirkung sind die sogenannten Bildungsrenditen der zum Beispiel in Ausbildung befindlichen Eltern, aber auch der betreuten Kinder.
Auch betriebswirtschaftlich rentieren sich die Ausgaben für eine optimale Kinderbetreuung. Wie eine Kosten-Nutzen-Analyse des Bundesministeriums für Familie zeigte, können damit Unternehmen in erheblichem Maße Mehrbelastungen durch längeres Ausscheiden jüngerer, gut qualifizierter Mitarbeiterinnen vermeiden. Dies wird immer entscheidender für Unternehmer.
Nach einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln konnten bereits 2006 drei von zehn Unternehmen ihren Fachkräftebedarf nicht mehr vollständig decken. Hochgerechnet wurden 100 000 Stellen nicht und 65 000 Stellen verspätet besetzt. Der Wertschöpfungsverlust der Wirtschaft belief sich nach Aussagen der Studie auf 18,5 Milliarden Euro.
Meine Damen und Herren! Aufgrund der demografischen Entwicklung wird die Zahl der Erwerbspersonen in Deutschland in den nächsten Jahrzehnten weiter deutlich sinken von heute knapp 41 Millionen auf voraussichtlich 32 Millionen im Jahre 2050.
Nach Einschätzung des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln ist die Förderung der Erwerbsbeteiligung von Frauen mit der effektivste Ansatz, um den Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials spürbar zu bremsen. Aus diesem Grund fordert auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag, dass sowohl aus volkswirtschaftlicher als auch aus unternehmerischer Sicht der weitere Ausbau der Kinderbetreuung in Deutschland dringend vorangetrieben werden muss.
Meine Damen und Herren! Wir stehen in Sachsen vor einer der größten
Herausforderungen nach den Umwälzungen von 1990. Stark sinkende Einnahmen, ein stetiger Bevölkerungsrückgang verbunden mit einer weiteren Alterung und der absehbare Fachkräftemangel zwingen dazu, politisch zu handeln. Wenn wir Sachsen zukunftsfähig machen wollen, dann dürfen wir nicht nur sparen, sondern müssen an den richtigen Stellen auch investieren.
Für uns GRÜNE sind das — meinen vorangegangenen Ausführungen folgend — eben unter anderem die Kitas. Die Bedarfe vor allem in den großen Städten — es wurde hier schon angesprochen — zeigen, dass das Angebot an Kitas nicht ausreicht.
Wir begreifen die Sicherung einer optimalen Kinderbetreuung nicht als rein kommunale Aufgabe. Auch der Bund hat hierfür Verantwortung übernommen. Es ist nur recht und billig, dass auch der Freistaat seinen Teil dazu beisteuert. Immerhin profitiert er auch davon. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. In diesem Sinne sollten wir uns der auch stellen.