Antje Hermenau: „Allein mit Rücklagen kann die Zukunft des Freistaates nicht gewonnen werden“

"Rücklagen zu haben ist sicherlich ein schönes Gefühl, allein mit Rücklagen kann die Zukunft des Freistaates nicht gewonnen werden" – Zielgenauer Einsatz der Steuermehreinnahmen für Kinder und Jugendliche, Klimaschutz und die Kommunen
Redebausteine der Abgeordneten Antje Hermenau zum Antrag der GRÜNEN-Fraktion "Steuermehreinnahmen für strategische Zukunftsinvestitionen verwenden" (Drs. 5/5805) in der 37. Sitzung des Sächsischen Landtags, 26.05., TOP 7
Es gilt das gesprochene Wort!
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Sehr geehrter Herr Präsident,Liebe Kolleginnen und Kollegen,
nach den Ergebnissen der Steuerschätzer betragen die Steuermehreinnahmen für die neuen Länder ohne Berlin 2011 922 Mio. Euro und 2012 1.066 Mio. Euro. Da der Freistaat an den Mehreinnahmen der neuen Länder mit ca. einem Drittel partizipiert, wird Sachsen 2011/2012 schätzungsweise über 650 Mio. Euro mehr Steuern verfügen. Wenn Ihre Taktik die sein sollte, diese Mehreinnahmen auf Null zu rechnen, wird verständlich, warum Sie so lange brauchen, die Ergebnisse der Steuerschätzung für Sachsen vorzulegen.
Alle anderen Länder haben inzwischen die regionalisierten Zahlen vorgelegt. Nur Sachsen nicht, und ich frage mich, warum. Minister Voß (CDU) hat die Zahlen für Thüringen bereits am Tag nach den Steuerschätzern, am 13. Mai. veröffentlicht. Allzu groß scheint der Rechenaufwand also nicht zu sein. Wenn Finanzminister Unland heute Abend nicht die regionalisierte Steuerschätzung zum Antrag meiner Fraktion vorlegen sollte, wäre das eine Brüskierung des Landtags. Denn der Finanzminister hat heute die Journalisten zu einem Pressehintergrundgespräch am Montag zu diesem Thema eingeladen.
In einem Vermerk bei einem Titel im Einzelplan 15 (15 10 325 01) haben die Koalitionäre geregelt, dass die Staatsregierung allein über die Verwendung sämtlicher Steuermehreinnahmen entscheidet. Meine Damen und Herren von CDU und FDP, ich weiß nicht, ob Ihnen allen klar ist, dass Sie von den Steuermehreinnahmen keinen einzigen Cent sehen, wenn Sie an diesem Vermerk nichts ändern, dass die Staatsregierung die Mehreinnahmen in die Rücklagen, den Generationenfonds oder den Garantiefonds für die Sachsen LB schiebt, also die Polster des Freistaates noch weiter verstärkt, während wichtige Zukunftsinvestitionen auf Eis liegen.
Minister Wöller hat – so scheint es – als einziger die Zeichen der Zeit erkannt. Er hat unsere volle Unterstützung, wenn er mehr Referendare einstellen will, damit Sachsen auch in Zukunft noch genügend gute Lehrerinnen und Lehrer beschäftigen kann.
Rücklagen zu haben ist sicherlich ein schönes Gefühl, allein mit Rücklagen kann die Zukunft des Freistaates nicht gewonnen werden. Was nützt der Zuwachs an Geld auf dem Konto,
•    wenn der Freistaat den Kindern, Jugendlichen und jungen Menschen in unserem Land nicht die Bildungs- und Entwicklungschancen gewähren, die ihnen zustehen? Für ein Land, dessen wirtschaftliche Entwicklung allein von dem Rohstoff "Wissen" abhängt – keine gute Entwicklung
•    wenn im Freistaat Investitionen in den Klimaschutz nicht im notwendigen Ausmaß getätigt werden? Viele Mieter sind steigenden Energiekosten ausgesetzt. Durch ein energetisches Sanierungsprogramm für Sachsen können die Kosten auch zukünftig niedrig gehalten werden
•    wenn sächsische Städte und Gemeinden in Folge des demografischen Wandels zunehmend vor unlösbaren Problemen stehen? Sie sind stolz auf die hohen Ausgaben für Investitionen. Auch die sächsischen Kommunen haben viel investiert. Aber: Die Abschreibungen für diese Investitionen werden viele Kommunen in Zukunft nicht mehr erwirtschaften können. Deshalb muss jetzt gehandelt werden.
Wir meinen: Nach den dramatischen Kürzungen im Doppelhaushalt 2011/2012 ist es an der Zeit, wieder zu gestalten. Steuermehreinnahmen sollten deshalb für strategische Zukunftsinvestitionen verwendet werden. Nachdem zunächst die im Doppelhaushalt 2011/2012 vorgesehene Entnahme aus der Kassenverstärkungs- und Haushaltsausgleichsrücklage in Höhe von rund 250 Mio. Euro finanziert wird, wollen wir weitere 210 Mio. Euro im Doppelhaushalt 2011/2012 für den Klimaschutz, den Bildungsbereich und die sächsischen Kommunen ausgeben. Die darüber hinaus reichenden Steuermehreinnahmen sollen dem Garantiefonds zur Absicherung der Sachsen LB-Bürgschaft zugeführt werden.
Zu 2.a: Klima schützen – in ÖPNV und Gebäude investieren
Die nationalen und internationalen Klimaschutz-Verpflichtungen sind nur zu erfüllen, wenn sie durch konkrete, die klimarelevanten Emissionen senkenden Maßnahmen auf der lokalen und regionalen Ebene umgesetzt werden.
Vordringlichen Handlungsbedarf sehen wir beim sächsischen Wohnungsbestand und beim Verkehr. Investitionen in diese beiden Bereiche sind nicht nur ökologisch notwendig, sondern in Zeiten steigender Energiepreise und endlicher fossiler Energiereserven auch ökonomisch sinnvoll.
Im Gebäudebereich muss vorrangig in den Sachsen dominierenden Altbaubestand investiert werden, der zu 70 Prozent vermietet ist. Um sächsischen Vermietern angesichts ihrer finanziellen Situation einen besonderen Anreiz zur Gebäudesanierung zu geben, wollen wir für die energetische Sanierung von Mietwohnungen neben den Bundesprogrammen einen Zuschuss gewähren. Die Zuschussfinanzierung der öffentlichen Hand im Bereich der Energetischen Gebäudesanierung hat ein exzellentes Kosten-Nutzen Verhältnis. Je Euro Förderung werden private Investitionen von 7 bis 8 Euro ausgelöst, qualifizierte Arbeitsplätze im sächsischen Handwerk erhalten bzw. neugeschaffen.
Wir fordern ein Programm zur energetischen Sanierung von Mietwohnungen in Höhe von 44 Mio. Euro jährlich. Der Zuschuss würde pro Quadratmeter durchschnittlich ca. 35 Euro betragen. Damit könnten pro Jahr 17.000 Wohnungen energetisch saniert werden.
Investitionen in den ÖPNV sind nicht nur Investitionen in den Klimaschutz, sondern sichern maßgeblich den Erhalt der zukünftigen Mobilität der sächsischen Bürgerinnen und Bürger.
Die aktuell zu beobachtenden Folgen der ÖPNV-Kürzungen im sächsischen Doppelhaushalt 2011/2012 sind dramatisch. Tariferhöhungen bis zu 8 Prozent – beschlossen im Verkehrsverbund Oberlausitz-Niederschlesien -, eine Ausdünnung des Streckenangebots, Taktreduzierungen sowie der Stopp wichtiger Investitionen in allen Verkehrsverbünden torpedieren sämtliche Bemühungen, Verkehr umweltfreundlicher zu gestalten. Gerade der ländliche Raum ist massiv betroffen. Diejenigen, die nicht zwischen Auto, Rad und öffentlichem Verkehr wählen können, haben das Nachsehen. Überregional "berühmt" geworden ist die Taktreduzierung der Mitte-Deutschland-Bahn auf der Strecke Chemnitz – Glauchau – Jena – Erfurt – Göttingen. Inakzeptabel sind die 60-prozentigen Taktreduzierungen auf der Strecke Döbeln – Nossen. Als Mittelstück der Strecke Meißen – Leipzig werden Taktausdünnungen auf anderen Strecken die Folge sein.
Wir fordern deshalb die Aufstockung der Regionalisierungsmittel für den ÖPNV auf die ursprünglich festgeschriebene Höhe, d.h. 25 Mio. Euro 2011 und 35 Mio. Euro 2012. Damit wollen wir den Verkehrsverbänden die nötige Planungssicherheit geben, so dass Tarifanstiege revidiert und strategisch notwendige Mindestinvestitionen ermöglicht werden können.
Zudem wollen wir verhindern, dass Sachsen in Folge der Kürzungen zukünftig Sachsen statt deutlich steigender Bundeszuschüsse für den ÖPNV weniger Bundesmittel erhält. (Die Mittel werden ab 2015 neu verhandelt.)
Zu 2. b: Bildungschancen verbessern – Kinder und Jugendliche fördern
Investitionen in die Infrastruktur des Landes sind wichtig, mindestens ebenso wichtig für die Zukunftsfähigkeit des Landes aber sind gute Bildungs- und Entwicklungschancen für Kinder und Jugendliche.
Das fängt im Kita-Bereich an. Deshalb fordern wir ein Programm zur Sprachförderung in Kitas in Höhe von 6 Mio. Euro.
Der Anteil von Schulanfängern mit erheblichen Sprachschwierigkeiten nimmt zu. Er beträgt in einigen Schulen und Kommunen bis zu 30 Prozent. Die Kindertagesstätten sind aufgrund der angespannten Personalsituation und angesichts fehlender spezifischer Qualifikationen nur unzureichend in der Lage, präventiv auf dieses Problem zu reagieren.
Ein – soeben abgeschlossenes – Landesmodellprojekt "Sprache fördern" hat sich zum Ziel gesetzt, die Sprachförderkompetenz von Erzieherinnen auszubauen. Der darin erprobte erfolgreiche Ansatz soll nun in die Fläche ausgedehnt und mit einer Verbesserung der Personalsituation in den Einrichtungen verbunden werden. Das als Ergänzung zum entsprechenden Bundesprogramm zu initiierende Projekt soll mit dem Fokus auf Kitas in sozialen Brennpunkten den Einstieg in eine generelle Verbesserung des Kita-Personalschlüssels darstellen.
Das Modellprojekt hat gezeigt: Bei den jüngeren Kindern kann im Sinne eines präventiven Eingreifens mit relativ wenig Förderung relativ viel erreicht werden. Insbesondere bei zweijährigen Kindern führt Sprachförderung zu messbaren sprachlichen Verbesserungen. Sprache ist der Schlüssel zur Welt: mit einer gezielten Sprachförderung in Kitas werden grundlegende Kompetenzen ausgebildet, die später in der gesamten Schullaufbahn tragen. Damit helfen wir insbesondere Kindern aus bildungsfernen Schichten, die beim Spracherwerb eben nicht von ihren Eltern in dem Maße unterstützt werden, wie es notwendig wäre. Studien zeigen: jeder Euro, der in Kitas investiert wird, rentiert sich vierfach – mit dem speziellen Fokus auf Sprachförderung dürfte dieser Ertrag noch höher sein.
Bildung braucht Lehrerinnen und Lehrer. Und die werden in Sachsen bald fehlen. Deshalb fordern wir mehr Stellen für Anwärter und Referendare an Schulen in Höhe von 17 Mio. Euro/Jahr.
Trotz des kommenden Lehrermangels hält die Staatsregierung nur in ungenügendem Umfang Referendariatsstellen zur Verfügung. Insbesondere an Förderschulen und Grundschulen sind jedoch bereits jetzt fächerspezifische Engpässe zu verzeichnen. Ab 2013 wird an allen Schularten ein Fehlbedarf von insgesamt 1.000 Stellen jährlich erwartet. Bis 2030 gehen 3/4 der jetzt auf 29.000 Stellen arbeitenden Lehrer in den Ruhestand. Um diesem Mangel vorzubeugen soll der Freistaat zusätzlich 500 Anwärter und Referendare einstellen, die in den kommenden Jahren in den Schuldienst übernommen werden können. Dabei sollen bevorzugt Bewerber für Mangelfächer an Grundschule und Förderschule eingestellt werden.
Kultusminister Wöller hat sich in diesen Tagen für eine entsprechende Erhöhung der Referendariatsplätze auf 1300 Stellen ausgesprochen. Während Finanzminister Unland dazu schweigt, legen wir einen Vorschlag vor, wie diese Stellen seriös zu finanzieren sind. Diese Stellen sind gut angelegt. Fehlende Lehrkräfte bedeuten Unterrichtausfall, größere Klassen, weniger individuelle Förderung – das vom Kultusminister ausgegeben Ziel, die Zahl der Schüler ohne Abschluss von derzeit 12 Prozent auf 5 Prozent zu senken, wird dann nicht zu erreichen sein.
Mehr Lehrende werden auch an den Hochschulen benötigt. Dafür wollen wir 12 Mio. Euro/Jahr mehr ausgeben.
Die Staatsregierung hat im Doppelhaushalt 2011/12 die Zuschüsse für Forschung und Lehre (Verstärkungsmittel) von 24 auf 12 Mio. Euro halbiert.
Mit zusätzlichen Mitteln könnten u. a. Tutorien und wissenschaftliche Bibliotheken auf hohem Niveau finanziert werden. Damit kann unter anderem ein wirksamer Beitrag zur Senkung der Studienabbruchquoten geleistet werden.
Die derzeitigen Studienabbruchquoten liegen im Schnitt bei 23 Prozent, gerade in den Ingenieur-Fächern jedoch bei bis zu 35 Prozent. Eine Verbesserung der Lehrqualität ist eine entscheidende Voraussetzung, um die Studienabbruchquote auf 10 Prozent zu senken.
Gelingt eine spürbare Verringerung der Studienabbrüche, kann der Rückgang der Studierendenzahlen weitgehend kompensiert werden. Um den künftigen Fachkräftebedarf zu decken, muss der Anteil von akademisch ausgebildeten jungen Menschen deutlich steigen. Die derzeitige Absolventenquote (Anteil der Hochschulabschlüsse an einem Jahrgang) von 25 Prozent sollte langfristig auf mindestens 35 Prozent steigen. Die derzeitige Zahl von jährlich 18.000 Absolvierenden an sächsischen Hochschulen könnte bei einer Senkung Studienabbruchquote auch bei sinkenden Studierendenzahlen bei insgesamt 17.000 Abschlüssen jährlich relativ stabil gehalten werden. Das wäre ein entscheidender Beitrag, um das für die Sicherung des Fachkräftenachwuchs‘ entscheidende Ziel, über 35 Prozent eines Jahrgangs zum Hochschulabschluss zu führen, zu erreichen.
Statt der jährlich 6.800 Absolventen (2009) in den MINT-Fächern könnten bei einer Auslastung von 100 Prozent und bei einer Senkung der Studienabbrüche von durchschnittlich 25 Prozent auf 10 Prozent insgesamt bis zu 10.000 Hochschulabschlüsse in diesen Fächern erreicht werden. Dafür muss die Attraktivität der Fächer erhöht und die Qualität der Lehre verbessert werden. Gelingt es, deutlich mehr Frauen für das Studium eines MINT-Faches zu gewinnen, können deutlich mehr als die jährlich 9.200 Studienanfänger in diesen Fächern gewonnen werden, als die Staatsregierung derzeit erwartet.
Jugendarbeit stärken – Jugendpauschale um 5 Mio. Euro anheben.
Die drastischen Kürzungen der Jugendhilfe bringen Konzentrationsprozesse in Gang, die die Vielfalt an Angeboten und ihre Erreichbarkeit gefährden. Beides ist aber extrem wichtig, um die Jugendlichen in ihren verschiedenen Lebenswelten zu erreichen.
Ich weiß nicht, ob Ihnen die Folgen Ihres Handelns im Detail bekannt sind. Deshalb will ich Ihnen zwei Beispiele geben:
Aufgrund der Kürzung der Jugendpauschale von 14,30 Euro auf 10,40 fehlen dem Landkreis Bautzen 300.000 Euro. Über ein Drittel, der ehemals 33 vom Landkreis finanzierten Sozialarbeiterstellen, wurden weggekürzt. Nur noch 20 Sozialarbeiter werden derzeit finanziert. Die Aufteilung in vier Sozialräume führte vor allem dazu, dass größere Einsatzgebiete von immer weniger Sozialarbeitern und Sozialarbeiterinnen abgedeckt werden. Praktisch heißt das vor allem: Während früher eine Schulsozialarbeiterin vollständig an einer Schule tätig und somit verlässliche Ansprechpartnerin sein konnte, muss sie jetzt mehrere Schulen betreuen. Präventive Arbeit, vertrauensvolle Beratung und Begleitung von Kindern und Jugendlichen und Ansprechbarkeit bei akuten Problemen bleiben immer mehr auf der Strecke.
Im anderen Kreisen z.B. im Landkreis Zwickau wird auch den Kompetenzagenturen gekürzt. Die Kompetenzagenturen machen mobile Beratung bei Jugendlichen und helfen, dass diese ausbildungsfähig werden.
Vielfach wird bei den Jugendclubs bzw. –begegnungsstätten gekürzt. Aus Torgau ist zu hören, dass durch die anstehenden drastischen Einsparungen Einrichtungen geschlossen werden müssen. Die bereits bestehenden weißen Flecken werden immer größer. Durch das Wegbrechen qualifizierter Angebote werden Tür und Tor für extremistische Gruppen geöffnet, welche seit Jahren mit immensen staatlichen Förderprogrammen bekämpft werden.
Zu 2. c: Demografischen Wandel gestalten – Kommunale Mindestfinanzausstattung sichern
Ich habe in den letzten Monaten einige Kommunen in Sachsen besucht und mit Bürgermeistern und Kämmerern über die Idee einer kommunalen Mindestfinanzausstattung sowie über einen Ausgleich für demografisch bedingte Mindereinnahmen diskutiert. Überall bin ich auf offene Ohren gestoßen. Mit den Folgen der demografischen Entwicklung werden – sofern sie nicht schon jetzt davon berührt sind – die meisten Kommunen zu kämpfen haben. Da wird eine Schule nicht mehr benötigt, aber es fehlt das Geld, aus der Schule eine Pflegeeinrichtung zu machen. Wenn die Pflegebedürftigen nicht vor Ort gepflegt werden können, ziehen sie weg, das bedeutet noch weniger Einnahmen. Die Kosten für den Unterhalt der Infrastruktur bleiben.
In Kommunen, die die Doppik bereits eingeführt haben, wird deutlich, dass es nur selten zu schaffen ist, zukünftig die Abschreibungen für die getätigten Investitionen zu erwirtschaften. Befürchtungen vor dem erneuten Verfall der Gemeinden machen sich breit. Die Kommunen machen sich Gedanken, wie sie dieser Entwicklung entgegen steuern können. Der Personalabbau stößt an seine Grenzen, wenn ein Verwaltungsmitarbeiter für drei verschiedene Aufgabenbereiche zuständig ist. Die festgeschriebene Straßenbreite von 6,50 Metern könnte reduziert werden, wenn eine Straße in einer dünn besiedelten Region nicht so häufig genutzt wird. Etc. All diese Bemühungen sind gut und richtig. Aber: Am Ende wird deutlich: Es muss eine Sockelfinanzierung her, die es den Kommunen ermöglicht, einen Mindeststandard an öffentlichen Aufgaben dauerhaft zu finanzieren (6,9 Mio. Euro), und es muss einen Einstieg in den Ausgleich für demografisch bedingte Mindereinnahmen geben (5,5 Mio. Euro).
Auf die demografischen Herausforderungen sind die wenigsten Kommunen in Sachsen ausreichend vorbereitet. Vor allem die sächsischen Klein- und Mittelstädte brauchen planerische und kreative Unterstützung. In der Städtebauförderung müssen deshalb weiterhin Mittel im Bereich der Stadtentwicklung, und zwar mit einem größeren integrierten Ansatz als bisher.
Das Programm "Steuerung Stadtentwicklung" entspricht den Wünschen vieler kleinerer Kommunen und Sanierungsträger und fördert u.a. die aufsuchende Beratung, den Wissenstransfer und die Beratung im Bereich Selbstnutzer von Brachflächen, die Aufgaben des bisherigen Quartiermanagements im Rahmen der Sozialen Stadt, die Akquise, Beratung und Vernetzung privater Investoren in schwierigen Stadtteillagen, die Koordinierung lokaler Beschäftigungsinitiativen, die Zusammenführung von potenziellen Einzelinteressenten zu Bauherrengemeinschaften, die temporäre Zwischennutzung schwieriger innerstädtischer Grundstücke und Immobilien nach dem Vorbild der Wächterhäuser, die Einrichtung und Vernetzung von Denkmaldatenbanken sowie die Moderation von Nachbarschaftsprozessen und bürgernahe Planung mit echten Partizipationsmöglichkeiten.
Die Bedeutung dieser nichtinvestiven Maßnahmen für die Stadtplanung ist immens. Stadtentwicklung als integrative Querschnittsaufgabe heißt, Sozial- und Jugendarbeit ebenso wie Schulentwicklung und lokale Ökonomie zu verzahnen, die Zivilgesellschaft zu aktivieren, Zuwanderer zu integrieren. Durch den vorliegenden Programmvorschlag werden Aufwertungsprozesse in Gang gesetzt, die Investitionen vor Ort auslösen. Diese Arbeit ist im Zuge der anstehenden demografischen Entwicklungen unersetzlich.
Meine Damen und Herren, stimmen Sie unserem Antrag zu, nehmen Sie die Geschicke des Landes selbst in die Hand.