Antje Hermenau: Einsparmaßnahmen von Schwarz-Gelb kopflos
Redebeitrag der Abgeordneten Antje Hermenau zur Aktuellen Debatte "Lieber in Beton statt in kluge Köpfe investeiert – Haushaltsziel heißt: Statik statt Dynamik"
93. Sitzung des Sächsischen Landtages, 13. März 2014, TOP 1
– Es gilt das gesprochene Wort –
Herr Präsident,
meine Damen und Herren Kollegen,
Was ist denn das Aktuelle an dieser Aktuellen Debatte? Ein Eckwertepapier aus einer Klausur? Okay. Ich sage Ihnen, das Aktuelle hat seinen Ursprung vor vier Jahren genommen. Nicht, dass Sie Schwarz-Gelb gemacht haben, das war auch ein Fehler. Aber unabhängig davon haben Sie vor vier Jahren völlig kopflos angefangen, Einsparmaßnahmen vorzunehmen, die weder nachhaltig waren noch strukturell und inhaltlich begründbar. Sie knuspern bis heute an dieser völlig kopflosen Haushaltspolitik aus dem Jahr 2010 und versuchen aktuell, das vergessen zu machen. Sie haben keine wirkliche Strukturreform gemacht, Sie haben einen Umzugszirkus veranstaltet in der Verwaltung.
Sie haben keine Strukturreform gemacht, aber jede Menge Kürzungen, und jetzt winden Sie sich, wie Sie diese Kürzungen wieder ungeschehen machen und zurückführen können, weil Sie gemerkt haben, dass Sie dramatisch falsch gelegen haben.
Die letzte Legislaturperiode, die jetzt fast zu Ende ist, war davon gekennzeichnet, dass es fünf Jahre lang keine wesentlichen Strukturreformen gegeben hat. Schwarz-Gelb hat Sachsen nicht auf die Zukunft in fünf Jahren vorbereitet. Das haben sie nicht gemacht.
Die Situation ist so, dass es nach dem gemeinsamen Kraftakt der Schuldenbremse in Sachsen eine Selbstverständlichkeit ist, dass keine neuen Schulden mehr aufgenommen werden. Eine Selbstverständlichkeit! Das ist auch wirklich eine hohe Qualität in der sächsischen Finanzpolitik – nicht, dass wir uns missverstehen.
Jetzt haben Sie, nach dem Ihnen durch die gemeinsame Schuldenbremse diese Monstranz abhandengekommen ist, hinter der sich alle verstecken konnten, nämlich zu sagen, wir machen keine neuen Schulden, nicht mehr gewusst, hinter welcher neuen Monstranz Sie nun durch das Dorf prozessieren. Na ja, jetzt ist es die hohe lnvestitionsquote. Eine an sich hohe Investitionsquote ist noch lange keine gute lnvestitionsquote. Sie ist erst einmal nur hoch.
Wenn wir von Statik und Dynamik sprechen: Sie sind vor allem Wirtschaftsingenleure. Das hat das Land auch vorangebracht – nicht, dass wir uns missverstehen. Aber Sie haben kaum Gesellschaftsarchitekten. Das ist leider richtig, und wenn Sie über Statik und Dynamik in einer Gesellschaft diskutieren, brauchen Sie beide Gruppen. Wenn eine Gruppe Übergewicht hat, gerät die Gesellschaft in Schieflage, und das ist passiert.
Sie sichern das Erreichte nicht genug, und Sie visieren Neues an, aber Sie wissen nicht genau, was das Neue sein soll. Wir aber müssen uns jetzt darum kümmern, unsere dauerhaften Kosten nach den vielen Investitionen im Griff zu behalten. Die Städte und Gemeinden müssen in der Lage sein, die bereits gebaute Infrastruktur auch zu halten. Dann nützt es nichts, falsche Investitionen hinterherzuschieben und nach Berlin zu melden: Yes, Sir, wir haben eine außerordentliche lnvestitionsquote. Wir wissen zwar nicht wofür, aber wir haben eine hohe Investitionsquote. Das wird uns nicht weiterbringen! Wenn das Geld weniger wird, gibt man es mit mehr Bedacht aus. Sie können die Kommunen nicht auf den Folgekosten und den Unterhaltskosten sitzen lassen. Aber das beginnt zu passieren. Die Bürgermeister sind mit der Doppik jetzt auf den Trichter gekommen und haben gemerkt, dass sie nicht in der Lage sein werden, all die vielen neuen Straßen, die in Rede stehen, auch wirklich auf Dauer zu unterhalten. Die werden marode, die werden verfallen, und dann hat man nichts davon gehabt, noch eine gebaut zu haben. Es ist klüger, jetzt, nachdem 25 Jahre lang investiert wurde, das, was man investiert hat, stabil zu machen und zu halten. Erreichtes sichern ist jetzt angesagt, nicht sinnentleertes Weiterwachsen.
Meiner Meinung nach ist die Frage, was eine nachhaltige Investition und was eine falsche Investition ist, sehr wichtig. Wir haben das bei uns lange diskutiert und machen verschiedene Vorschläge. Ich darf einmal aufführen: Es wäre wichtig, den Kommunen dabei zu helfen, kommunale Energieparks zu machen, damit sie in der Lage sind, nach 2020 eigenes Geld zu erwirtschaften, damit sie ihre Kitas halten können, damit sie ihre Straßen ausbessern können und damit sie in der Lage sind, das Leben im ländlichen Raum zu stabilisieren.
Natürlich wird es nötig sein, in die Wärmedämmung von Altbauten zu investieren. Wir werden darauf angewiesen sein. Sie brauchen Investitionen in vielen Bereichen. Manches sind auch keine Bauinvestitionen. Das wissen Sie so gut wie ich. Aber Gesellschaftsarchitekten kosten so viel weniger als monströse Straßenbauer. Wenn Sie das einmal finanziell ins Verhältnis setzen, können wir jede Menge Stabilisierung der Gesellschaft machen mit einem kleinen Betrag dessen, was Sie sinnlos verbauen.[…] Wenn Sie einen Umzugszirkus der Verwaltung für eine Strukturreform halten, überlegen Sie bitte einmal, welche Konsequenzen das alles hatte, was 2008 durch damals noch Schwarz-Rot – wenn ich mich recht erinnere – verbrochen wurde. Da kam auch keine wirkliche Rendite heraus, aber jede Menge Blödsinn. Das wissen Sie alle ganz genau.
Wenn man den ländlichen Raum – und das ist wichtig – stabilisieren möchte, muss man dort auch Investitionen vornehmen, und zwar nicht Fluchtstraßen in die Städte, sondern dann muss man den ländlichen Raum attraktiv machen. Das ist das Geheimnis. Darum geht es. Straßen hat der ländliche Raum genug. Der braucht keine neuen Straßen, der braucht Gründe, in der Region zu bleiben. Viele Leute in den ländlichen Räumen wollen auch nicht unbedingt immer nur mit dem Auto fahren, sondern sie würden sich wünschen, ihre Mobilität auch anders herstellen zu können.
Wir reden über öffentlichen Nahverkehr. Die Landräte wissen ganz genau, wovon ich spreche. Wir reden zum Beispiel auch über solche Fragen: Wenn man die Ansiedlungspolitik im ländlichen Raum stabil halten will, wäre es wichtig, darauf zu achten, dass junge Menschen Interesse daran haben, im ländlichen Raum zu leben. Da hat man die Frage der Kita einfach vor der Haustür. Das ist ist dann eben so — auch die Frage übrigens, ob man Schulen im ländlichen Raum hat oder ob man alles zentralisiert.
Diese Grundsatzentscheidungen muss man treffen, genauso wie Investitionen in die sächsischen Verbundinitiativen, die dafür sorgen, dass durch Zuliefererstrukturen auch im ländlichen Raum Arbeitsplätze vorhanden sind, genauso wie es darum geht, Regionalbudgets zu finanzieren, damit passgenauer Technologietransfer gemacht werden kann.
Dann gibt es natürlich die Frage des Breitbandausbaus, mit der Sie sich jetzt brüsten. Die Europäische Union hat Ihnen Geld aufgenötigt, damit Sie endlich bei dem Thema einmal in die Spur kommen. Das war auch höchste Eisenbahn.
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