Antje Hermenau: Millionen gewonnen – Milliarden verloren! Wo ist die persönliche Rechenschaft?

Redebeitrag der Abgeordneten Antje Hermenau in der 2. Aktuellen Debatte zum Thema "Zusammenbruch der Landesbank – Verantwortliche konsequent zur Verantwortung ziehen", 86. Sitzung des Sächsischen Landtages, 27. November 2013, TOP 1
– Es gilt das gesprochene Wort –
————————————————————————————

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen!
Herr Michel, Sie sagten, Sie wollen hier nichts schönreden. Aber Sie haben vieles kleingehandelt und manches abgewunken; das müssen wir einmal festhalten.
Es war doch nicht alles schlecht, was wir bei der CDU jetzt geleistet haben bei der Abwicklung der Sachsen LB – das ist das, was Sie heute hier vorgetragen haben.
Diese Sprüche kenne ich sonst woanders her. Es geht um Verantwortung, sicherlich auch um die Verantwortung in der Großen Koalition von 2004 bis 2009 hier in Sachsen; aber das ist noch eine andere Geschichte.
Die CDU hat in ihrer Alleinregierungszeit diese Sachsen LB erfunden, das Geschäftsmodell betrieben und es weiterentwickelt. Es wurden in den Rechtsstreitigkeiten ein paar Millionen gewonnen, aber es wurden Milliarden verloren. Sie, Herr Prof. Unland, haben jetzt die Abwicklungsverantwortung, und darüber würde ich gern sprechen.
Sie haben selbst schon sinngemäß gesagt, es geht typischerweise in einem Zivilprozess nicht um Schuld, Sühne und Strafe, sondern um Geld, und das Ziel wäre, mehr Geld zurückzubekommen, als der Prozess kostet. Wir haben ungefähr 28 Millionen Euro an Prozesskosten ausgegeben, wir haben circa 60 Millionen Euro an Schadenersatz eingenommen; das sind etwas mehr als zwei Prozent als allein die Bürgschaftssumme von 2.750 Millionen Euro. Millionen gewonnen –  Milliarden verloren!
Dabei lasse ich unerwähnt die Vorlaufkosten, Kapitalaufstockungen, beim Verkauf getätigte Verzichte usw.
Das Staatswesen – das ist Ihre Rechtsauffassung gewesen, Herr Prof. Unland; Sie haben es heute wieder vorgetragen –  ist in meinen Augen keine Firma. Sie können einen Staat nicht wie eine Firma betreiben; das geht nicht, auch wenn Sie betriebswirtschaftliche Verantwortung tragen.
Ein Staatswesen basiert auf Vertrauen und Verantwortung, sonst funktioniert es nicht – jedenfalls nicht in einer Demokratie. Dann müssen Sie eine andere Staatsform wählen. Ich halte das wirklich für ein Problem. Die ganze Fraktion hat sich immer wieder eingebracht, wir haben ständig darauf hinzuweisen versucht, dass das wichtig ist.
Jetzt haben wir aktuell Gerichtsaussagen: Vorstände sind nicht allein und nicht ursächlich verantwortlich, irgendwie waren sie es gar nicht so richtig … Sie kommen jetzt irgendwie davon – und das, weil der Verwaltungsrat unkritisch war – und das wird nicht einmal wirklich thematisiert.
Politiker tragen Verantwortung – vielleicht nicht aus der individuellen Sicht; das mag jeder halten, wie er will – aber aus der Sicht der Bevölkerung auf jeden Fall, und dem ist Rechnung zu tragen. Es geht um Verantwortung.
Der Verwaltungsrat hatte nach der damaligen Rechtslage den Auftrag: Er vertritt – nach Abs. 4 – die Sachsen LB gegenüber den Vorstandsmitgliedern. Er überwacht – nach Abs. 6 – den Vorstand und seine Ausschüsse. Das war der Job des Verwaltungsrates. Er war das Bindeglied zur Staatsregierung – der politischen Spitze im Lande – zur SLB. Nun ist das alles verjährt. Sie haben auf die Anklageerhebung verzichtet. Sie haben das mit Kostenfragen begründet. Was sind denn die demokratischen Kosten dieses Verzichts, den Sie geübt haben?
Wir haben am 28. August 2009 ein Urteil vor dem Verfassungsgericht in Leipzig erwirkt, das sich genau mit den Sorgfaltspflichten der Verwaltungsratsmitglieder befasst hat. Danach wurde schuldhafte Pflichtverletzung festgestellt und die Sorgfaltspflichten wurden beschrieben. Es geht nicht darum, ob hier vorsätzlich gehandelt wurde oder nicht – es geht um Sorgfaltspflichten und bei
Investitionsentscheidungen darum, eben nicht auf die Einstufung von Ratingagenturen zu vertrauen und nicht in eigener Verantwortung Risiken für das Unternehmen einzugehen, die im Falle ihrer Verwirklichung zum Untergang des Unternehmens führen.
Ich zitiere aus der Begründung des Urteils: „Seit 2004 bestehende Hinweise sind nicht zum Anlass genommen worden, eine detaillierte Prüfung der Risikostruktur in diesem Geschäftsfeld vorzunehmen. Vielmehr wurden die in der Kreditvorlage offen zutage tretenden Widersprüche in der Risikobewertung nicht aufgeklärt.“ Der Verwaltungsrat hat versagt; er hat seine Verantwortung nicht wahrgenommen, und wir thematisieren das hier nicht angemessen.
Es war klar, dass 2.750 Millionen Euro nicht wieder hereinzuholen sind. Das Geld fehlt nun – beim Investitionsbau für Schulen und Kitas, beim Breitbandausbau im ländlichen Raum …; – es fehlt. Wo ist die persönliche Rechenschaft? Ein Ministerpräsident und ein Finanzminister sind zurückgetreten. Es werden jetzt Hinterzimmervergleiche gemacht und es gibt keine öffentlichen Urteile. Wo ist die persönliche Verantwortung – woran kann man diese festmachen?
Ich finde Ihr Wirtschaftlichkeitsargument lächerlich. Es schützt politisch Verantwortliche. Wo soll in Zukunft Verantwortung für unser Gemeinwesen auch bei Politikern und anderen, die man wirbt, für solche Aufgaben herkommen – wenn wir nicht über die notwendige Gewissenhaftigkeit für die Zukunft in solchen Aufgaben debattieren und hier nicht klarstellen, was zu tun und was zu lassen ist?

» Alle GRÜNEN Reden finden Sie hier …