Antje Hermenau zur Aktuellen Debatte der Fraktion GRÜNE „Neue Köpfe, neue Politik? Wo ist der Kurswechsel in der sächsischen Bildungspolitik?“

Redebeitrag der Abgeordneten Antje Hermenau zur Aktuellen Debatte der Fraktion GRÜNE "Neue Köpfe, neue Politik? Wo ist der Kurswechsel in der sächsischen Bildungspolitik?", 54. Sitzung des Sächsischen Landtages, 4. April 2012, TOP 6
Es gilt das gesprochene Wort!
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Vor wenigen Wochen war in den Medien zu lesen, dass Sachsen eine Regierungskrise habe. Das wirft automatisch die Frage auf, wie die politische Führung in einer Demokratie im 21. Jahrhundert hier in Sachsen aussehen soll—jenseits hektischen Bemäntelns einer angeblichen Regierungskrise.
Das wirft auch ein Licht auf die Akteure. Da sind Sie, Herr Ministerpräsident Tillich, Sie, Herr Fraktionsvorsitzender Flath, und der nicht anwesende Fraktionsvorsitzende Zastrow gefragt.
Natürlich kann man situativ zwischen einem autoritären, einem demokratischen und einem Laissez-faire-Führungsstil wählen, je nachdem, was angemessen ist. Aber das sprunghafte Changieren zwischen einem Platzhirsch-Gehabe oder eines uninteressierten Laissez-faire als ein Führungsstil vorgetäuschter Toleranz haben dazu geführt, dass zwei Minister über Monate hinweg wie D-Züge in Zeitlupentempo aufeinander zu gefahren und schließlich gecrasht sind. Es ist dabei herausgekommen, dass Sie Ihre politische Führung, wie ich finde, nicht ordentlich ausgeübt haben.
Herr Tillich, es ist schwer, bei Ihnen herauszuhören, ob Sie mit Ihrem Laissez-faire-Führungsstil eine aktive Toleranz befördern in dem Sinne, dass Sie sagen: „Auch für die Meinung eines anderen habe ich einzutreten“, oder ob es einfach nur Desinteresse ist oder das Verzweifeln vor der Komplexität des 21. Jahrhunderts.
Da kann man nicht Sinatra anstimmen und sagen: I did it my way. Diese Nicklichkeiten unter Männern, die zu einer Blockade der Regierungstätigkeit, zu einer geheimen Miniarbeitsgruppe Zastrow-Flath und einem Miniergebnis Bildungspaket geführt haben, machen deutlich, dass hier dringend mal Geld für ein Führungsseminar ausgegeben werden müsste. Das würden wir wahrscheinlich sogar im nächsten Haushalt unterstützen – besser, als Herrn Cohausz noch einmal auf Schulung zu schicken.
Ich habe heute das Interview in der „Sächsischen Zeitung“ gesehen. Herr Tillich, Sie haben versucht, im Vorfeld die heutige Debatte zu entschärfen. Das ist Ihr gutes Recht. Sie haben gesagt, ich habe meinen eigenen Stil. Gerne! Welchen denn? Wir würden gern wissen, welchen.
Ich habe das ganze Interview gründlich gelesen. Sie wurden gefragt: Woran lag das Fehlen einer Lösung? Sie sagen: Da müssen Sie die Handelnden fragen. Da haben Sie also nicht gehandelt.
Herr Tillich übernimmt keine Verantwortung. Herr Wöller hat Ihnen mit seinem Rücktritt Ihren, der fällig war, abgenommen. So sieht die Wahrheit aus. Sie haben, das sagte ich gerade, zwei Minister als D-Züge aufeinander zu fahren lassen, wo eine politische Grundsatzentscheidung nötig war. Da gab es kein Problem zwischen Beamten zu lösen, die irgendwie verschiedene Tabellenkalkulationen überprüfen mussten. Es wurde eine Grundsatzentscheidung gebraucht, die nicht gefällt wurde.Das ist mangelnde Führungsverantwortung.
Sie wurden gefragt: Ein Dritter ordnet den Streit? Da haben Sie geantwortet: Ja, ich habe sie immer wieder aufgefordert, sie mögen sich zusammensetzen und das lösen. Eine Grundsatzentscheidung können Sie nicht dadurch lösen, dass Sie die beiden einsperren und mit Plätzchen versorgen, die Sie gebacken haben, sondern da muss eine Grundsatzentscheidung mit Mehrheiten in den Fraktionen und im Kabinett gefällt werden.
Dann höre ich diese sehr männliche Attitüde: Oben auf dem Dach, da schlagen die Blitze eben zuerst ein.
Nehmerqualitäten als Blitzableiter gehören zur Stellenbeschreibung, das habe ich jetzt verstanden.
Die Bevölkerung erwartet doch nicht, dass Sie harte Männer spielen. Die erwartet, dass Sie Probleme lösen, und zwar nicht nur in der Form, das machen jetzt die Fachleute und einer Art technokratischen Regierung, sondern Sie sollen sie,politisch auch auf Dauer lösen mit nachhaltigen Ergebnissen. Das Wort Nachhaltigkeit wird uns in den nächsten Monaten noch beschäftigen. Und da ist der Ministerpräsident der oberste Diener und die Minister sind die Diener, und zwar des Volkes und der gewählten Volksvertreter. Das Thema ist Ihnen nicht neu, ich weiß, aber Sie haben es noch nicht verstanden.
Mein eigener Stil —ja, den haben wir hier alle, jeder von uns. Aber es heißt doch nicht, dass man sich nur treu bleiben kann, indem man auf Entwicklung verzichtet. Was ich glaube, ist Folgendes: Herr Tillich, Herr Flath, Herr Zastrow, es ist hinlänglich bekannt, welchen persönlichen Stil jeder von Ihnen hat. Wenn Sie eine Halbzeitbilanz vorlegen, dann kann ich nur sagen, gemessen an dieser Frage war das eine Bilanz des Schreckens. Den alten Politikstil der organisierten Verantwortungslosigkeit in einer Kollektivführung wollen wir auch nicht zurückhaben.
Der war nicht gut. Aber Sie kriegen vor lauter eigenen Stilen ja nicht einmal eine politische Führung in dieser Koalition hin. Das ist doch das, was herausgekommen ist. Das ist meiner Meinung nach kollektives Chefversagen. Ich bin der Auffassung, entweder machen diese drei Köpfe eine andere Politik oder die andere Politik sucht
sich ihre eigenen Köpfe mit ihrem eigenen Stil.
Danke schön.