Elke Herrmann: Sozialhaushalt tatsächlich zu einem Haushalt des Sozialen machen
Rede der Abgeordneten Elke Herrmann, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, in der Debatte um den Doppelhaushalt 2013/2014, 66. Sitzung des Sächsischen Landtages, 12. Dezember 2012, TOP 1
– Es gilt das gesprochene Wort –
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Sehr geehrter Herr Präsident,
Sehr geehrte Damen und Herren!
Wenn Haushalt in Zahlen gegossene Politik ist, frage ich mich ernsthaft, wo die Mitglieder der Koalition in den letzten Jahren waren.
Die Ergebnisse der Anhörungen im Sozialausschuss zu den verschiedenen Themen spiegeln sich in diesem Haushalt nicht wider. Ich muss also davon ausgehen, dass diese Anhörungen nur lästige Pflicht sind, statt die Chance inhaltlicher Auseinandersetzungen zu nutzen und eigene Positionen zu hinterfragen.
Mein Eindruck, den ich manchmal im Sozialausschuss hatte, dass allein die körperliche Anwesenheit zählt, spiegelt sich auch im Haushalt wider. Oder soll ich es so verstehen, dass Sie von vornherein allein wegen der Parteizugehörigkeit den richtigen Weg wissen oder gewiesen bekommen, oder ist es Resignation bei Ihnen?
Wenn dem aber so sein sollte, dann kann man natürlich nicht erwarten, dass von Ihnen Impulse für eine aktive Gestaltung von Politik ausgehen. Mein Eindruck ist, dass es Ihnen um Besitzstandswahrung geht, und, liebe Kolleginnen und Kollegen, es fällt mir schwer, das zu glauben. Ich habe mich in Zeiten, als das in diesem Lande noch nicht möglich war, viel zu sehr nach demokratischer Auseinandersetzung und Aushandlung gesehnt. Jetzt haben wir die Chance und Sie nehmen sie nicht wahr.
Im Haushalt finden sich nichtsdestotrotz einige politische Aussagen. Zum Beispiel kommt eine eigenständige Kinder- und Jugendpolitik nicht mehr vor, sondern sie wird unter dem Kapitel „Familie, Kinder und Jugend‘ mit veranschlagt.
Zur Gleichstellung:
Sie erinnern sich, wir hatten in Sachsen einmal ein Gleichstellungsministerium. Auch das ist kein eigenständiges Kapitel mehr, sondern findet sich unter dem Kapitel „Gleichstellung, Familie und Gesellschaft“.
Mit den Senioren sieht es ähnlich aus.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein paar Sätze zur Transparenz. Sie können sich erinnern, dass Mahnungen des Landesrechnungshofes immer wieder dahin gehen, den Haushalt verständlich, transparent und klar abzufassen.
Ich gebe zu: An einigen Stellen wird dieses Bemühen erkennbar, allerdings kollidiert es immer wieder mit Ihrem Wunsch, Sparstrümpfe anzulegen oder Kürzungen zu verschleiern. Das versuchen Sie, indem bisher separat veranschlagte Ausgaben in gemeinsame Haushaltstitel gepackt werden, die dann in der Summe anwachsen und somit die Kürzung in den bisherigen Einzeltiteln verschleiern. Als Beispiel nenne ich die Jugendpauschale. Dort wird die Aufgabe „Kinderschutz“ hineingepackt, das heißt, insgesamt schwinden die Ausgaben in dem Bereich.
Neu ist in Kapitel 08 03 die Titelgruppe „Bürgerberatung und Bürgerhilfe“. Dort hat die Beratungsstellenanalyse dazu verführt, verbunden mit dem Wunsch zu sparen und vermeintliche Synergien zu nutzen, fachliche Argumente für Struktur- und Beratungsangebote völlig außen vor zu lassen. Solche Argumente wären zum Beispiel die Erreichbarkeit bzw. die regionale Verteilung von Beratungsstellen und Unterstützungsangeboten, die fachliche Differenzierung und Schwerpunktsetzung von Beratungen bzw. die Trägervielfalt. Das spielt bei Ihnen keine Rolle.
Sie haben einige Haushaltssätze zwar angehoben, die Förderrichtlinien aber so gestrickt, dass diese Mittel nicht abfließen können. Wir haben das im vergangenen Haushalt am Beispiel der Betreuungsvereine und der Zuverdienst-Projekte spüren können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dieser Herangehensweise nehmen Sie Folgekosten in Kauf. Die Vermeidung von Ausgaben heute kann uns in den Folgejahren durchaus teuer zu stehen kommen. Das bedeutet: Das heutige Sparen wird zu sozialen Schulden in der Zukunft führen.
Zur Klarheit gehört auch, dass Sie Maßnahmen gegen Menschenhandel bei „Stärkung von Familien“ und „Frauen- und Kinderschutzeinrichtungen“ bei „Bürgerberatung und Bürgerhilfe“ eingeordnet haben.
Ja, Sie haben an einigen Stellen nachgebessert, Sie haben einige Punkte angehoben. Das hat Herr Krauß bereits ausgeführt. Er hat gesagt, es sind viele kleine Einzelpunkte, aber ein Konzept ist nicht zu erkennen. Die Fachlichkeit wird vernachlässigt.
Fachliche Konzepte und Standards haben bei der Aufstellung dieses Haushalts offensichtlich keine große Rolle gespielt. Ich nenne aufgrund meiner Redezeit nur einige Konzepte: Konzept für HIV/Aids — nicht durch den Haushalt untersetzt; Grundsatz ambulant vor stationär — nicht durch den Haushalt untersetzt. Der zweite Landespsychiatrieplan kann mit diesem HaushaItsansatz nicht umgesetzt werden.
Der Landesjugendhilfeplan wird in Ihrer Lesart zu einem Wunschzettel, statt zu einem langfristigen Konzept mit Verbindlichkeiten. Empfehlungen des Kinder- und Jugendberichts haben Sie nicht aufgenommen. Die Studie „Alter — Rente — Grundsicherung“, die vom Sozialministerium veranlasst wurde, findet in Ihrem Haushalt keine Widerspiegelung.
Sie lassen die Kommunen, an die Sie immer mehr Aufgaben übertragen, im Regen stehen und entledigen sich Ihrer Verantwortung für die Daseinsfürsorge im Land.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir werden Ihnen eine Reihe von Änderungsanträgen vorstellen und bitten Sie an dieser Stelle um Zustimmung, um den Sozialhaushalt tatsächlich zu einem Haushalt des Sozialen zu machen.
Danke.
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