Eva Jähnigen: Die Arbeit des Kommunalen Sozialverbandes braucht mehr Transparenz

Redebeitrag der Abgeordneten Eva Jähnigen zum Antrag "Evaluierung der Tätigkeit und der Aufgabenerledigung des Kommunalen Sozialverbands (KSV) des Freistaates Sachsen" (Drs. 5/12091), 85. Sitzung des Sächsischen Landtages, 17. Oktober 2013, TOP 6

– Es gilt das gesprochene Wort –
————————————————————————————

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Präsident,
wir teilen die dringende Forderung nach einer Evaluierung der Arbeit des Kommunalen Sozialverbandes (KSV). Die derzeitige Arbeit des Verbandes zeichnet sich, bei allem Respekt vor engagierten Arbeitsleistungen seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, durch fehlende Transparenz und die Unüberschaubarkeit seiner Größe und seiner Aufgaben aus. Diese Probleme sind strukturell bedingt. Als einziger landesweit arbeitender, kommunaler Zweckverband leidet dieser übergroße Zweckverband besonders an den Transparenzdefiziten in den sächsischen Zweckverbänden. So können ehrenamtliche Vertreter der Kreise oder kreisfreien Städte in den Zweckverbänden nur mit Zustimmung ihrer Körperschaft Anträge für die Tagesordnung oder in der Sache stellen. Es kann nur im Block abgestimmt werden, obwohl die Angelegenheiten der Zweckverbände nur sehr selten in den Kreistagen oder Stadträten vorbehandelt werden. In der Praxis wird das Meiste rein auf Verwaltungsebene vorgeklärt. Denn es gibt leider keinerlei Vorbereitungspflichten für die Hauptorgane der Kreise und Städte.
Hinzu kommt beim KSV auch die für Fachleute nur schwer zu überschauende Vielfalt seiner Aufgaben. Er ist überörtlicher Sozialhilfeträger, überörtliche Betreuungsbehörde, zuständig für niedrigschwellige Betreuungsangebote und andere Aufgaben des SGB IX. Die Aufgaben des Integrationsamtes nimmt er ebenso wahr wie den Vollzug von Förderungen nach Landesjugendhilfegesetz. Der KSV ist Kontrollbehörde für den Vollzug des Berufsrechts der akademischen Heilberufe und der Gesundheitsfachberufe und Heimaufsicht.
Grundproblem ist: oft führt der KSV sowohl die Verhandlungen über Leistungserbringung und Kostensätze mit den Trägern und ist gleichzeitig die Kontrolle ihrer fachlichen Arbeit. Er ist Leistungserbringer und Ordnungsbehörde in einem – das ist ein Problem für die Kontrolle, denn de facto kontrolliert sich der KSV selbst.
Ich möchte das am Beispiel der Heimaufsicht schildern: Eine solche Konstruktion haben BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag immer kritisiert. Bereits in der letzten Legislatur hatten sich in der Anhörung zu unserem Antrag Drs. 4/8837 "Künftige Wahrnehmung der Aufgaben der Heimaufsicht im Freistaat Sachsen" am 20. Juni 2007 die Sachverständigen mehrheitlich gegen eine Verlagerung der Heimaufsicht auf den Kommunalen Sozialverband (KSV) ausgesprochen.
Grund dafür war, dass der KSV gemeinsam mit den Fachministerien, den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege, privaten Leistungserbringern und anderen Sozialleistungsträgern den Aufbau der Hilfsangebote in Sachsen koordiniert. Darüber hinaus finanziert der KSV im Rahmen des Sozialgesetzbuches (SGB) XII und anderer Rechtsnormen die stationären Eingliederungshilfen und ist zuständig für den Abschluss von Vereinbarungen nach Paragraf 75 SGB XII, in denen die Höhe der Entgelte und Vergütungen mit den Einrichtungsträgern geregelt wird. Auch verhandelt der KSV die Entgelte in der Altenhilfe.
Der KSV ist als kommunaler Zweckverband strukturell haushaltspolitisch orientiert und muss auf die finanziellen Beschränkungen seiner Mitgliedskommunen Rücksicht nehmen. Denn Erhöhungen seiner Umlagebeiträge würden sich sofort im Haushalt von Landkreisen und kreisfreien Städten niederschlagen würden.
Bereits in der Begründung des Referentenentwurfs für das Sächsische Verwaltungsneuordnungsgesetz wurde angeführt, dass Interessenkollisionen aufgrund der weiteren Aufgaben des KSV nicht ausgeschlossen (etwa § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HeimG) werden können. Diese Bedenken trägt auch der Sächsische Rechnungshof, der in seinem Jahresbericht 2011 (S. 159) deshalb empfiehlt, die organisatorische Trennung zwischen der Heimaufsicht und dem Träger der Sozialhilfe, dem KSV beizubehalten. Keinem dieser Bedenken wurde im Gesetzgebungsverfahren zur sogenannten Verwaltungsreform Rechnung getragen. Ab 1. Januar 2013 hat der KSV gemäß dem Sächsischen Verwaltungsneuordnungsgesetz vom 29. Januar 2008 tatsächlich die Heimaufsicht übernommen.
Ziel der Evaluation muss eine ergebnisoffene Prüfung sein, welche Aufgaben des KSV dort verbleiben, welche Aufgaben ggf. kommunalisiert werden können und welche Aufgaben in wieder in landesweite Behörden zurückverlagert werden. Eine solche Verlagerung in Landesdirektion und Sozialministerium als oberste Behörde ist für die Aufgabe der Heimaufsicht dringend zu überlegen. Denn auch in der 2009 von der Bundesrepublik Deutschland ratifizierten UN-Behindertenrechtskonvention heißt es in der Fassung der Schattenübersetzung: "Zur Verhinderung jeder Form von Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch stellen die Vertragsstaaten sicher, dass alle Einrichtungen und Programme, die für Menschen mit Behinderungen bestimmt sind, wirksam von unabhängigen Behörden überwacht werden". Da die Heimaufsicht im KSV keine unabhängige Behörde ist, entspricht die Übertragung der Heimaufsicht an den KSV nicht der UN-Behindertenrechtskonvention.
Für jede weitere Kommunalisierung fordern wir, dass Kreise und kreisfreie Städte solche Aufgaben nicht nur als Verwaltungsaufgaben übertragen bekommen, sondern, dass die Kreistage und Stadträte als Hauptorgane der Kommunen auch das Recht und die Pflicht bekommen, sozialpolitische Rahmenentscheidungen durch öffentlichen Beschluss zu treffen, ggf. in beschließenden Ausschüssen wie jetzt schon den örtlichen Ausschüssen für Jugendhilfe. Wir möchten nicht, dass die Landräte und Oberbürgermeister weitere Behördenaufgaben bekommen und keine Gestaltungsspielräume mit öffentlichen Debatten für die Hauptorgane der Kommunen, die Kreistage und Stadträte, entstehen.
Last but not least: Wir fordern die sächsische Regierung und die Abgeordneten der Koalition von CDU und FDP erneut auf, sich für sozialpolitische Entscheidungen nicht weiter wie nun schon seit vielen Jahren hinter dem KSV und den Kommunen zu verstecken. Gestalten Sie selbst und konkret durch Gesetze und Rechtsverordnungen.
Geben Sie den Kommunen Gestaltungsspielräume in klaren Verhältnissen mit sicheren Finanzverhältnissen. Kümmern Sie sich endlich um unabhängige Kontrolle aller Leistungsbewilligungsbehörden. Sorgen Sie dafür, dass Landräte und Oberbürgermeister nicht zu unteren Verwaltungsbehörden mutieren, sondern dass die Kreistage und Stadträte sowie wie im Jugendhilferecht auch in der sächsischen Sozialpolitik mitentscheiden können.

» Alle GRÜNEN Reden finden Sie hier …