Eva Jähnigen: Die deutsche Bahn hat 5 Feinde – Frühling, Sommer, Herbst und Winter und der fünfte Feind ist der Fahrgast

Redeauszüge der Abgeordneten Eva Jähnigen zur Aktuellen Debatte „Endstation Winter – sächsische Fahrgäste auf dem Abstellgleis“ in der 29. Sitzung des Sächsischen Landtages, 20.01., TOP 1
Es gilt das gesprochene Wort!
—————————————————————————-
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Kennen sie diesen Witz schon? Die deutsche Bahn hat 5 Feinde. Das sind die 4 Feinde des Sozialismus Frühling, Sommer, Herbst und Winter – der fünfte Feind ist der Fahrgast.
Leider begann 2011 für den sächsischen Bahnverkehr so wie 2010 endete. Mit drei „P“ für Probleme, Pannen und Planlosigkeit.
Hauptverlierer waren dabei wieder die Fahrgäste. Sie verloren Zeit und Nerven auf vereisten Bahnsteigen, mit fehlenden Ansagen oder in festgefahrenen Zügen. Angesichts der Probleme im Flug- und Straßenverkehr hätten Kunden gewonnen werden können. Stattdessen wurden Kunden abgeschreckt.
Dabei gab es auch Verkehrsunternehmen die vorbildlich mit dem Winter kämpften und das Auge in Auge mit ihren Fahrgästen – z. B. die Dresdner Verkehrsbetriebe. Respekt und Lob für das Engagement aller Beteiligten bei diesem Wetter!  
Die Deutsche Bahn AG hingegen ist als öffentlicher Monopolist kläglich eingebrochen. In der viel härter vom Wetter betroffenen Schweiz funktionierte der Schienenverkehr problemlos!
Anstelle der 2010 vom Bahnvorstand versprochenen Qualitätsoffensive fand eine Unzuverlässigkeitsdefensive statt. Tagelang gab es in vielen Regionen Sachsens weder zuverlässige Fahrpläne noch ausreichende Fahrgastinformationen. Mal wurde ad hoc Hoyerswerda ganz vom Schienennetz abgebunden, nach dem berechtigten Protest dort, fiel stattdessen der Sachsen-Franken-Express aus…
Das wird erhebliche Einnahmeverlusten und Schadensersatzzahlungen für die Bahn nach sich ziehen. Schlimmer wiegt der Vertrauensverlust der Fahrgäste. Vertrauensverlust nicht nur in das Unternehmen Deutsche Bahn – Vertrauensverlust auch in die Gestaltungsfähigkeit der Politik!
Diesen Vertrauensverlust versuchte Staatsminister Morlok mit Verbalradikalismus zu bekämpfen. Dass die Situation in diesem Winter noch schlechter war als im vorigen, dass es einen Rieseninvestitionsbedarf im DB-Netz gibt – ihre Auffassung teile ich. Aber wie wollen Sie es denn endlich besser machen?
Ich frage mich, ob sie, Herr Minister Morlok, FDP-intern endlich ihrem Parteifreund Jan Mücke den Kopf gewaschen haben? Als parlamentarischer Staatssekretär im Bund wollte er doch die Interessen Sachsens im Bahnverkehr viel besser als seine Vorgänger durchsetzen – und nun ist er noch schlechter geworden!
Die Öffentlichkeit will angesichts der pannengeschüttelten Bahn vor allem wissen, woher das notwendige Geld für die geforderten Investitionen kommen soll. Hat unsere Regierung dafür einen seriösen Vorschlag? Von Ihnen kenne ich keinen.
Wir GRÜNEN haben einen: Verzicht auf Börsengang der Deutschen Bahn. Verzicht darauf, die Gewinne aus dem Netz der Deutschen Bahn und dem Nahverkehr an den Bundeshaushalt und künftige Aktionäre auszuschütten. Stattdessen brauchen wir wieder Investitionen in die Fläche des Bahnnetzes und in hochwertigen Nahverkehr-Investition auf transparente Weise und unter Einbeziehung der Interessen der Bundesländer. Die Schweiz macht es vor. Mit einem politischen Kurswechsel können wir es in Deutschland nachmachen.
Mit dem von Ihnen präferierten „Weiter so“ im Bahnkonzern, zahlen weiter die Fahrgäste den Preis. Fahrzeug-, Instandhaltungs- und Personalreserven werden weiter weggespart; die Flexibilität des Unternehmens lässt weiter nach. Der Bahnverkehr wird kaputtgespart. Das Unternehmen wird weiter Marktanteile im Nahverkehr verlieren.
Werden Sie doch mal ganz konkret aktiv im Sinne der Fahrgäste, Herr Staatsminister Morlok! Das würde sicher auf breitere Sympathie stoßen als Ihr Engagement für die Gigaliner.
Dafür nun vier konkrete Vorschläge an die sächsische Regierung:
1. Umfassende Fahrgastrechte als Qualitätsstandard im Nahverkehr
Wir GRÜNEN fordern für die Nahverkehrsleistung landesweite Qualitätsstandards. Sie verbessern die Rechtsposition der Fahrgäste und dienen als Druckmittel gegenüber Verkehrsunternehmen. Gutes Beispiel sind die vom Verkehrsverbund Oberelbe eingeführten Kundengarantien auf Anschluss, Pünktlichkeit und Service in den Zügen. Solche Fahrgastrechte auf die Bahnhöfe ausgeweitet, könnten für Bestellungen im sächsischen Nahverkehr von vornherein mit der Vergabe von Regionalisierungsmitteln verbunden werden. Hier müssen die Erfahrungen anderer Bundesländer aufgegriffen werden und die Geldvergabe an die Zweckverbände von vornherein mit Qualitätsstandards verbunden werden.
2. Öffentliche Qualitätskontrolle und Ombudsstelle für Fahrgäste
Zur Kontrolle der Qualitätsstandards sollte Sachsen eine Schlichtungsstelle nach Vorbild anderer Bundesländer wie z. B. Berlin und Sachsen-Anhalt einrichten. Sie muss so ausgestattet sein, dass sie auch Fahrgäste unabhängig beraten kann. Beschwerden sowie Rankingergebnisse der verschiedenen Unternehmen sollen öffentlich ausgewertet werden. Als Unterstützung zur Kontrolle in den Verkehrszweckverbänden wollen wir dort Fahrgastvertretungen einführen.
3. Task-Force des Verkehrsministers mit den Verkehrszweckverbänden zur konkreten Ermittlung der Ursachen für Störanfälligkeiten im Bahnbetrieb
Der Druck gegenüber der Deutschen Bahn muss wirkungsvoller werden. Dazu muss der Minister endlich in Formation mit den Aufgabenträgern agieren. Wir schlagen vor, dass der Minister gemeinsam mit den Fachleuten in den Verkehrsverbünden eine Task-Force bildet, die Ursachen für die Störungen in Betrieb und Service der Deutschen Bahn auswertet und gegenüber der Bahn und dem Bund mit konkreten Mängellisten auf ihre zeitnahe Beseitigung drängt.
4. Genügende Mittelausstattung für öffentlichen Verkehr
Das Besteller-Ersteller-Prinzip im öffentlichen Nahverkehr ist gut. Es muss für Wettbewerb um Qualität genutzt werden und um Dumping. An dieser Stelle möchte ich für die GRÜNEN ausdrücklich begrüßen, dass im Bahnnahverkehr nun endlich ein Flächentarif gilt. Entscheidend für die Qualität im öffentlichen Verkehr ist gerade angesichts zunehmender Extremwetterlagen seine ausreichende Finanzierung. Deshalb schlagen wir vor, dass die von CDU und FDP beschlossenen Kürzungen der Nahverkehrsmittel im Haushalt 2011/12 in der Finanzierungsverordnung für den Öffentlichen Verkehr für 2013/14 nicht fortgeschrieben werden. Und: Verteilen Sie Geld aus dem gut ausgestatteten Haushalt vom Straßenbau in Investitionen für den Öffentlichen Verkehr um.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen in der Koalition, gerade angesichts des verschärften Bahnchaos in diesem Winter:
Setzen Sie sich gegen den Börsengang der Deutschen Bahn ein, überdenken Sie unsere guten Vorschläge und nehmen Sie die mit der neuen Finanzierungsverordnung bereits für 2013/14 festgeschriebene Kürzungen wieder zurück!