Eva Jähnigen: Die von der Koalition verordnete Medizin wird nicht heilen, sondern den Rettungsdienst noch kränker machen

Redebeitrag der Abgeordneten Eva Jähnigen zum Gesetzentwurf "Gesetz zur Änderung des Sächsischen Gesetzes über den Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz", 59. Sitzung des Sächsischen Landtages, 11. Juli 2012, TOP 4

– Es gilt das gesprochene Wort –
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Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

Dieser Gesetzentwurf der Koalition zu Feuerwehr, Katastrophenschutz und Rettungsdienstgesetz löst keine Probleme, sondern verschärft sie.

Besondere Sorge macht der GRÜNEN-Fraktion die Tatsache, dass die realen Standards bei Feuerwehr und Rettungsdienst zwischen Stadt und Land schon jetzt auseinanderdriften. Wenn nicht konsequent gute Standards für das ganze Land gesetzt, sondern die Kommunen bei der Durchführung der Aufgaben allein gelassen werden, geht diese Schere noch weiter auseinander.

Mit dem von uns im Entschließungsantrag vorgeschlagenen Sicherheitsbericht wollen wir eine regelmäßige und öffentliche Evaluation der Versorgungs- und Einsatzsituation von Feuerwehr, Katastrophenschutz und Rettungsdienst in allen Flächen des Landes. Nur so können Defizite, z.B. im Personalbestand der freiwilligen Feuerwehren rechtzeitig erkannt und behoben werden.

Gerade beim Rettungsdienst werden die steigenden Kosten der Einsätze allgemein beklagt. Ihre Ursachen sind weder von der Regierung noch den Koalitionsfraktionen genügend analysiert worden. Deshalb werden sie nun mit untauglichen Mitteln bekämpft.

Als das Allheilmittel sieht die Koalition die Ausschreibung aller Rettungsdienstleistungen. Aber bereits die ersten, vor Jahren vorgenommenen Ausschreibungen haben gezeigt: Auf diese Weise gibt es Lohndumping und schlechtere Arbeitsbedingungen. Das schadet der Qualität des Rettungsdienstes und führt dazu, dass die dringend benötigten Fachkräfte abwandern.

Die von der Koalition verordnete Medizin wird nicht heilen, sondern den Rettungsdienst noch kränker machen. Diesen untauglichen Therapieentwurf lehnt die GRÜNE-Fraktion entschieden ab. Wir stehen für einen Dienstleistungswettbewerb mit Bindung an Tariflöhne und klaren ökologischen und sozialen Standards, wie im GRÜNEN Entwurf eines Vergabegesetzes. Mit unserem Entschließungsantrag wollen wir Ihnen klare Handlungsaufträge zu einem Neustart beim Rettungsdienst geben.

Die ungenügende Verzahnung ambulanter mit stationärer medizinischer Versorgung führt gerade in Sachsen mit einer im Schnitt besonders alten Bevölkerung zu Versorgungsproblemen und unnötigen Belastungen der Rettungsdienste.

Da ist zwar insbesondere in Bundesebene gefragt, doch auch Sachsen nutzt seine Handlungsmöglichkeiten nicht. Derzeit können kassenärztlicher Bereitschaftsdienst und Rettungsdienst von Bürgern quasi auf eigene Entscheidung parallel in Anspruch genommen werden. Durch eine gemeinsame Einsatzsteuerung von Rettungsdienst und kassenärztlichem Bereitschaftsdienst in einer Leitstelle auf der Grundlage eines einheitlichen Indikationskatalogs und mit medizinisch ausgebildeten Disponenten ließe sich die bestmögliche Versorgung der Patienten unter Vermeidung unnötiger Rettungseinsätze verbinden. Warum gehen Sie das nicht an?

Sie behaupten, dass mit diesem Gesetz mehr Wettbewerb um gute Dienstleistungen entstünde. Allerdings haben Sie im Änderungsantrag zu ihrem eigenen Änderungsantrag eine wettbewerbsverhindernde Argumentation eingeführt. Sie haben als Vergabevoraussetzung anstelle der bisher vorgesehenen Mitwirkung beim Katastrophenschutz eine tatsächliche Mitwirkung eingeführt. Das heißt: Ein Anbieter muss bereits mitgewirkt haben, um seine Eignung zu beweisen. Es genügt nicht, dass er geeignet zur Mitwirkung beim Katastrophenschutz ist.

Ich glaube, dass so ein Wettbewerb gute Dienstleistungen behindert und nicht fördert. Denn neue oder potenziell geeignete Anbieter kommen, wenn überhaupt, nur erschwert zum Zug.
Strebt Ihre angebliche Reform neben Lohndumping auch noch die Monopolstellung bestimmter Anbieter an?

Wenn sie heute diesen Gesetzentwurf gegen die Stimmen der Opposition beschließen, drohen uns weitere Demonstrationen in Sachen Rettungsdienst. Ihre angebliche Medizin kann ich nur als Gift für den Rettungsdienst bezeichnen. Wir GRÜNE zeigen mit unserem Entschließungsantrag den Handlungsbedarf und die Alternativen auf. Wir fordern gute und transparente Standards für Leistungen, Vergaben und Kosten für das ganze Land Sachsen – und zwar unabhängig davon ob ein Konzessions- oder ein Submissionsmodell gewählt wird.

Hintergrund:
Der GRÜNE Entschließungsantrag