Eva Jähnigen: Eine sofortige systematische Anpassung des sächsischen Landesrechts an das Lebenspartnerschaftsgesetz ist dringend geboten

Redebeitrag der Abgeordneten Eva Jähnigen zum Entwurf „Gesetz zur Anpassung des sächsischen Landesrechts an das Lebenspartnerschaftsrecht des Bundes“ in der 15. Sitzung des Sächsischen Landtages am 19. Mai 2010, TOP 6
Es gilt das gesprochene Wort!
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Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

dass das sächsische Landesrecht an das Lebenspartnerschaftsgesetz des Bundes anzupassen ist, wird auch seitens der Staatsregierung nicht mehr in Zweifel gezogen, denn es besteht ein nicht zu leugnender verfassungs- und europarechtlicher Rechtsanspruch auf Gleichstellung von Ehen mit eingetragenen Lebenspartnern und Lebenspartnerinnen. Dazu hat sich das Bundesverfassungsgericht eindeutig geäußert.
Strittig ist allerdings der Weg. Die Staatsregierung verweist auf ohnehin anstehende Gesetzesnovellierungen zum Beispiel im Rahmen der Dienstrechtsreform oder auch der Verfassungsrechtsreform. Bei der Gelegenheit soll dann gleich mit geschaut werden, ob eventuelle Anpassungen in Bezug auf das Lebenspartnerschaftsrecht von Nöten wären. Das klingt erst einmal nicht abwegig.
Doch im Sinne von Effizienz und Systematik erscheint dieser Weg nicht geeignet, um zügig – und ich betone zügig – Rechtssicherheit herzustellen. Rechtssicherheit, daran möchte ich Sie erinnern, ist ein Element des Rechtsstaatsprinzips, dem Verfassungsrang zukommt und auf das nicht nach Belieben verzichtet werden darf bzw. dessen Herstellung nicht nur zufällig bzw. bei Gelegenheit erfolgen darf.
Bei dem von der Staatsregierung vorgeschlagenen Weg der sukzessiven Anpassung steht nämlich zu befürchten, dass nicht alle Gesetze eine gründliche Durchsicht erfahren, die sie aber erfahren müssten, um eine rechtliche Gleichstellung von Ehe-Partnern und Ehe-Partnerinnen sowie Lebenspartnern und Lebenspartnerinnen zu erreichen. Dabei geht es nicht nur um Regelungen, die Ehen bevorzugen, selbstverständlich gibt es auch Regelungen, die Ehen gegenüber Lebenspartnern und Lebenspartnerinnen benachteiligen, die auch einer entsprechenden Anpassung bedürfen.
Geboten ist daher eine systematische Durchschau aller landesrechtlichen Regelungen, die möglicherweise eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von Ehen gegenüber Lebenspartnerschaften zum Inhalt haben.
Über das Grundanliegen des vorliegenden Gesetzentwurfs dürfte auch in den demokratischen Fraktionen dieses Hohen Hauses Einigkeit bestehen. Es sollte unstrittig sein, dass das Landesrecht im Freistaat Sachsen an das Bundesrecht, an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und auch an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes angepasst werden muss.
Es besteht ein recht umfänglicher und auch einigermaßen dringlicher Handlungsbedarf. Also muss man die Gelegenheit nutzen, wenn die Chance besteht, die vielen Einzelgesetze, die zu ändern sind, mit einem beherzten Schritt zu ändern.
Der vorliegende Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE ist diese Gelegenheit, und meine Fraktion stimmt ihm daher gerne zu. Vor allem angesichts der Tatsache, dass dieser Entwurf auf den Sachverstand des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland zurückzuführen ist, wie man ja anhand seiner Genese nachvollziehen kann.
Wir haben zu Beginn des Jahres noch über einen Antrag der LINKEN im Innenausschuss diskutiert und dazu vor allem eine interessante Anhörung gehabt. Der Antrag hatte die Zielsetzung des Gesetzentwurfes und hatte einen entsprechenden Arbeitsauftrag an die Staatsregierung formuliert. Das war vielleicht nicht ganz glücklich, denn es hat sich ja gezeigt, dass der Sprecher des Lesben- und Schwulenverbandes, der als Sachverständiger in der Anhörung zum Antrag aufgetreten ist, einen entsprechenden Gesetzentwurf praktisch in der Tasche hatte – und auf diesem Entwurf baut der vorliegende Gesetzentwurf ganz klar auf.
Dieses Vorgehen hat leider dazu geführt, dass die Thematik in zwei verschiedenen Ausschüssen diskutiert wurde, nämlich der Antrag im Innenausschuss inklusive besagter Anhörung und der Gesetzentwurf im Verfassungs- und Rechtsausschuss, in dem zwar auch einige Mitglieder sitzen, die die Diskussion im Innenausschuss kannten, aber ganz personenidentisch sind die beiden Ausschüsse dann doch nicht.
Deshalb möchte ich noch einmal besonders auf einen Aspekt hinweisen, der auch in der Anhörung eine größere Rolle gespielt hat, nämlich darauf, dass die Rechtssicherheit nicht nur dem einzelnen Bürger bzw. der einzelnen Bürgerin zugute kommt, sondern dass auch der Staatshaushalt durch Vermeidung unnötiger Gerichtsverfahren erheblich geschont werden kann.
So beschäftigte sich erst jüngst, nämlich am 18. März das Bundesarbeitsgericht mit der Klage einer sächsischen Lehrerin, die in eingetragener Lebenspartnerschaft  lebt. Im gemeinsamen Haushalt wohnen auch die beiden leiblichen Kinder der Lebenspartnerin. Die Lehrerin begehrte mit ihrer Klage den kinderbezogenen Bestandteil im Ortszuschlag, wie ihn ihre verheirateten und mit Kindern zusammen lebenden Kollegen und Kolleginnen erhalten. Das Bundesarbeitsgericht hat, wie nicht anders zu erwarten war, der Klage stattgegeben und der Klägerin rückwirkend den Anspruch auf Zahlung des kinderbezogenen Bestandteils des Ortszuschlags zugesprochen.
Zur Vermeidung derartiger überflüssiger Prozesse, im Sinne der zügigen Schaffung von Rechtssicherheit und nicht zuletzt im Hinblick auf eine Gesellschaft, die unterschiedliche Lebensweisen anerkennt, respektiert und wertschätzt, ist eine sofortige systematische Anpassung des sächsischen Landesrechts an das Lebenspartnerschaftsgesetz dringend geboten.
Neben der Frage der Rechtssicherheit erscheint aber auch ein eminent politischer Aspekt als wichtig: Von der Annahme des vorliegenden Gesetzentwurfs würde eine starke Signalwirkung ausgehen. Der Sächsische Landtag hat jetzt die Gelegenheit, sich im wahrsten Sinne normativ zu positionieren und ein Signal der Anerkennung verschiedener sexueller Identitäten auszusenden. „Gesetze haben Vorbildcharakter“, hat es eine Expertin in der Anhörung des Innenausschusses auf den Punkt gebracht.
Wir bohren hier nämlich ein dickes Brett und deshalb brauchen wir auch einen entsprechenden Bohrer. Es ist ja nicht so, dass gesellschaftlich alles in Ordnung ist und man nur ein paar Details rechtlich regeln muss, um sich peu à peu an eine gesellschaftliche Entwicklung anzupassen.
Tatsächlich ist Homophobie, so wird es von Betroffenen berichtet, weiterhin ein Problem, ja, womöglich sogar ein zunehmendes. Hier muss die Politik gegensteuern.
Die Politik muss auch ein Signal der Anerkennung an Menschen senden, die diese Anerkennung in ihrem Umfeld nicht erfahren. Hier ist insbesondere an ländliche Regionen zu denken, wo es eben keine „Szene“ gibt und Lesben und Schwule gesellschaftliche Isolation erfahren. Hier ist es auch notwendig, ein Signal gegen vorhandene Gleichgültigkeit in der Gesellschaft zu setzen.
Wir haben die Gelegenheit, einem zentralen Wert unserer Verfassung, nämlich dem der Gleichheit aller vor dem Gesetz, den notwendigen Nachdruck zu verleihen – 20 Jahre nach Beginn des Verfassungsprozesses in Sachsen.
Das können wir heute leisten, indem wir dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen.