Eva Jähnigen: Planwirtschaft statt Liberalismus?
Redebeitrag der Abgeordneten Eva Jähnigen zur Gesetzentwurf "Gesetz zur Einführung der kommunalen Anstalt des öffentlichen Rechts im Freistaat Sachsen"
94. Sitzung des Sächsischen Landtages, 9. April 2014, TOP 5
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
die heutige Debatte könnte man auch unter die Frage stellen "Was tut das Land, was es den Kommunen verbietet?". Die Antwort ist leicht: Ein Unternehmen in einer sinnvollen Unternehmensform zu führen.
Wir debattieren hier nichts weiter als die Frage, ob es der Freistaat auch der kommunalen Familie möglich machen will, in einer Rechtsform unternehmerisch tätig zu sein, die das Land für sich ganz selbstverständlich nutzt. Die Gründe dafür bleiben unverständlich.
Dass die Anstalt öffentlichen Rechts eine sinnvolle und zweckmäßige Unternehmensform ist, hat die Anhörung des Innenausschusses am 14. November 2013 gezeigt. In jener Ausschussanhörung hat es der Sachverständige Prof. Dr. Dirk Ehlers auf den Punkt gebracht, als er über die Anstalt öffentlichen Rechts ausführte, dass diese die Nachteile der Eigenbetriebs- und der GmbH-Struktur vermeide, indem sie eine bessere Steuerung der Unternehmensform durch die Kommune als bei einer GmbH aufweise und gleichzeitig nicht die wirtschaftliche Starrheit eines Eigenbetriebs mit begrenzter Rechtsfähigkeit hat. Mit Ausnahme des Vertreters der IHK befürworteten alle Sachverständigen die Einführung der Rechtsform der Anstalt öffentlichen Rechts für die Kommunen.
Sie von CDU und FDP ignorieren diese Expertise und behaupten dreist, es bestünde kein Bedarf an der Unternehmensform. Wenn die Kommunen die Anstalt öffentlichen Rechts angeblich nicht bräuchten, warum braucht sie dann das Land, welches genauso Zugriff auf diverse andere Unternehmensformen hat?
Wenn die Anstalt öffentlichen Rechts so unnötig ist, wie hier behauptet: wo bleibt der Gesetzentwurf der Koalition zur Abschaffung dieser Rechtsform? Er wird aus guten Gründen nicht kommen.
Gerade durch den Trend zur Rekommunalisierung von Unternehmen wird die Unternehmensform der Anstalt öffentlichen Rechts für die Kommunen sogar an Bedeutung zunehmen. Auf diesen Umstand hat in der bereits erwähnten Anhörung der Landkreistag hingewiesen, der diese Rechtsform als "begrüßenswerte Erweiterung der für kommunale Unternehmen zur Wahl stehenden Rechtsformen" bewertete und dabei u.a. auf die Energiewende verwies. Überall dort, wo öffentliche Netze verwaltet werden, z. B. in der Abwasserversorgung, aber eben auch bei der Energie, wird die Anstalt öffentlichen Rechts relevant, denn sie kann sowohl wirtschaftlich tätig sein, als auch hoheitliche Gebühren erheben.
Und selbst wenn der Bedarf an dieser Rechtsform verhältnismäßig gering sein sollte, so rechtfertigt das nicht, dass diese genau jenen Unternehmen der Kommunen verweigert wird, die davon profitieren würden. Ich greife jetzt nur ein kommunales Unternehmensfeld hinaus: die Krankenhäuser. Bisher können die Kommunen sie nur als Eigenbetriebe oder GmbH führen. Wie schwierig die starren Eigenbetriebsstrukturen im Krankenhauswesen sind, brauche ich Ihnen hier nicht zu erläutern – die Erfahrungen der letzten Jahre sprechen Bände. GmbHs sind zwar voll rechtsfähig, haben aber nun einmal nur beschränkte Haftung. Es gibt für bestimmte öffentliche Betriebe gute Gründe, die eigenständige Rechtsform mit einer öffentlich-rechtlichen Trägerschaft zu verbinden – und das geht eben mit der Anstalt öffentlichen Rechts.
Mich treibt daher aufgrund ihrer Ablehnungshaltung gegen die kommunale Anstalt öffentlichen Rechts die Frage um: Was ist den nun der so entscheidende Unterschied zwischen einer Universitätsklinik und einem großen städtischen Krankenhaus, außer, dass das eine dem Land und das andere einer Kommune gehört? Da wäre ich auf eine qualifizierte Antwort gespannt. An den praktischen Aufgaben der Krankenhäuser kann es kaum liegen. Der Vorsitzende des Personalrates des Krankenhauses Dresden-Friedrichstadt, Johannes Schulze, hat dies in der Anhörung sehr detailliert beschrieben und darauf hingewiesen, welche umfassenden Leistungen gerade von kommunalen Vollversorgern erwartet wird.
Sicherlich ist die kommunale Anstalt öffentlichen Rechts nicht der Heilige Gral, um die Krankenhäuser in Sachsen zukunftsfähig zu machen, aber es wäre ein Anfang.
Werte Kolleginnen und Kollegen der Koalition, mir erweckt sich hier überhaupt der Anschein, dass Sie die Anstalt öffentlichen Rechts für die Kommunen deshalb nicht einführen wollen, um im Krankenhausbereich keine Wettbewerber für die Unikliniken aufkommen zu lassen, die das Land in eben jener Rechtsform führt.
Im Gemeindewirtschaftsrecht offenbart sich diesbezüglich nun das "wahre Gesicht" der FDP: Nach mehr Bürokratie bei der Gründung und Umgestaltung kommunaler Unternehmen festigen sie mit ihrer Ablehnung dieses Gesetzentwurfs jetzt die Monopolstellungen von Landesunternehmen. Sie wollen also einem Unternehmen in der Hand des Freistaats potenzielle Konkurrenten vom Leib halten? Das klingt doch eher nach Planwirtschaft als nach Liberalismus.
Meine Damen und Herren von der Koalition: Sie riskieren mit der Ablehnung der kommunalen Anstalt öffentlichen Rechts die Zukunft der Krankenhäuser in kommunaler Hand. Und ich möchte vor Ort, zum Beispiel in meiner Heimatstadt Dresden, keine CDU- oder FDP-Mitglieder mehr hören müssen, die sich über die mangelnden Ausgestaltungsmöglichkeiten bei den Rechtsformen für Krankenhäuser beschweren, die nur Eigenbetrieb oder GmbH sein dürfen. Verantwortlich dafür ist eine schwarz-gelbe Landesregierung, die für Kommunen engere Grenzen setzt als für freistaatliches Handeln.
Diese Ignoranz der Staatsregierung und der Koalitionsfraktionen werden wir so nicht hinnehmen und stimmen diesem Gesetzentwurf daher heute zu.