Eva Jähnigen: Vorschläge der Regierung zur Verbesserung Polizeiarbeit sind lächerlich bis gefährlich

Redebeitrag von Eva Jähnigen zum Antrag "Polizeipräsenz im Internet erhöhen – Soziale Netzwerke zur Polizeiarbeit nutzen" (Drs. 5/11885), 76. Sitzung des Sächsischen Landtages, 15. Mai 2013, TOP 6


– Es gilt das gesprochene Wort –

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Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

sie haben es diesmal mit der Polizeiarbeit. Auf den ersten Blick denkt man: Endlich, es gibt so viel zu tun: Dienstrechtsreform, Polizeikontrolle, Tarifabschluss, Bekämpfung des Rechtsextremismus…
Und dann liest man diesen Antrag und denkt: "Aha, die Polizei soll also mehr twittern." Das geht ja wohl an den tatsächlichen Problemen vorbei.

Dieser Antrag ist einfach lächerlich. Wer Twitter, Facebook und andere soziale Netzwerke regelmäßig und sinnvoll nutzt, weiß: das macht Arbeit. Äußert sich eine Behörde, reicht es nicht, einfach den Pressesprecher zu verpflichten. Die Veröffentlichungen müssen abgesprochen und bearbeitet, Namen anonymisiert und Prioritäten festgelegt werden.

Das kostet Zeit. Gerade die fehlt aber zusehends. In den kommenden Jahren werden kontinuierlich weitere 2.015 Stellen bei der Polizei abgebaut – schwerpunktmäßig bei der Kripo. Mit dem Antrag zur Grenzkriminalität, den wir hier morgen diskutieren, versuchen Sie, polizeiliche Aufgaben auf Private oder Kommunen zu schieben. Offenbar sehen Sie selbst, dass die Polizei nicht mehr alle Kernaufgaben wahrnehmen kann. Aber warum erschaffen sie mit diesem Antrag auch noch zusätzliche Aufgaben?

Keine Frage: Öffentlichkeitsarbeit ist wichtig. Bewährt haben sich Polizeiberichte in der Presse und auf den Homepages der Polizei. Ob darüber hinaus soziale Netzwerke genutzt werden müssen, ist fraglich. Facebook ist zum Beispiel datenschutzrechtlich höchst bedenklich. Gerade die scheinbare Unbedarftheit diese Antrags, gibt uns Anlass zur Sorge, dass es Ihnen nicht lediglich um eine Ausweitung der Öffentlichkeitsarbeit geht, sondern auch um offene oder verdeckte Ermittlungen in sozialen Netzwerken.

Dabei gibt es Negativbeispiele zu den benannten Fahndungserfolgen aus Niedersachsen. So titelte das Handelsblatt am 25. Juli 2012: "Fahnder steigern Bekanntheit vermeintlicher Kinderporno-Seite". Grund war die die Veröffentlichung der Seite auf Facebook durch die Polizei.

Datenschutzrechtlich problematisch ist die Veröffentlichung von Daten Verdächtiger in sozialen Netzwerken, die sind aber z.B. bei Fahndungsaufrufen unvermeidlich. Dadurch droht eine Stigmatisierung. Einfach nur naiv erscheint der in der Presse zitierte Vorschlag von Herrn Karabinski, durch Deaktivierung der Kommentarfunktion Beschimpfungen zu vermeiden. Da jeder Nutzer einen neuen "content" kreieren kann, sind virtuelle und reale "Hetzjagden" dennoch möglich.

Der erleichterte Zugang zu Kommunikationsinhalten "unter Freunden" eröffnet der Polizei völlig neue Möglichkeiten, Kenntnisse über die Persönlichkeiten der Facebook-Nutzenden zu erlangen. Menschenrechte bei der Strafverfolgung und -verhütung müssen auch im digitalen Raum gewahrt werden. Es ist höchst problematisch, wenn die Polizei nicht offen auftritt. Verdeckte Ermittlungen unterliegen nach der Strafprozessordnung engen Grenzen und ziehen Benachrichtigungspflichten nach sich. Die Koalition will zwar unter II. absichern, dass der verstärkte Einsatz sozialer Netzwerke in der Polizeiarbeit "unter strenger Berücksichtigung des Datenschutzes" zu prüfen sei, aber das kann uns nicht beruhigen. CDU und FDP verkennen, dass es sich bei Sozialen Netzwerken um einen eigenen Kommunikationsraum handelt, dessen Nutzer berechtigte Vertraulichkeitserwartungen in ihre Kommunikationspartner haben. Dieses Vertrauen in die Integrität der Kommunikationsbeziehungen in sozialen Medien wird durch ermittelnde Polizeibeamte erheblich erschüttert.

Und schließlich – darauf hatte Herr Schneider, Sprecher des sächsischen Datenschutzbeauftragten bereits hingewiesen: Der Staat bedient sich bei der Facebook-Fahndung Privater, mehr noch, er unterwirft seine Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsmaßnahmen im Netzwerk den Nutzungsbedingungen des Anbieters. Der Nutzung der Daten und Ermittlungsergebnisse für Eigeninteressen dieser Firmen, etwa die Erstellung schwarzer Listen, werden Tür und Tor geöffnet.

Wir werden dem Antrag deshalb ablehnen. Er ist in seinen Folgen gefährlich für die Bürgerrechte. Geht es lediglich um Imagepflege, ist er überflüssig.

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