Eva Jähnigen: Was ist abwertend, wenn homosexuelle Liebe mit der Liebe zwischen Eheleuten gleichbehandelt wird?

Rede von Eva Jähnigen zum Antrag "Die Rettung des Abendlandes durch die sächsische CDU – In einer modernen Gesellschaft ist Familie mehr als die Ehe zwischen Mann und Frau", 72. Sitzung des Sächsischen Landtages, 14. März 2013, TOP 1

– Es gilt das gesprochene Wort –
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Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

was für eine zwiegespaltene Argumentation mussten wir da wieder hören! Einerseits sprechen Sie von Respekt und Toleranz vor jeder Form, in der Menschen füreinander Verantwortung übernehmen, andererseits verstehen Sie es trefflich, die verschiedenen Arten von Familie nach biologischen Merkmalen und nach alttestamentarischen Schöpfungsmythen zu sortieren.
Entschuldigung, das kann doch nicht der Maßstab sein!

Das haben alleinerziehende Homosexuelle nicht verdient. Das haben aber auch Eheleute nicht verdient, dass Sie unterstellen, dass die Ehe durch Gleichstellung anderer Familien abgewertet würde.

Was ist abwertend, wenn Alleinerziehende mit Eheleuten gleichbehandelt werden?
Was ist abwertend, wenn homosexuelle Liebe mit der Liebe zwischen Eheleuten gleichbehandelt wird? – Ich bin mit meinem Mann seit 15 Jahren glücklich verheiratet.

Ich finde das nicht abwertend. Ich möchte auch nicht, dass die 60 Prozent‚ die noch in Ehen leben, mit oder ohne Kinder, mit oder ohne eigene Kinder, gegen die ins Spiel gebracht werden, die noch nicht gleichberechtigt sind. Das ist unfair. Ich möchte keine gespaltene Gesellschaft.

Wenn man sieht, wie mühevoll Sie diesen Unterschied konstruieren müssen, diese angebliche Bedrohung der klassischen Ehe, der klassischen Familienbeziehung, dass Sie als CDU große Mühe haben zu begründen, dass Sie den sich wandelnden gesellschaftlichen Familienbildern immer noch derart hinterherhinken! Die Bibel allein trägt schon gar nicht mehr. Sie müssen sich fragen, ob der Schöpfungsmythos der Bibel, den ich auch immer gern gelesen habe, noch anwendbar ist.

Liebe zwischen Frau und Frau, Liebe zwischen Mann und Mann – auch die hat Gott erschaffen. Gott war ein Gott der Liebe, und das ist gut so, sage ich als Christin.

Als Landtagsabgeordnete sage ich aber auch: Hier geht es um den Rechtsstaat, für den wir 1989 auf die Straße gegangen sind. Der orientiert sich an den Rechten aller Einzelnen. Wenn ich dann im Interview des Ministerpräsidenten, der heute durch Abwesenheit leider auffällt, lese es gibt keine Homo-Ehe, sondern nur eingetragene Lebenspartnerschaften, also etwas weniger Gutes, und es geht nur um die Frage einer sehr kleinen Gruppe:
Was soll das dann heißen? Es ist nicht so wichtig?

Ein solcher Satz, gerade von dem heute entschuldigten Ministerpräsidenten!
Demokratie, Rechtsstaat messen sich immer an den Rechten der Einzelnen. Schon einer der Begründer des modernen Rechtsstaatsverständnisses, Montesquieu, erkannte vor 300 Jahren: "Die einem Einzelnen zugefügte Ungerechtigkeit ist eine Bedrohung für alle.“
Die Realität ist, dass in Sachsen Homophobie und Diskriminierung homosexueller Menschen und ihrer Angehörigen immer noch zum Alltag gehören. Das Engagement der Regierung dagegen vermissen wir schmerzlich.

Einige Beispiele seien genannt: Homosexuelle werden, wenn sie zusammenleben, als Bedarfsgemeinschaft behandelt. Aber gerade in Sachsen müssen sie sich die steuerliche Gleichstellung immer noch vor den Gerichten erklagen. Sie bekommen sie nicht selbstverständlich. Hier ist Sachsen übrigens das letzte Bundesland, nachdem Baden-Württemberg nach dem Regierungswechsel die Gleichstellung angepackt hat.

Zwei Mütter, die im Einverständnis mit den Vätern die Kinder gemeinsam erziehen, werden in der sächsischen Landeshauptstadt im Kindergarten als Alleinerziehende behandelt, nicht als gemeinsame Mütter. Das ist ein Klageverfahren aus Dresden. In der Gemeindeordnung ist die Befangenheit von Homosexuellen eingeführt worden. Aber sie dürfen nicht zusammen auf dem Friedhof beerdigt werden. Das ist die Realität.

Anstrengungen zur beschleunigten Umsetzung der eingetragenen Lebenspartnerschaft in den Kommunen im sächsischen Recht – noch 28 Gesetze und Rechtsverordnungen sind nicht angepackt – vermissen wir. Liebe Frau Schütz, wenn Sie mit Ihrem Justizminister so langsam machen, werden Sie es in dieser Legislaturperiode nicht schaffen. Wir brauchen dafür schnellstens ein Artikelgesetz und Anstrengungen, dieses umzusetzen. Vor allem brauchen wir Maßnahmen gegen diese Diskriminierung.

Die FDP, glaube ich, schafft sich durch fehlendes Engagement selber ab. Ich glaube, Sie sind, wenn Sie als CDU auf das Verfassungsgericht warten, weit hinter dem Verständnis der Bevölkerung. Hören Sie auf, diesen Unterschied zur Ehe aufzumachen!

Fördern Sie Familien, wo sie sind! Öffnen Sie sich und kämpfen Sie mit uns gegen Diskriminierung und Homophobie!

Herr Kollege Schreiber, Respekt für Ihre Rede und für Ihren Artikel. Wir sind dabei auf einer Linie. Es geht um das individuelle Recht eines jeden Menschen, der gleichbehandelt werden muss. Das macht den Rechtsstaat aus. Ich hatte das ja auch dargelegt.

Ich habe aber heute noch einmal mitgenommen – auch durch den Beitrag des Kollegen Biesok —‚ dass wir im Sächsischen Landtag offenbar fraktionsübergreifend strukturell eine Mehrheit für die Gleichberechtigung der Homosexuellen haben. Das ist ein gutes Gefühl.

Nun kommt aber das Problem. Wir haben sie aber noch nicht in Sachsen. Wir sind das letzte Bundesland. Circa anderthalb Jahre, bevor die Legislaturperiode dieses Landtages endet, haben wir noch eine erhebliche Anzahl von Gesetzen, in denen die eingetragene Lebenspartnerschaft noch nicht aufgenommen ist. Es sind zurzeit 28 Gesetze. Im kommunalen Recht sieht es noch viel schlechter aus, ohne dass sich die Rechtsaufsicht jemals darum gekümmert hätte.

Wir werden immer wieder darüber diskutieren müssen, solange diese Regierung mit einem angeblich liberalen Justizminister keinen Plan hat, wie sie das bis zum Ende der Legislaturperiode umsetzen will – obwohl es nicht schwer wäre. Wir brauchen ein Artikelgesetz, wir brauchen das Handeln der kommunalen Rechtsaufsicht, wir brauchen Aktionen gegen Homophobie und gegen Diskriminierung. Alle drei Dinge fehlen.

Deshalb werden wir hier immer wieder darüber reden müssen, obwohl wir offenbar im Parlament eine Mehrheit hätten. Aber die Regierung handelt nicht.

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