Eva Jähnigen: Wie sollen die Kommunen die Unterhaltungskosten ihres 500.-Mio.-Euro-Straßenneubau-Wahns morgen finanzieren?

Rede der Abgeordneten Eva Jähnigen in der Debatte um den Einzelplan 07 (Verkehrshaushalt) im Haushaltsplan 2011/12, 66. Sitzung des Sächsischen Landtages, 12. Dezember 2012, TOP 1.9

– Es gilt das gesprochene Wort –
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Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

der Verkehrsetat ist einer der am besten ausgestatteten und umstrittensten Bereiche in der Haushaltsdebatte. Trotz aller Lippenbekenntnisse zum Öffentlichen Verkehr und zum Klimaschutz wird im Einzelplan 07 so viel Fördergeld wie möglich für Straßenneubau zusammen gekratzt – und zwar überwiegend im ländlichen Raum, wo die Bevölkerung sinkt.

Obwohl das SMWA seit Ende 2011 unverändert einen Ausgaberest von insgesamt 143,7 Mio. Euro für Straßenneubau aus EFRE-Mitteln vor sich her schiebt, sollen weitere 146 Mio. dieser vielfältig verwendbaren Fördermittel für Straßenneubau gebunkert werden. Von den für kommunale Verkehrsinvestition gedachten sog. Entflechtungsgeldern des Bundes gehen 85 % in den Straßenbau und nur 15 % in Investitionen für ÖPNV – bundesweit ein einsam schlechter Wert. Zusätzlich wollen Sie Gelder aus den SOBEZ-Geldern des Bundes, aus den ELER-Mitteln für ländliche Räume, aus der Allgemeinen Wirtschaftsförderung und innerhalb von Hochwasserschutzprojekten in den Straßenneubau schieben. Eine halbe Milliarde Euro wollen Sie in neuen Straßen versenken – das sind Ihre politischen Prioritäten für Sachsen trotz demografischen Wandels und schrumpfender Kassen!

Umgekehrt sieht es beim Öffentlichen Verkehr aus. CDU und FDP verstetigen die 2010 begonnenen Kürzungen bei Bus und Bahn. Aus den bisherigen Angebotskürzungen und Tarifsteigerungen haben sie nicht gelernt. Zur Erinnerung noch einmal die Zahlen: sie kürzen im Vergleich zur bis zum Machtantritt von Schwarz-Gelb geltenden ÖPNV-Finanzierungsverordnung zwischen 2011-2014 allein bei den Regionalisierungsgeldern für den ÖPNV insgesamt 132 Mio. Euro. Damit leitet Sachsen nunmehr dauerhaft weniger als 75 % der sogenannten Regionalisierungsmittel des Bundes zum Betrieb des ÖPNV an die dafür verantwortlichen Aufgabenträger weiter. Bundesweit sind wir Schlusslicht in der ÖPNV-Finanzierung. So werden wir für die Neuverhandlungen im Bund schlechte Karten haben!

Die kleinen Mehrausgaben in kommunale ÖPNV-Investitionen und Straßensanierung die die Koalitionsfraktionen in den Ausschüssen durchgesetzt haben, sind zwar richtig und ein kleiner Erfolg des Protestes gegen Ihre Politik im Lande. Sie werden aber durch die große Linie des Verkehrshaushaltes konterkariert.

Ihr Schwerpunkt heißt Straßenneubau, Straßenneubau und nochmals Straßenneubau. Wären Sie tatsächlich an sparsamem Haushalten und Folgekosten ihrer Investitionen interessiert würden sie sehen: die Pro-Kopf-Kosten der Straßeninstandhaltung werden mit jedem Straßenneubau in die Höhe getrieben. Die Belastungen der sächsischen Kommunen steigen dadurch stetig. Aus welchen Geldern wollen Sie von CDU und FDP eigentlich die Unterhaltungskosten und die Straßenrückbauprogramme finanzieren, die sie nach 2015 brauchen werden?

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen aus CDU und FDP, ich war ja angenehm überrascht von der kritischen Stellungnahme, die der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr auf Antrag der Koalitionsfraktionen am 20. 11. 2012 zum Landesverkehrsplan beschlossen hat. Die Regierung hatte den Landesverkehrsplan zwar schon 6 Wochen vorher verabschiedet – aber immerhin: Sie bitten die Regierung im Nachhinein die Voraussetzungen für einen integralen Taktfahrplan in Sachsen zu schaffen (nachzulesen in der Drs. 5/ 10594)!

Richtig so! Die GRÜNE Landtagsfraktion hat diesen Vorschlag ja bereits 2008 mit einem Masterplan Sachsenftakt 21 untersetzt. Wir meinen, dass das mit der richtigen Verkehrsplanung und der zweckmäßigen Verwendung der Sachsen zur Verfügung stehenden Regionalisierungsmittel umsetzbar ist.

Aber mit dieser Regierung? Und diesem Haushaltsentwurf? Da wird es nur beim leisen Bitten bleiben!

Ich weiß ja: hinter vorgehaltener Hand heißt es in der Koalition: "Den Morlok in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf."
Das stimmt aber nicht. Das bekannte fachliche Unverständnis unseres Verkehrsministers ist zwar inzwischen DAS negative Aushängeschild dieser Regierung, dies müssen Sie nicht weiter hinnehmen.

Sie sind es ja, die Fraktionen von CDU und FDP, die die Regierung täglich legitimieren! Sie legitimieren mit einem Ja zu diesem Verkehrshaushalt weitere Kürzungen im ÖPNV-Angebot und weitere Tarifsteigerungen – und damit die zunehmende soziale Ungerechtigkeit, dass sich immer mehr Menschen in diesem Land Mobilität schlicht und ergreifend nicht mehr leisten können!

Angesichts enormer Lärm-, Klima- und Luftbelastungen und hohen Energieverbrauchs durch den Autoverkehr brauchen die umweltfreundliche Verkehrsarten Rad-, Fuß- und Öffentlicher Verkehr eine bessere Förderung. Deshalb sind wir mit knapp 20 Änderungsanträgen für ein Umsteuern in der Verkehrsplanung des Landes und der sächsischen Kommunen eingetreten. Zukunftsreiche Verkehrspolitik muss die verschiedenen Verkehrsträger intelligent vernetzen.

So wollen wir vor allem aus den Straßenneubaumitteln insgesamt 200 Mio. Euro mehr für Bus und Bahn ausgeben. Hierzu gehören auch erste Planungs- und Investitionsmaßnahmen zur Realisierung eines integralen Taktfahrplanes in Sachsen (Sachsenftakt 21). Integraler Taktfahrplan – ich darf Sie daran erinnern verehrte Abgeordnete von CDU und FDP – das war der Gegenstand ihrer leisen Bitte an die Regierung.
32 Mio. Euro haben wir gemeinsam mit den Fraktionen der Linken und der SPD für ein sächsisches Mobilität für Einkommensschwache vorgesehen und 17 Mio. Euro mehr für Radwege und Radstationen.

Lassen Sie mich abschließend aus Ihrem Koalitionsvertrag zitieren:
„Wir setzen uns für Lärmsanierung an hoch belasteten Straßen in den Städten und Gemeinden ein.“ Das ist löblich. Allerdings konnte ich trotz intensiver Suche nur die jährliche Summe von gerade einmal 150.000 Euro für Lärmschutzmaßnahmen an besonders überbelasteten Staatsstraßen entdecken. Das bringt wenig. Wir wollen aus dem gut ausgestatteten Verkehrshaushalt jährlich 2 Mio. € für Schallschutzmaßnahmen an Staatsstraßen und weitere 2 Mio. Euro für die Anwohner von Bahntrassen einsetzen.

Den unveränderten Verkehrshaushalt können wir nur ablehnen. Er ist fachlich eine Katastrophe und politisch atmet er den Geist von vorvorgestern. Liebe Kolleginnen und Kollegen, sagen Sie einfach Ja zu unseren folgenden Änderungsanträgen mit denen wir Ihnen Alternativen zu dieser einseitig auf Straßenneubau und Autos orientierten Politik aufmachen.

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