Giegengack: Angleichung der Vergütung von Lehrkräften aller Schulen ist ein wichtiger Schritt

Redebeitrag der Landtagsabgeordneten Annekathrin Giegengack zum Antrag „Gleiche Grundvergütung für Lehrkräfte an sächsischen Schulen“ in der 7. Sitzung des Sächsischen Landtages am 20. Januar 2010 zum TOP 11

Es gilt das gesprochene Wort!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Das ist wohl der schwierigste Antrag, zu dem ich Stellung beziehen musste. Die Krux bei diesem Antrag ist, dass er ein wirklich wichtiges Thema aufgreift, aber so knapp darstellt, dass er eine Ablehnung fast provoziert.
Die Herangehensweise der SPD an diese Thematik hat mich auch aus einem anderen Grund etwas verwundert. Die SPD hat, als sie noch in der Regierungsverantwortung stand, die von uns GRÜNEN eingebrachten bescheideneren gewerkschaftlichen Forderungen – nach beispielsweise fairen Standards für Praktikanten – nicht umgesetzt und eine bessere Vergütung von Lehrbeauftragten und studentischen Hilfskräften abgelehnt.
Doch zur Sache selbst: Während sich auf der einen Seite die Einsicht immer mehr durchsetzt – finde ich es sehr erfreulich, dass die Bedeutung von Bildung und Erziehung nicht am Alter der Kinder festgemacht werden kann; Stichwort Bildungsplan – hält sich auf der anderen Seite die Differenzierung bei der Entlohnung der Lehrer hartnäckig. Frau Dr. Stange hatte es angedeutet: Die Länder agieren, als lebten wir noch in Zeiten, wo Oberstudiendirektoren an Gymnasien Pennälern Altgriechisch und die Integralrechnung vermittelten und die Fräuleins vom Lehrerbildungsseminar an der Volksschule das Einmaleins und das ABC lehrten.
Das Gehalt der Lehrer an den Schwierigkeitsgrad der vermittelten mathematischen Aufgabe oder an die Länge der zu korrigierenden Aufsätze zu koppeln ist nicht mehr zeitgemäß und wird übrigens auch in anderen Bereichen hier in Deutschland nicht gemacht. So gibt es bei den Musikpädagogen, die an unseren Musikschulen lehren – zumeist leider nur über Honorarverträge – eine solche Unterscheidung nicht. Alle sind sich dessen bewusst, dass es vergebliche Liebesmüh ist, mit einem Jugendlichen an der Interpretation einer Sonate arbeiten zu wollen, wenn er die Bogenhaltung nicht beherrscht oder nicht korrekt intoniert. Die Arbeit im Elementarbereich ist hier nicht weniger wert als die Arbeit in der Oberstufe.
Ohne Zweifel ist die Angleichung der Vergütung von Lehrkräften aller Schulen ein wichtiger Schritt. Der Antrag, den die SPD eingereicht hat, ist uns jedoch zu undifferenziert.
Diese Einsicht muss sich auch in der allgemeinbildenden Schule durchsetzen. Dies befördert man aber nach meiner Meinung nicht unbedingt, indem man die Maximalforderungen der Gewerkschaften als Plenarantrag einbringt, ohne auf die damit verbundenen Probleme einzugehen. Ich sehe in diesem Zusammenhang drei Punkte, die nicht zu vernachlässigen sind. Zum Ersten ist das die deutschlandweit unterschiedliche Ausbildung zum Lehramt, zweitens die Qualifizierung der Grundschullehrer in Ostdeutschland und drittens das Problem der Finanzierung.
Zum ersten Punkt: Die Forderung nach der Eckeingruppierung im TV Länder in die Entgeltgruppe 14 für alle Lehrerinnen und Lehrer wird nach meiner Auffassung konterkariert durch die Tatsache, dass die Länder noch immer voneinander abweichende Studienordnungen und -abschlüsse für das Lehramt haben bzw. von allen anderen Hochschulausbildungen abweichend bei der Lehrerbildung einen Masterabschluss mit weniger als 300 Kreditpunkten oder gar nur einen Bachelorabschluss zulassen. Wir können nicht einfach davon ausgehen, dass, nur weil wir in Sachsen eine gute Regelung haben, dies auch in anderen Bundesländern der Fall ist. So kennt – es ist schon erwähnt worden – Baden-Württemberg bei der Lehramtsausbildung noch gar keinen Bachelor oder Master.
Ein wesentlicher Schritt zur gleichen Eingruppierung von Lehrern in allen Schulformen ist jedoch, dass die Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer losgelöst von der Schulstruktur nach einheitlichen und vergleichbaren Kriterien erfolgt. Das vorherrschende Prinzip, wonach für kleine Schüler die Lehrkräfte mit kleinen Mastern und kleinem Gehalt ausreichen, muss auf jeden Fall durchbrochen werden.
Zum zweiten Punkt, zur Qualifizierung der Grundschullehrer in den ostdeutschen Ländern. Da muss ich Ihnen sagen, Frau Dr. Stange, dass ich Ihre Auffassung einfach nicht teile. Nach dem Wortlaut Ihres Ursprungsantrages, aber auch des Änderungsantrages gibt es keine Differenzierung, keinen Hinweis auf die 88,2 % der Grundschullehrer in Sachsen, die über einen Fachhochschulabschluss aus DDR-Zeiten verfügen. Sie sprechen von voll ausgebildeten Lehrkräften aller Schularten und Schulformen. Natürlich sind die Grundschullehrer mit Fachschulabschluss voll ausgebildet. Das stelle ich hier nicht in Abrede. Aber ihre Eingruppierung in E 14 halte ich jedoch für problematisch, und zwar auch wegen unserer Lehrer an Mittelschulen und Gymnasien mit DDR-Hochschulabschluss, da die Entgeltgruppe auch das formale Qualifikationsniveau widerspiegelt. Das finde ich auch in Ordnung so.
Ich denke schon, dass es eine Differenzierung gibt, ob ich Abitur gemacht und fünf Jahre Lehramt studiert habe, auch zu DDR-Zeiten, oder ob ich 10. Klasse und eine Fachschulausbildung von vier Jahren gemacht habe. Ich finde, das ist ein Unterschied, der sich in der Eingruppierung widerspiegeln sollte.
Man kann dann nicht zwanzig Jahre nach der Wende sagen, dass sie es bekommen, weil sie zwanzig Jahre gute Arbeit gemacht haben. Das stelle ich nicht in Abrede. Meine Tochter besucht selber eine Grundschule. Ich stelle das nicht in Abrede. Aber wenn man hier eine gleiche Eingruppierung gerade in E 14 verlangt, glaube ich, dass man einen großen Unmut erzeugt, und zwar gerade unter den ostdeutschen Lehrern.
Der dritte Punkt, den ich ansprechen wollte, ist die Finanzierung. Es wird kein Wort zur Finanzierung verloren. Ich halte das für sehr unglücklich, wenn man einen solchen Antrag wirklich ernst meint. Wir hätten uns bei diesem Antrag wenigstens die Aufforderung an die Staatsregierung gewünscht, dem Landtag die mit der Angleichung auf E 14 verbundenen Mehrbelastungen bei der schrittweisen Realisierung, vergleichbar zum Beispiel mit der Ost-West-Angleichung, darzustellen. Das vermissen wir durchaus. Ich glaube, dass das auch ein ganz wesentlicher Grund dafür ist, dass ein solcher Antrag nur schwer eine Mehrheit findet.
Meine Damen und Herren! Ohne Zweifel ist – und das möchte ich sehr betonen – die Angleichung der Vergütung von Lehrkräften aller Schulen bei – das ergänze ich hier – gleicher Qualifikation nicht nur hinsichtlich der Aufwertung der Tätigkeiten in früheren Bildungsphasen ein wichtiger Schritt. Sie würde auch die Privilegierung einzelner Schulformen beenden und ist daher zu unterstützen.
Der Antrag, den die SPD eingereicht hat, ist uns jedoch zu undifferenziert. Wir müssen uns deswegen enthalten.