Giegengack: „Es ist nicht geklärt, wie gefährlich die Grippe tatsächlich ist“
Redebeitrag der Abgeordneten Annekathrin Giegengack zur Aktuellen Debatte „Neue Grippe – Lage in Sachsen“ in der 4. Sitzung des Sächsischen Landtages am 11. November zum TOP 1
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin neu im Landtag und muss mich erst mit den Gepflogenheiten hier vertraut machen. So enthält die Geschäftsordnung die eigenwillige Regelung, dass man einen Minister, obwohl er einem direkt gegenübersitzt, in einer Ausschusssitzung nicht fragen darf. Eine andere Besonderheit ist, dass mündliche Fragen, die im Plenum gestellt werden sollen, eine Woche vorher schriftlich einzureichen sind. Vor diesem Hintergrund bzw. bei diesem empfindlichen Verhalten der Regierungsparteien ist es für mich durchaus etwas verwunderlich, warum ein Thema zur aktuellen politischen Debatte auf die Tagesordnung gesetzt wird, das grundsätzlich nur aus Fragen besteht. Warum also das Thema?
Wenn man die Medienberichterstattung der letzten Wochen und Monate verfolgt hat, stellt man fest: Eine politische Diskussion um Grippe und Impfungen dagegen ist so gar nicht gelaufen. Es geht um Adjuvantien und irgendwelche Zehnerpacks von Impfstoffen, aber es gibt keine direkte politische Diskussion. Hier ist auch der Knackpunkt, warum dieses Thema auf die heutige Tagesordnung gehievt wurde.
Ich gehe von Folgendem aus: Die Ministerin möchte, dass wir uns hier mit Fragen der Grippe und der entsprechenden Schutzimpfungen auseinander setzen. Sie möchte uns ins Boot holen, damit sie, wenn die Sache aus dem Ruder läuft, nicht allein dasteht. Wir GRÜNE werden der Ministerin ihre Verantwortung für dieses Problem nicht abnehmen.
Viele der von meinen Vorrednern schon angesprochenen Probleme sind durchaus hausgemacht. Es ist nicht geklärt, wie gefährlich die Grippe tatsächlich ist. Über den Impfstoff werden intensive Diskussionen geführt. Hier wurde eine entsprechende Zwischenfrage gestellt. Es gibt verschiedene Impfstoffe – warum? Die Impfregelungen sind nicht geklärt. Die Haftungsfrage halte ich für einen neuralgischen Punkt. Auch die Ärzte fühlen sich in vielerlei Hinsicht allein gelassen. Das ist ganz klar auf das Agieren unserer Gesundheitsministerin und der Gesundheitsminister anderer Länder sowie des Bundes zurückzuführen.
Frau Ministerin, wenn Sie der Überzeugung sind, von der Schweinegrippe gehe die Gefahr einer Pandemie aus, dann fordere ich Sie auf, klare Ansagen zu machen, eindeutige Anweisungen zu geben und diesen Wirrwarr und die Unklarheit endlich zu beenden. Die Bevölkerung muss wissen, was auf sie zukommt.
Sind Sie jedoch der Meinung – das vermute ich auch aufgrund Ihrer persönlichen Äußerungen zur Grippeschutzimpfung eher -, dass von dieser Schweinegrippe keine Pandemiegefahr ausgehe, dann beenden Sie die leidige Diskussion. Sagen Sie ganz klar, wer unmittelbar gefährdet ist.
Nunmehr möchte ich zwei Punkte ansprechen, die noch nicht deutlich geworden sind, die mir aber sehr am Herzen liegen.
Erstens. Die leidige Auseinandersetzung über den Impfstoff führt meines Erachtens dazu, dass die grundsätzlichen Impfgegner Wasser auf ihre Mühlen bekommen. Ich befürchte, dass als Konsequenz aus der leidigen Diskussion um die Schweinegrippeimpfung in Sachsen die Impfbereitschaft in Bezug auf viele andere Infektionskrankheiten wie Kinderlähmung, Diphtherie und Keuchhusten langfristig zurückgeht. Das hielte ich für unverantwortlich. Eine solche Konsequenz müssten Sie sich aber auf Ihre Fahnen schreiben lassen.
Der zweite Punkt wurde schon mehrmals angeführt. Sie reden sich immer mit dem Satz heraus: „Sie müssen das vertrauensvoll mit ihrem Hausarzt besprechen.“ Das würden einige gern tun. Ich möchte mich an dieser Stelle nicht über die unterschiedlichen Zugangsberechtigungen von Privatpatienten und Kassenpatienten bei Ärzten auslassen. Natürlich hat es ein Privatpatient – viele von Ihnen sind sicherlich welche – durchaus einfacher, sich Beratung zu holen.
Es ist Ihnen sicherlich auch bewusst – Herr Tillich hat es in seiner Regierungserklärung angesprochen -, dass wir in bestimmten Regionen unseres Landes einen Hausarztmangel verzeichnen. Den dort lebenden Menschen zu empfehlen, sich vertrauensvoll an ihren Hausarzt zu wenden, empfinde ich in gewisser Weise als Hohn.
Letztlich zeigt sich in diesem Punkt eine verfehlte Gesundheitspolitik der letzten Jahre, die – so sieht es angesichts der Farbenkombination aus – wohl so weitergehen wird. Auch die Koalition im Bund wirft mit ihrer Gesundheitspolitik schon dunkle Schatten voraus.