Gisela Kallenbach: Freiwilligendienste sind in der Gesellschaft noch zu wenig anerkannt
Redebeitrag von Gisela Kallenbach zum Antrag ‚Die Europäische Bürgergesellschaft fördern – Freiwilliges Europäisches Jahr für alle ermöglichen! (Drs. 5/12083), 78. Sitzung des Sächsischen Landtages, 19. Juni 2013, TOP 4
– Es gilt das gesprochene Wort –
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Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
ein Freiwilliges Europäisches Jahr für alle – für Taxifahrer und Theologen, für Angestellte, Arbeiter und Arbeitslose, für Musiker und Manager, für Lehrer und Lehrlinge, für Künstler und Köche, Richter und Rentner, für Frauen und Männer – als eine Antwort auf die Euro-Krise, das forderten bereits im Mai 2012 – zum Glück erinnerten Sie sich noch, Herr Hähnel – prominente Politiker, Wissenschaftler und Künstler, die das „Manifest zur Neugründung eines Europas von unten“ initiiert hatten. 6.000 Menschen aus 15 Staaten haben unterschrieben. Auch ich gehörte dazu, sowie ich mich im
Europäischen Parlament für das Jahr des Freiwilligendienstes – das war im Jahr 2011 – und für eine Öffnung für Seniorinnen und Senioren eingesetzt habe. Viel zu wertvoll ist deren Erfahrung, als diese nicht für eine generationenübergreifende Zusammenarbeit zu nutzen.
Allerdings – darin gebe ich meinem Vorredner recht – : Die Rahmenbedingungen müssen stimmen. Freiwilligendienste sind leider in der Gesellschaft noch zu wenig anerkannt. Es fehlt sowohl an finanzieller und formalrechtlicher Unterstützung als auch an Ermutigung, mehr Menschen für ein zeitweiliges Leben in anderen Regionen und den direkten Austausch und Kontakt zu begeistern. Genau das ist es aber, was Europa lebendig macht.
Natürlich ist es nicht so, dass es keine Angebote gäbe. Frau Klepsch, Herr Homann, Sie haben bereits einige genannt; ich will es nicht wiederholen. Aber es gibt eben auch das EU-Programm GRUNDTVIG für Freiwilligenprojekte 5OPlus. Zudem bieten das Bundesministerium für Entwicklungszusammenarbeit und fast 20 Organisationen zahlreiche Einsatzorte in Europa und der Welt an, in die man sich entsenden lassen kann, zum Beispiel in Waisenhäuser in Rumänien oder Kindergärten in Moldawien.
Es spricht wenig dagegen, die Freiwilligendienste zu öffnen. Ein Einwand bleibt jedoch: Hier zieht jemand an einer ohnehin viel zu kurzen Decke. Bei einer Öffnung des Programms schrumpft das Budget des ohnehin schmal ausgestatteten Jugendfreiwilligendienstes. Hier ist die Nachfrage so groß, dass in Sachsen 50 Bewerber auf einen freien Platz kommen. Umgekehrt kann nur jeder zehnte Bewerber erfolgreich ins europäische Ausland vermittelt werden. Einfache Ursache – große Wirkung. Den Trägern fehlen Kapazitäten, weil die Landeszuschüsse für Jugendarbeit immer weiter gekürzt wurden. Wenn Trägervereine Freiwillige aufnehmen und betreuen, braucht es professionelle Teams, die Projekte entwerfen, Kontakte zu den Partnerorganisationen aufbauen und pflegen, Anträge stellen und abrechnen können. Das kann niemand ehrenamtlich bewältigen. Projektmanagement kostet, ob bei Jugendlichen und Senioren. Ich sehe daher folgende Notwendigkeiten:
Erstens. Der Freistaat Sachsen legt ein Landesprogramm auf. Die Rolle des Freistaates fehlt mir in Ihrem Antrag leider völlig. Es ist zu einfach, nur auf Bund und Europa zu zeigen. Also: ein Landesprogramm für die Träger der Jugendhilfe für angemessene Unterstützung, dass sie europäische Freiwillige aufnehmen und entsenden können.
Zweitens. Die Staatsregierung setzt sich dafür ein, dass auch Schüler und Erwachsene mit mittleren Bildungsabschlüssen oder benachteiligte Gruppen an dem Programm teilnehmen können, und stattet die Projektträger mit den dafür nötigen Mitteln aus.
Drittens. Die Staatsregierung setzt sich auf Bundes- und europäischer Ebene dafür ein, dass die im EU-Haushalt bisher für 2014 bis 2020 vorgesehene Kürzung von fast 30 % für das Programm „Europa für Bürgerinnen und Bürger“ zurückgenommen wird. Wer der Europa-Frustration mit zivilgesellschaftlichem Engagement entgegentreten will, kann das ohnehin mit bescheidenen Mitteln ausgestattete Programm nicht noch kürzen. Nehmen Sie also Einfluss!
Trotz dieser Einwände — das Thema Europa mehr in unserer Gesellschaft zu verankern ist wichtig. Daher werden wir dem Antrag zustimmen und wir hoffen, dass Sie die Anregungen für Ihr eigenes Handeln aufnehmen. Danke!
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