Gisela Kallenbach: Sozialer Wohnungsbau – Nicht wieder Abriss und Neubau gleichzeitig fördern

Redebeitrag der Abgeordneten Gisela Kallenbach zum Antrag der SPD-Fraktion Antrag der Fraktion SPD "Sozialen Wohnungsbau in Sachsen ausbauen" (Drs. 5/10185), 63. Sitzung des Sächsischen Landtages, 27. September 2012, TOP 8

– Es gilt das gesprochene Wort –
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Herr Präsident, meine Damen und Herren Kollegen,

Ja, es ist gut und nötig, in diesem Haus das Thema Stadtentwicklung und Wohnungsbau zu debattieren. Umso mehr bedauere ich, dass der vorliegende Antrag mit zu heißer Nadel gestrickt wurde und undifferenzierte Forderungen erhebt.

Es ist weder ratsam, das Rückbauprogramm Stadtumbau Ost in ganz Sachsen einzustellen, noch ist es sinnvoll, den ganzen Freistaat mit einem kommunalen Investitionsprogramm für Sozialwohnungen zu überziehen – zu unterschiedlich ist die Situation in Werdau, Leipzig, Oschatz oder Dresden .

Schauen wir uns das Rückbauprogramm an:
Bisher wurden 100.000 Wohnungen „ vom Markt genommen“. Zunächst war das hilfreich. Die Wohnungswirtschaft hat v.a. in den Plattenbaugebieten den Leerstand ausgeglichen. Aber im gleichen Zeitraum, in dem steuerlich gefördert, massiv abgerissen wurde, entstanden 50.000 neue Wohnungen. Oft auf der Grünen Wiese und öffentlich gefördert!

Zudem war es zu oft lukrativ, gut erhaltene Baudenkmale abzureißen und Gründerzeitquartiere zu entwerten- oft zum Nachteil privater Besitzer der Nachbarhäuser.
Die Staatsregierung hätte das steuern können und die absurde Situation der gleichzeitigen Förderung von Abriss und Neubau verhindern können. Leider Fehlanzeige.

Wir wollen, dass private Vermieter endlich stärker an den Stadtumbauprozessen teilhaben können als bisher, sowohl was Abriss- als auch Aufwertungsmaßnahmen betrifft. Wir sind für eine Einschränkung des Rückbauprogramms, nicht aber für seine Abschaffung. Nachdem wir GRÜNEN jahrelang gefordert haben, endlich den Schwerpunkt auf die Aufwertung zu legen, hat Sachsen im Doppelhaushalt ab 2014 nachgebessert: 44 Mio Euro Aufwertungsmittel stehen nur noch knapp 6 Mio Euro Rückbaumittel zur Verfügung.
Späte, aber lobenswerte Einsicht!
Fehlende Sozialwohnungen sind bundesweit tatsächlich ein Problem, vor allem in den Ballungsräumen. In Sachsen sieht es regional höchst unterschiedlich aus. In vielen Klein- und Mittelstädten herrscht ein hoher Leerstand. Es wäre absurd, Landesgelder für den kommunalen Sozialwohnungsbau pauschaliert bereitzustellen. Zu groß ist die Gefahr, dass wieder Abriss und Neubau gleichzeitig gefördert würden.
Selbst in Dresden, wo man sich ja mit dem Verkauf der WOBA jeden Gestaltungsspielraum beraubt hat, wurde über Jahre abgerissen. 
Mein Kollege Karl-Heinz Gerstenberg hatte sich mit dem Mieteraktiv in Seidnitz z.B. gegen den Abriss des Reichenauer Weg 18–26 eingesetzt. Die Blöcke waren voll vermietet. Als erstes wurde ausgerechnet der Block abgerissen, in dem Sparkasse, Frisör und Volkssolidarität ihren Sitz hatten. Ein Irrsinn – denn nun fehlen in der Landeshauptstadt Sozialwohnungen

Wir GRÜNE sehen Bedarf  für ein sächsisches Zuschussprogramm  zur Energetischen Sanierung von Mietwohnungen. Fast überall gibt es freie Wohnungen, leider  nicht immer in ausreichend saniertem und akzeptablem Zustand – hier besteht großer Handlungsspielraum. In diesem Zusammenhang wäre Rechtssicherheit bei der Beurteilung der Angemessenheit bei der Übernahme von Mietkosten tatsächlich hilfreich.

Wir unterstützen zudem die Forderung, das Programm Soziale Stadt zu verstetigen und vor allem gegen die unverhältnismäßige 75prozentige Kürzung durch den Bund initiativ zu bleiben –  die Auswirkungen sind bereits drastisch spürbar.
2009 bekamen noch 22 Kommunen aus diesem Programm Fördermittel bewilligt; 2012 sind es nur noch 12. Eine dramatische Entwicklung, obwohl der integrative  Ansatz des Programmes dazu beigetragen hat, dass sich benachteiligte Stadtgebiete stabilisiert haben und private Investitionen generiert wurden. Auch hier kann der Freistaat agieren, indem die eingesparten Eigenmittel des Landes für ein Sonderprogramm „Steuerung Quartiermanagement“ eingestellt werden. Das wäre vorausschauende Politik.

Die hier angesprochenen Probleme sind komplex – der Antrag wird diesem Anspruch leider nicht gerecht.
Meine Fraktion wird sich daher enthalten.

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