Hermenau zur Spardebatte: Sie bezeichnen sich und ihre Ideen als Gefährlich. Sie sind allgemeingefährlich!
Redebeitrag der Landtagsabgeordneten Antje Hermenau zur Aktuellen Debatte der Fraktionen CDU und FDP „Standards auf den Prüfstand – Steuergeld verantwortungsvoll einsetzen“ in der 11. Sitzung des Sächsischen Landtages, 30. März 2010, TOP 1
Es gilt das gesprochene Wort!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen!
Sie meinten, das Geld fehle an allen Ecken und Enden, es müsse auch mal eine Nummer kleiner gehen. Diese Einsicht hätte ich mir in den letzten Jahren gewünscht, als es um die Waldschlößchenbrücke ging. Aber lassen wir das.
Geld volkswirtschaftlich vernünftig auszugeben, das wäre in der Tat ein neuer Standard. Diesen sollten wir auch miteinander vereinbaren, wenn wir in den nächsten Jahren ein zufriedenes Land haben wollen. Aber was Sie vorschlagen, auch was in der Presse zu lesen war, – Sie wollen Ihren Parteitag hier ein bisschen verlängern –, das heißt eigentlich, dass Sie volkswirtschaftlich unsinnige Projekte weiterführen und nur die Kosten dafür absenken wollen. Das ist das, was Sie vorschlagen. Das liegt Ihnen als Verpackungskünstler, das ist klar. Sie haben sich selber auf Ihrem Parteitag als gefährlich eingestuft. Da hat bei allen das große Zittern begonnen, denn wir erachten es als gemeingefährlich, was Sie hier vortragen.
Eigentlich geht es – das ist meine Auffassung – um ein neues Kommunikationsmäntelchen für Ihr undurchdachtes Einsparen, weil Sie nicht in der Lage sind, volkswirtschaftlich sinnvolle und nachhaltige Maßnahmen von betriebswirtschaftlich sinnvollen Maßnahmen, die Ihnen persönlich bekannt sind, zu unterscheiden.
Da ist meine erste Kernthese, dass Ihnen von der FDP die Themen ausgegangen sind. Sie hatten ja auch nur ein Thema – da kann man schnell eine Bruchlandung erleiden –, das war das Thema Steuersenkung. Das ist auch ein Ablenken von Ihrem Politikversagen. In Ihrem Leitantrag liest man, dass nur der Mittelstandsbauch übrig ist, für den Sie Steuern senken wollen. Das ist CDU pur. Um das herauszukriegen, hätte man die FDP nicht gebraucht.
Sie schreiben auch, dass Sie finanzielle Spielräume schaffen werden, damit Bürger und Unternehmer mehr Verantwortung übernehmen können. Sie haben als Erstes beim Ehrenamt gekürzt. Beim Ehrenamt! Dabei geht es oft um Menschen, die ein geringes Einkommen haben. Von Steuersenkungen haben diese überhaupt nichts, auch nichts von der Steuersenkung für den Mittelstandsbauch, sie werden nicht entlastet.
Es sind mündige solidarische Bürger, die jetzt dafür bestraft werden, dass sie sich so verhalten, wie Sie es proklamieren. Das ist nicht in Ordnung. Das ist die Besitzstandserfahrung des Mittelstandes in diesem Land. Das sage ich Ihnen so deutlich und das halte ich auch für falsch.
Aber ist das noch die Politik der christlichen Union? Die Neuordnung des Gemeinwesens als Raubbau durch Lobbygruppen!
Auf alle Fälle erwarte ich von der Staatsregierung dazu aus Sachsen eine Bundesratsinitiative, dass man eine Steuervereinfachung haben möchte. Wir hätten dazu auch ein paar Vorschläge: zum Beispiel die Abschaffung der Absetzbarkeit von Dienstwagen, Parteispenden sowie Verlusten aus Vermietung und Verpachtung.
Hätten wir das früher gemacht, hätten wir uns vielen volkswirtschaftlichen Unsinn gespart.
Was die FDP will, ist klar: Sie will alle Standards, die ihren Lobbygruppen im Wege stehen, senken und ohne jede Verantwortung für unsere Lebensgrundlagen agieren.
Aber ist das noch die Politik der christlichen Union? Die Neuordnung des Gemeinwesens als Raubbau durch Lobbygruppen! Das hat schon etwas. Ein Baum abgesägt ist noch kein Bürokratieabbau, das ist Umweltraubbau.
Die Konsequenz aus der Verwaltungsreform ist, dass wir die Ausgangsbehörde jetzt als Widerspruchsbehörde haben. Das ist aber kein Staatsumbau, sondern das ist Demokratieabbau.
Der Volksmund sagt: Da wird der Bock zum Gärtner gemacht! – Aktuell wird in § 5 des Landesplanungsgesetzes von Verfahrensvereinfachungen gesprochen. Darüber muss man feixen. Den Planungsträgern soll in Zukunft die Durchführung der Erörterung freistehen. Das ist kein Staatsumbau, sondern das ist Demokratieabbau, die Entmündigung von Bürgern und die Schaffung maximaler Baufreiheit ohne Rücksicht auf Verluste für einige Wenige.
Beim Hochwasserschutz wurden in den letzten Jahren teure technische Maßnahmen gegen die Natur durchgeführt, die genau auch deshalb teuer waren, aber volkswirtschaftlich war das nicht. Im Osterzgebirge wird jetzt geplant, eine Taistraße, eine Besiedlungsachse an der Müglitz zu fluten. Es wird geplant, Flutflächen erneut mit gewerblichen Gebäuden zu bebauen. Das ist nicht nachhaltig, das ist auch nicht volkswirtschaftlich intelligent und betriebswirtschaftlich ist es schon gar nicht, wenn die später wieder absaufen.
Schon seit den Neunzigerjahren ist klar, dass sich durch Großinfrastrukturprojekte Folgekosten auftürmen, die man kaum stemmen kann. Das wissen wir aus überdimensionierten Kläranlagen, das wissen wir auch von zu vielen Müllverbrennungsanlagen, die Gott sei Dank nicht alle so gekommen sind. Auch wissen wir das aus dem Bereich des Wohnungsbaues. Aber all das ist noch kein Staatsumbau. Wenn Sie eine blinkende Fußgängerampel am Erdbeerfeld weglassen und stattdessen mal einen Kreisverkehr bauen, wäre das zwar gut, aber es wäre noch kein Staatsumbau.
Staatsumbau wäre es, wenn Sie Nah- und Fernverkehr vernünftig miteinander vertakten würden, wie in unserem Konzept „Sachsentakt 21“ dargestellt. Dort hätte man für das gleiche Geld mehr Service. Wenn Sie diesbezüglich schlechte Standards abbauen würden, wäre ich Ihnen sehr dankbar. Besonders im Verkehr wäre das wichtig, denn das wäre bürgernah, nachhaltig und volkswirtschaftlich auch sinnvoll.
Machen Sie einen wirklichen Staatsumbau und keine Deckmäntelchen, um zu verbrämen, dass Ihnen nichts einfällt, wie Sie Sachsen umbauen können, damit Sie mit weniger Geld ein gutes Land schaffen; denn das ist nicht in Ordnung.