Jennerjahn: Grotesk beim Aus des Kommunal-Kombi sind nicht nur die widersprüchlichen Begründungen sondern auch die volkswirtschaftliche Kurzsichtigkeit des FDP-Wirtschaftsministers

Redemanuskript des Abgeordneten Miro Jennerjahn zum Antrag der GRÜNEN-Fraktion „Langzeitarbeitslose integrieren – Kommunal-Kombi fortsetzen“ (Drs. 5/713) und der SPD-Fraktion “ Fortsetzung des Kommunal-Kombi“ (Drs. 5/953) in der 8. Sitzung des Sächsischen Landtages am 21. Januar 2010, TOP 6

Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Damen und Herren,unter TOP 6 der heutigen Tagesordnung werden zwei Anträge behandelt, die sehr große inhaltliche Parallelen aufweisen. Ich denke das ist der Bedeutung des Themas angemessen.Sehr geehrte Damen und Herren, wovon sprechen wir?

  • Wir sprechen vom unrühmlichen vorzeitigen Ableben eines sinnvollen Programms zur Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit.
  • Wir sprechen von einer Arbeitsmarktpolitik des FDP-Wirtschaftsministers, die diesen Namen bisher nicht verdient hat.
  • Wir sprechen von Begründungen, die der Überprüfung nicht standhalten können.
  • Wir sprechen von einer Vielzahl von Maßnahmeträgern, die sich durch das vorzeitige Ende der Kofinanzierung durch den Freistaat betrogen fühlen.
  • Und wir sprechen nicht zuletzt über Menschen, die in dieses Programm große Hoffnungen gesetzt haben und nun bitter enttäuscht zurückgelassen werden.

Es ist noch kein halbes Jahr her, da schwärmten Mitarbeiter des SMWA in Sachsen aus, um die Vorteile des Bundesprogramms Kommunal-Kombi zu preisen und potentielle Maßnahmeträger von den Vorteilen der Teilnahme zu überzeugen. Dass sie Erfolg hatten, zeigt die stetig wachsende Zahl von Antragstellern in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres.

Während viele Anträge noch zur endgültigen Bewilligung beim Bundesverwaltungsamt in Köln lagen, verkündete Wirtschaftsminister Morlok im November das Aus der Kofinanzierung durch den Freistaat und begründete dies zunächst mit der Ausschöpfung der vorgesehenen Haushaltsmittel.

Völlig zu Recht erntete die Entscheidung Kritik und Verständnislosigkeit von allen Seiten. Aus den Reihen der SPD hieß es, ein Wirtschafts- und Arbeitsminister, der zusätzliche Arbeitsplätze streicht, habe den falschen Job gewählt.

Meine Damen und Herren von der SPD: Diese Kritik tut unserem Wirtschaftsminister unrecht, schließlich hat er ja den Job gar nicht selbst gewählt. Er wurde ihm vielmehr übergeholfen, nachdem der eigentliche Kandidat, Holger Zastrow, kalte Füße bekommen hatte. Wahrscheinlich ahnte Herr Zastrow bereits, dass sich ein FDP-Parteibuch und verantwortungsvolle Arbeitsmarktpolitik schwer vereinen lassen.

Doch reden wir lieber über die Betroffenen. Maßnahmeträger wie die Diakonie Sachsen bspw. sprachen von (ich zitiere) „einem Rechtsbruch und Zeichen sozialer Kälte“ (Zitat Ende). Andere fassten sich kürzer und bezeichneten das Problem schlicht als FDP. In deren Kreisen tönt es ja schon lange, man könne keine Beschäftigung gegen den Markt und gegen ökonomische Prinzipien aufbauen. Dieses Hochhalten des Marktes und seiner Grundlagen aus dem Munde derer zu hören, die mit ihrer Steuerpolitik einfachste ökonomische Zusammenhänge ignorieren, hat etwas Groteskes.

Grotesk ist auch die volkswirtschaftliche Kurzsichtigkeit des FDP-Wirtschaftsministers. Gesamtgesellschaftlich betrachtet ist es günstiger, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Außerdem konnte der Einsatz von Landesmitteln Bundesmittel und Gelder der Europäischen Union in Sachsen binden. Mit nur 220 Euro monatlich aus dem sächsischen Haushalt konnte Langzeitarbeitslosen ein dreijähriges, sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis angeboten und sie damit sowohl sozial als auch beruflich integriert werden.

Die Behauptung von Wirtschaftsminister Morlok, der Kommunal-Kombi würde Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt verdrängen, ist blanker Unsinn. Zahlreiche Prüfungen, z.B. durch die IHK waren für jede Stelle notwendig. Kein einziger Arbeitsplatz im Handwerk oder in einem mittelständischen Betrieb wurde damit gefährdet. Vielmehr ging es in dem Programm um zusätzliche Tätigkeiten, vor allem im gemeinnützigen Bereich, für die sonst kein Geld da ist und die deshalb gerade nicht von privatwirtschaftlichen Unternehmen erledigt werden können. Ohne Kommunal-Kombi würden diese Arbeiten einfach unerledigt bleiben oder dem Ehrenamt zufallen. Auch dieser Begründungsversuch des Ministers ist nicht zu halten.

Einen weiteren Grund, den Kommunal-Kombi abzulehnen, fand ich auf einer Internetseite der Liberalen. Dort heißt (ich zitiere): „Es wird nichts produziert, damit erfolgt also keine Wertschöpfung.“ (Zitat Ende)
Was sich nicht sofort in Heller und Pfennig beziffern lässt, hat keinen Wert

Meine Damen und Herren, dieser Satz illustriert das – sagen wir es nett – simple Weltbild der FDP. Hieß es in einem markigen Wahlwerbeslogan der Liberalen noch „Herz statt Hartz“, so wird jetzt deutlich: Was sich nicht sofort in Heller und Pfennig beziffern lässt, hat keinen Wert. Liebe Kollegen von der FDP, erklären Sie das mal all jenen, die sich im Ehrenamt engagieren und gesellschaftlich wichtige Aufgaben übernehmen, z.B. in der Pflege und Betreuung alter Menschen. Die produzieren alle nichts. Ganz im Gegenteil: Sie lassen Dinge verschwinden – volle Windeln, Schmutz und Abfall im öffentlichen Raum oder Kummer kranker und einsamer Mitmenschen. Im liberalen Weltbild hat all das offenbar keinen Wert!

Herr Staatsminister Morlok, nach all Ihren unhaltbaren Verdrängungstheorien, führten Sie ein neues Argument ins Feld, das keinen Deut besser ist: Kommunal-Kombi führe nicht zur Wiedereingliederung der Teilnehmer in den ersten Arbeitsmarkt.

Also erstens frage ich mich, wie Sie das beurteilen können, wo die Maßnahme doch gerade erst richtig angelaufen ist und noch von Niemandem beendet wurde. Zweitens geht aus der Stellungnahme Ihres Hauses auf unseren Antrag hervor, dass Sie überhaupt keine Kenntnis über die Details des Programms haben und Sie es auch nicht für notwendig erachten, diese Wissenslücke zu schließen. Stattdessen überlassen Sie eine Evaluation dem Bundesverwaltungsamt und sehen sich nicht einmal in der Verpflichtung, eine über reine Mutmaßungen hinausgehende Einschätzung auf Landesebene zu treffen. Drittens schließlich ist das Bundesprogramm eindeutig so ausgelegt, dass gerade keine Überschneidungen mit dem ersten Arbeitsmarkt auftreten, um Verdrängung regulärer Arbeit zu verhindern.

Schließlich – und ich hoffe, Sie verschonen uns mit weiteren Gründen für den vorzeitigen Förderstopp – muss nun der sächsische Staatshaushalt wieder herhalten. Nun gibt es nicht genügend Geld im 2012er Topf, dem letzen Jahr des Programms. Selbst wenn dies stimmt, so frage ich mich, was mit den Haushaltsmitteln geschieht, die in den Jahren 2008 – 2011 nicht ausgeschöpft werden. Allein im vergangenen Jahr wurden von den geplanten 14 Millionen Euro nur 10 Millionen verausgabt. Im Haushalt steht ausdrücklich, die Mittel seien übertragbar. Warum machen Sie das nicht einfach?

Außerdem kann es mit der Sparsamkeit der FDP ja nicht so weit her sein. Für die umstrittene Diätenerhöhung ist das Geld ja offensichtlich ebenso vorhanden wie für die Schaffung von Staatssekretärstellen und anderen Versorgungsposten.

Herr Staatsminister, rund 700 Anträge, mit denen noch einmal rund 1.000 Stellen gefördert werden könnten, sind durch den vorzeitigen Bewilligungsstopp jetzt nicht mehr möglich. Sie liegen auf Eis obwohl die Kofinanzierung der Stellen vom Freistaat vorher noch bewilligt worden ist. Ich kann an dieser Stelle allen Betroffenen nur raten, beim Bundesverwaltungsamt in Köln Widerspruch einzulegen und die Entscheidung der Staatsregierung so nicht hinzunehmen. Immerhin wurden sämtliche Kofinanzierungszusagen des Freistaates rechtskräftig unterschrieben. Diese Unterschrift ist mehr als die Unterzeichnung einer „Inaussichtstellung von Mitteln“, wie es die Staatsregierung auslegen möchte. Das Bundesamt hätte keine einzige Stelle in Sachsen bewilligen dürfen, denn dazu braucht es einen gesicherten Finanzierungsplan. Eine Absichtserklärung der Sächsischen Staatsregierung, vielleicht (oder vielleicht auch nicht) die Kofinanzierung zu übernehmen, hätte in keinem Fall ausgereicht.

Ebenfalls nicht ausreichend war die Art und Weise, mit der das SMWA die Öffentlichkeit über seine Entscheidung informiert hat. Von den Maßnahmeträgern bis zu den Arbeitslosen – alle Betroffenen haben vom Stopp der Finanzierung erst aus der Presse erfahren. Dies, meine Damen und Herren, ist für mich ein deutliches Zeichen ministerieller Geringschätzung derjenigen, für die das Ministerium eigentlich Dienstleister sein sollte. Ich fordere Sie an dieser Stelle ausdrücklich auf, sich mit den Fragen, die unser Antrag stellt, auseinanderzusetzen und gleichzeitig die Kofinanzierung aller noch offenen Anträge sicherzustellen!

Vielen Dank.
 
Abschließend möchte ich Ihnen an einem Beispiel illustrieren, um wen es in dieser Debatte eigentlich geht, nämlich um die Menschen, die Dank Kommunal-Kombi ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis und damit eine Perspektive erhalten haben.

Vor einigen Tagen hatte ich Gelegenheit, mit einer Teilnehmerin am Programm Kommunal-Kombi zu sprechen. Seit dem Abschluss ihres Studiums der Forstwissenschaften an der Universität Tharandt im Jahr 2006 mit der Note „gut“ sucht sie nach Arbeit. 112 Bewerbungen später war die junge Frau und alleinerziehende Mutter noch immer arbeitslos und Hartz IV-Bezieherin. Diese aufgezwungene Untätigkeit wurde erst Ende letzten Jahres durch eine Kommunal-Kombi Stelle beendet. Als studierte Forstwirtin unterstützt sie nun die Arbeit eines Vereins im Bereich des ökologischen Landbaus, kann sich einbringen und fühlt sich gebraucht.

Meine Damen und Herren, dieses Beispiel steht stellvertretend für all jene, die dank Kommunal-Kombi wieder am Arbeitsleben teilhaben können. Doch diese Menschen interessieren einen FDP-Arbeitsminister nicht die Bohne. Ihm ist es offensichtlich auch egal, wie groß die Aufwendungen des Staates waren, um Menschen wie die junge Forstwirtin zu hoch qualifizierten Fachkräften auszubilden. Dieses Potential dann brach liegen zu lassen, ist volkswirtschaftlicher Unsinn – darauf weise ich an dieser Stelle gern noch einmal hin.

Zum Schluss noch eine Bemerkung zu Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren von der CDU. Nachdem Sie den Kommunal-Kombi in der letzten Legislaturperiode mitgetragen haben, bitte ich Sie inständig, den Worten Ihres Fraktionsvorsitzenden Herrn Flath an den DGB Folge zu leisten. In einem Schreiben vom 5. Januar 2010 heißt es (ich zitiere): „Gleichwohl sind wir jedoch ebenso wie Sie der Auffassung, dass dieses Programm […] auch durch den Freistaat geordnet zu Ende gebracht werden sollte. Wir haben daher Herrn Staatsminister Morlok gebeten, eine angemessene und den noch vorliegenden Antragstellern entgegenkommende Regelung zu finden […].“ (Zitat Ende)

Denken Sie in diesem Zusammenhang ruhig auch einmal an sich selbst. Diese derzeitige FDP-Arbeitsmarktpolitik mitzutragen, wäre weder christlich, noch sozial und sorgt im Land für großen Unmut, der sich auch in den CDU-Wahlergebnissen bei Kommunalwahlen bzw. Bürgermeisterwahlen niederschlägt.