Johannes Lichdi: Boom der Solartechnik in Sachsen ist nur dauerhaft, wenn auch hier Anlagen auf die Dächer kommen
Redeauszüge des Abgeordneten Johannes Lichdi zum grünen Gesetzentwurf „Genehmigungsfreiheit für gebäudeintegrierte Solaranlagen“ in der 32. Sitzung des Sächsischen Landtages, 23.03., TOP 3
Lichdi: Boom der Solartechnik in Sachsen ist nur dauerhaft, wenn auch hier Anlagen auf die Dächer kommen
Es gilt das gesprochene Wort!
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Wir haben morgen eine Aktuelle Debatte zum Thema: „Der Ausweg aus der Atomsackgasse – Sachsen umsteuern in Richtung 100 Prozent Erneuerbarer Strom“ beantragt.
Die Solarenergie wird neben der Windkraft eine der Säulen der zukünftigen Stromerzeugung sein. Deutschlandweit hat sie einen Anteil von 2 Prozent erreicht, das klingt zwar wenig, wichtig ist aber der Trend: der Anteil hat sich in einem Jahr verdoppelt. Das sind 12 Milliarden Kilowattstunden, mehr als etwa die beiden Atomkraftwerke Biblis A und Isar 1 zusammen erzeugen. Oder: die 12 Milliarden Kwh sind schon mehr als die Hälfte des gesamten sächsischen Stromverbrauchs von 21 Milliarden.
I.
Leider trägt Sachsen wenig zum Wachstum bei. Die installierte Leistung lag 2009 mit 69 Watt pro Einwohner gerade einmal bei gut der Hälfte des deutschen Durchschnitts. Und das ist nicht nur ein Problem für das Erreichen der sächsischen Ziele beim Klimaschutz. Nein, hier geht es um auch um Wirtschaft: „It’s the economy, stupid“, um es mit Bill Clinton zu sagen.
Ein kleines Rechenbeispiel: Das Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung hat vor kurzem eine Studie zur regionalen Wertschöpfung der Photovoltaik veröffentlicht.
Jedes installierte Kilowatt Leistung deckt mehr als 1000 Euro Beschäftigungskosten. Davon entfällt rund die Hälfte auf die Modulfertigung. Eine Modulfertigung haben wir in Freiberg, Chemnitz, Plauen, Leipzig und Dresden. Und 365 von den 1000 Euro fließen in die Beschäftigung bei Planern und Installateuren. Das ist regionale Wertschöpfung. Dazu kommen noch einmal 200 Euro über die Nutzungsdauer für die Wartung. Wir können also allein durch 100 installierte 10 kW-Hausdachanlagen mit der Planung, Installation etc. eine Wertschöpfung in Höhe von 300.000 Euro in einer Kommune generieren. Die 100 Anlagen führen – ohne die Produktion – über die gesamte Laufzeit zu kommunalen Steuereinnahmen in Höhe von 160.000 Euro. Jetzt wissen Sie, warum die Bayern und die Schwaben das machen.
Und eine letzte Zahl: Sachsen ist nach dem EEG-Umlageverfahren mit 43 Mio Euro jährlich ein Nettozahler. Die Bayern haben im letzten Jahr dagegen eine Milliarde netto eingenommen.
Warum ist das so? Es sind vor allem politische und bürokratische Hürden. Beim Bundesländervergleich der Agentur für Erneuerbare Energien liegt Sachsen im Bereich den Anstrengungen zur Förderung Technologischen Wandels auf Platz 2. Aber auf dem letzten Platz bei den Anstrengungen zur Nutzung der Erneuerbaren Energien.
Ich zitiere:
„Die Vorbildfunktion ist in Sachsen relativ schwach ausgeprägt. Die gesellschaftliche Akzeptanz Erneuerbarer Energien und die Zufriedenheit mit der Landes- und Kommunalpolitik sind in Sachsen im Vergleich der Bundesländer am geringsten.“
Genau so ist es. Ihre jahrelange Verteufelung der Erneuerbaren Energien wirkt nach. Dies ist umso bedauerlicher, weil wir in Sachsen die komplette Wertschöpfungskette der Photovoltaik von Forschung und Entwicklung über Maschinenbau, Waver- und Modulherstellung bis zur Endmontage im Land haben.
Die Branche hat in Sachsen im letzten Jahr ca. 2 Mrd Euro umgesetzt. Derzeit investiert Wacker in Nünchritz 800 Millionen Euro. Im nächsten Jahr werden dort 450 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Silizium für Solarzellen herstellen.
Bereits jetzt arbeiten in der sächsischen Solarbranche rund 6000 Menschen und selbst in der letzten Krise stellten die Unternehmen neue Beschäftigte ein. Die Solarwirtschaft ist damit der größte Wachstumsmotor in Sachsen. Wenn das derzeitige konjunkturbereinigte Wachstum von 20 Prozent im Jahr anhält, verdoppeln sich Mitarbeiterzahl und Umsatz alle 4-5 Jahre. Weitere Investitionen und neue Arbeitsplätze sind unter anderem bei Solarworld in Freiberg geplant. Im sächsischen Maschinen- und Anlagenbau sollen im Geschäftsfeld Solartechnik bis 2015 allein 1500 neue Arbeitsplätze entstehen.
Roland Berger prognostiziert in seiner Studie für das Bundesministerium für Umwelt (BMU) in diesem Markt weltweit ein jährliches Wachstum von 27 Prozent bis 2020. Der Boom der Solartechnik in Sachsen ist jedoch nur dauerhaft, wenn auch hier Anlagen auf die Dächer kommen. Denn zu einem vollständigen Cluster gehören auch Handwerker, Planer und Endkunden.
II.
Unser Gesetzentwurf stellt gebäudegebundene Solaranlagen generell von der Genehmigungspflicht frei. Dies gilt auch für aufgeständerte Anlagen sowie für einspeisende Anlagen.
Derzeit ist eine PV-Anlage nur dann Teil der haustechnischen Ausrüstung und damit genehmigungsfrei, wenn der erzeugte Strom im Haus selbst verbraucht wird. Dagegen unterliegt eine Anlage der Genehmigungspflicht, wenn der Strom ins Netz eingespeist wird. Diese Unterscheidung ist physkalisch unsinnig, denn auch der ins Netz eingespeiste Sonnenstrom wird zunächst immer in die Hausanlage geleitet. Die Kirchoffschen Gesetze gelten sogar in Sachsen. Wir können mit diesem Gesetzentwurf die kostenträchtige und unsinnige Ungleichbehandlung von Bauherren und Anlagenbetreiben beenden.
Dies ist wahrlich keine Revolution, sondern geltende Rechtslage in Bayern und Baden-Württemberg. Wo stehen die meisten Anlagen? Wo sind die höchsten Zuwachsraten? Natürlich in Bayern und Baden-Württemberg.
Wir orientieren uns im Wortlaut an der baden-württembergischen Bauordnung, immerhin ein Land, das noch bis nächsten Sonntag von schwarz-gelb regiert wird. Dann werden wir ja eine grün-rote Regierung haben.
Wir hatten eine hoch spannende öffentliche Anhörung im Innenausschuss. Was haben uns die Fachleute gesagt? Die Vertreter der Solarbranche, der Landkreise und der Gemeinden begrüßten in ihren Stellungnahmen ausdrücklich die generelle Genehmigungsfreiheit. Sie sei ein wichtiger Schritt zur Steigerung der Nutzung erneuerbarer Energien und zur Entbürokratisierung.
Nach Einschätzung der Juristen soll zusätzlich auch die Nutzungsänderung des Gebäudes ausdrücklich genehmigungsfrei gestellt werden. Den Hinweis haben wir aufgenommen und dazu einen Änderungsantrag eingebracht. Der renommierte Bauordnungsrechtler Henning Jäde vom bayrischen Innenministerium betonte, dass Bayern mit der Genehmigungsfreiheit seit Jahrzehnten sehr gute Erfahrungen gemacht habe.
Die Fragen des Brandschutzes und der Statik seien nicht durch die Bauämter sondern durch Qualifizierung, Forschung und eine enge Zusammenarbeit zwischen Handwerkern, Herstellern, Ingenieuren und der Feuerwehr zu lösen.
Also lassen Sie uns die bürokratischen und teuren Hürden des Genehmigungsverfahrens beseitigen und damit drei Dinge bewirken:
1. Einen Boom bei der Installation von Solaranlagen mit positiven Auswirkungen auf die regionale Wertschöpfung und den Arbeitsmarkt
2. Sachsens Bürger sollen selbst Energieerzeuger werden und viel stärker von der EEG-Umlage profitieren
3. Bereits in zehn Jahren wollen wir rund ein Viertel des sächsischen Stromverbrauchs klimafreundlich und ungefährlich mit der Sonne decken
Übrigens hat sich Deutschland hat sich gegenüber der EU zur Vereinfachung bzw. Freistellung für kleine dezentrale Anlagen verpflichtet. Die Frist zur Umsetzung der EU-Richtlinie ist bereits im Dezember 2010 abgelaufen.
Ich fordere Sie deshalb auf, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen. Dann würden Sie ein kleines Stück dazu beitragen, die Atomkraft zu ersetzen und ernsthaften Klimaschutz zu betreiben.