Johannes Lichdi zur Aktuellen Debatte über den Atomausstieg

Redebeitrag des Abgeordneten Johannes Lichdi zur Aktuellen Debatte "Sicherheit ist in Europa unteilbar – der sächsische Beitrag zu einer sicheren und stabilen Energieversorgung" in der 33. Sitzung des Sächsischen Landtages, 24.03., TOP 1
Es gilt das gesprochene Wort!
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Ich glaube, wir haben in einigen Redebeiträgen von Rednern der Koalition nicht nur energiepolitisches und energiefachliches Analphabetentum erleben müssen. Wir haben auch wirklich Tiefpunkte an Perfidie in der neueren sächsischen Parlamentsgeschichte erlebt. Ich denke insbesondere an den Redebeitrag des Herrn Herbst von der FDP. Ich möchte ihn jetzt einmal nicht "Kollegen" nennen.
Uns und der SPD-Fraktion zu unterstellen, dass wir hier mit dem Leid der japanischen Opfer Politik betreiben würden, ist von einer solch unglaublichen Unverschämtheit, dass mir die Worte fehlen.
Meine Damen und Herren, was ist zu tun? Der Atomausstieg ist natürlich möglichst schnell zu vollziehen, und ich möchte den Weg skizzieren, wie wir GRÜNEN uns dasvorstellen.
Natürlich ist selbstverständlich: die sieben ältesten AKW müssen vom Netz bleiben und Krümmel darf nicht wieder ans Netz gehen. Ich wiederhole das, was Antje Hermenau und andere hier bereits gesagt haben:Uns steht es nicht an zu sagen, dass die Entscheidung der Kanzlerin am Sonntag, das Moratorium einzuführen, natürlich richtig war.
Aber jetzt kommt es darauf an: Wie geht es weiter? Wir haben bei diesen sieben Reaktoren nichts weiter zu prüfen. Diese sieben Reaktoren sind alte Schrottreaktoren aus den Sechziger- und Siebzigerjahren und nach dem rot-grünen Atomausstiegsgesetz ohnehin längst zur Abschaltung fällig. Dafür brauchen wir keine Prüfung.
Dann haben wir die neun verbleibenden AKW. Dort hätten Sie sich kundig machen können, wenn Sie die Fachdebatte verfolgt hätten. Aber das haben Sie sich ja erspart, sonst hätten Sie vielleicht mitbekommen, dass seit dem 16. März ein internes Arbeitspapier des Bundesumweltministeriums (BMU) bekannt geworden ist, das die Mängel im Einzelnen aufgelistet hat und zu dem Ergebnis kommt: Keines der augenblicklich laufenden deutschen Atomkraftwerke erfüllt den Sicherheitsstandard von Wissenschaft und Technik, der nach dem geltenden Atomgesetzgefordert ist; und das BMU sagt eindeutig: Diese dort aufgeführten Maßnahmen sind kurzfristig als Voraussetzung einer Laufzeitverlängerung umzusetzen. Das heißt, es geht darum, dass wir jetzt hier prüfen und Ernst machen. Ich habe die große Sorge, dass die Atomlobby diese Sicherheitsstandards wieder verwässern und sie nicht anwenden wird.
Ich gehe auch gern noch auf die Einwände ein, die immer wieder gemacht werden. Es wird immer wieder gesagt, in Deutschland gebe es keine Tsunamis. Entschuldigen Sie, Sie wissen das vielleicht nicht, aber machen Sie sich klar: In Norwegen gibt es eine Steilküste im Meer. Dort gibt es erhebliche Hangrutschungen, und die Fachwelt sagt: Natürlich können dadurch auch Tsunamis in der Nordsee entstehen. Dort können auch bis zu 30 Meter hohe Wellen entstehen. Vor Japan haben wir auch gedacht, das passiert uns alles nicht, das ist das Restrisiko. Herr Hauschild, ich sage Ihnen ganz klar: Dieses Restrisiko sind wir nicht bereit zu tragen, und das ist derentscheidende Unterschied zur Wasserkraft oder den anderen Energieformen, die Sie genannt haben. Wir können uns dieses Risiko nicht leisten, und wir wollen es uns nicht leisten.
Die Mär, die immer verbreitet wird, die deutschen Atomkraftwerke seien erdbebensicher, ist einfach falsch. Lesen Sie dieses Papier. Die deutschen Atomkraftwerke sind nicht erdbebensicher ausgelegt. Natürlich sind die AKW nicht gegen Terrorangriffe geschützt.
Meine Damen und Herren! Wir müssen schnellstens aus dieser Todestechnologie aussteigen, und ich wünsche mir, dass wir tatsächlich dazu in der Lage sind, den Ernst der Debatte anzuerkennen und anzunehmen und nicht solche ideologischen Ausgleichsreaktionen wie Herr Herbst zu vollführen.
2. Teil
Vielen Dank, Herr Staatsminister. Sie haben von der Sicherheitsauslegung der deutschen Atomkraftwerke gesprochen. Ich gehe davon aus, dass Ihnen das Papier, das ich zitiert habe, bekannt ist. Das Papier ist seit einer Woche öffentlich. Aus diesem Papier geht für meine Begriffe eindeutig hervor, dass die Fragen, die Sie aufgeworfen haben, beantwortet sind. Wir haben eben keine Notstromversorgung für72 Stunden und auch kein Not- und Nachkühlsystem, das durchgängig auf vier Stränge mit je 100 Prozent Nachkühlkapazität ausgelegt ist. In diesem Papier sind dieEinzelheiten aufgeführt. Sie sind deshalb aufgeführt, weil sie bei den deutschen AKW nicht vorliegen, nach der Auffassung der sachverständigen Personen im BMU aber erforderlich sind. Von daher möchte ich Sie fragen: Kennen Sie dieses Papier nicht? Teilen Sie die Analyse dieses Papiers oder nicht?