Johannes Lichdi zur Kürzung der Solarförderung
Herr Tillich, sorgen Sie dafür, dass aus dem Solar-Valley in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt nicht ein Death Valley wird – Die Photovoltaik-Branche ist keine Nische, sondern eine der wichtigsten Zukunftsbranchen
Redebeitrag des Abgeordneten Johannes Lichdi zum Antrag GRÜNE "Existenzgefährdende Kürzung der Solarförderung verhindern – Sächsische Solarindustrie erhalten", 52. Sitzung des Sächsischen Landtages, 8. März 2012, TOP 6
Es gilt das gesprochene Wort!
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Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren,
ich möchte mit einem Zitat – gesprochen auf einer Feier am 14.9.2010 in Dresden – beginnen: «Solarwatt hat eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte geschrieben, auf die Sie alle sehr stolz sein können», «Man spürt: Hier ist der legendäre sächsische Tüftlergeist am Werk. Hier arbeiten Leute, die von Innovation etwas verstehen, zusammen mit guten Kaufleuten, die wissen, wie man Qualitätsprodukte verkauft.» – Für die Zukunft wünschte der begeisterte Gast den Mitarbeitern alles Gute: «Spätestens in drei Jahren zum 20-jährigen Jubiläum sehen wir uns wieder.»
So sprach damals der ewig lächelnde Ministerpräsident Stanislaw Tillich bei der Eröffnung einer neuen Fertigungsstrecke von Solarwatt hier in Dresden. Dann gab es wohl Sekt und Häppchen und alle waren zufrieden.
Letzte Woche war der Betriebsratsvorsitzende von Solarwatt in der Landespressekonferenz. Es gab weder Sekt noch Schnittchen und auch keine schönen Fotos, der Gewerkschafter war nämlich nicht zum Feiern aufgelegt. Solarwatt habe «im Februar 80 neue Mitarbeiter eingestellt. Erst mal als Zeitarbeiter. Die kamen hier früh morgens an und wurden mit Tränen in den Augen gleich wieder nach Hause geschickt.» – Zitat Ende.
Warum?
Die schwarz-gelbe Bundesregierung will mal wieder eben die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Photovoltaik (PV) fundamental umstürzen. Leute, die nichts von der Materie verstehen, schwadronieren immer von einer angeblichen Überforderung.
Ich sage Ihnen mal was: die Vergütungssätze in der Photovoltaik sollen nach dem Willen von schwarz-gelb nicht wie vereinbart um 30 Prozent im Jahr 2012, sondern gemessen ab dem Dezember 2011 zwischen 40 und 58 Prozent sinken.
Ich frage Sie: welche Branche in Deutschland ist in der Lage diesen Abbruch der Förderung auszuhalten?
Wozu hat diese Ankündigung einer Absenkung bei 58 Prozent in einem Jahr geführt?
Der Geschäftsführer von Sachsen-Solar erzählte, dass bereits nach dem Bekanntwerden der Ministereinigung zwischen Norbert Röttgen (CDU) und Philipp Rößler (FDP) «alle Aufträge ab April weggebrochen» sind.
Sachsen-Solar ist ein kleiner Mittelständler in Dresden mit 45 Beschäftigten. Das Unternehmen projektiert und baut Anlagen mit den Modulen von Solarwatt. Nun kann er nicht mehr bestellen. Das heißt auch keine Aufträge für die Deutsche Cell in Freiberg, die liefern nämlich die Solarzellen. Die Deutsche Cell wiederum bekommt die Wafer von der Deutschen Solar ebenfalls in Freiberg. Die Sägespäne aus der Wafer Produktion werden aufgearbeitet von SIC Processing in Bautzen. Die Maschinen liefern auch sächsische Maschinenbauer, nämlich Roth & Rau in Hohenstein-Ernstthal. So schließt sich der Kreis. Keine Kunden für Solarhandwerker – keine Module – keine Zellen – keine Wafer – keine Maschinen: Keine Arbeit!
Und meine Damen und Herren von der CDU und FDP, die Photovoltaik-Branche ist keine Nische, sondern eine der wichtigsten Zukunftsbranchen – Zitat:
«Die Photovoltaik ist das mit Abstand am weitesten entwickelte Branchensegment der Erneuerbaren Energien in Sachsen. […] In der Produktion von Solarkomponenten sind in Sachsen mehr Menschen beschäftigt als in jedem anderen Bundesland.» (S.113). – Zitat Ende! –
2011 waren es 6500 Menschen – das sind fast dreimal so viel wie in der Braunkohle, Herr Krauß!
Weiter im Zitat: «Im Bereich PV verzeichnet Sachsen innerhalb der letzten 10 Jahre eine Investitionssumme von mehr als 1,1 Milliarden Euro. Zahlreiche weltweit agierenden Zulieferer und Produzenten sind entstanden. Hier gereichen Sachsen seine Tradition und Kompetenz im Werkzeug- und Sondermaschinenbau zum Vorteil. Spitzenpositionen werden auch im Bereich organischer Photovoltaik mit einem Weltrekord im Wirkungsgrad organischer Photozellen erreicht.» – Zitat Ende.
Wer hat all das geschrieben? Die Sächsische Staatsregierung war es – im aktuellen Entwurf ihrer Innovationsstrategie! Was sie aufgeschrieben hat, ist richtig – Sie definieren die Photovoltaik als Schlüsseltechnologie – Genau so ist es. – Aber dann handeln Sie auch danach!
Und was sagt unser angeblicher Wirtschaftsminister, der stolze Solarwatt – Besucher Sven Morlok dazu? Er begrüßt diesen Frontalangriff auf die gesamte Wertschöpfungskette der sächsischen Solarwirtschaft – Zitat: «Ich freue mich, dass durch diese Regelung Planungssicherheit für Investoren und Hersteller geschaffen wird. Das schafft Verlässlichkeit und beruhigt den Markt.»
Meine Damen und Herren, ist das ein Witz? – es lacht nur keiner! – Meine Damen und Herren, dass ist empörend und purer Hohn in den Ohren der Beschäftigten der sächsischen Solarbranche!
Wie wurden diese Erfolge erreicht? – Durch das von Ihnen verteufelte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)! – Dies schreibt auch die sogenannte "Geheimstudie" des Bundesinnenministeriums zum Aufbau Ost – Aber wie gehen Sie denn mit der Sächsischen Solarbranche um? – Im Entwurf zum Landesentwicklungsplan taucht das Wort Solarenergie nicht einmal auf.
Diese Ignoranz und Arroganz prägt die Politik der Staatsregierung seit Jahren. Bei den Anstrengungen zur Nutzung der Erneuerbaren Energien bildet Sachsen eindeutig das Schlusslicht. Sie können sich ihre ganze Innovationsstrategie für den Schwerpunkt Photonik – Photovoltaik sparen, wenn Sie die deutsche Solarindustrie jetzt von Staats wegen abwürgen.
Sachsen-Anhalts CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff hat das erkannt. Er nennt die Weichenstellung der Bundesregierung hinsichtlich der Photovoltaik-Förderung «völlig falsch». Seine Parteikollegin Christine Lieberknecht aus Thüringen, droht der Bundesregierung mit einem Veto des Bundesrats gegen die Kürzungen der Solarförderung. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sagte im Landtag, viele Menschen seien im Vertrauen auf die aktuellen Regelungen finanzielle Verpflichtungen eingegangen. Da könne man nicht einfach dazwischen gehen.
Und was sagt der eingangs zitierte Solarwatt-Besucher? Unser sächsischer Ministerpräsident? Richtig: wie immer wenn es schwierig wird, sagt er gar nichts!
Doch, gestern war in der Regierungserklärung was zu hören: «Sachsen ist Solarland. Nur ein Beispiel für die große Dynamik: Nächsten Montag ist hier in Dresden die feierliche Werkseinweihung bei Heliatek.» – Ja, da gibt es wieder Sekt und schöne Bilder. Die unser Gute-Laune-Sachse gerne mitnimmt. Aber handeln im Interesse der sächsischen Solarindustrie will er nicht.
Am 9. März wird die erste Lesung des Gesetzentwurfs zum Abwürgen der deutschen Solarindustrie im Bundestag stattfinden. Das Gesetz wird voraussichtlich am 11. Mai im Bundesrat sein. Bei einem Einspruch der Länder mit Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundesrat, würde die Mehrheit von Schwarz-Gelb im Bundestag nicht ausreichen, um diesen Einspruch zu überstimmen. Dafür müssten aber auch eine Reihe Schwarz-Gelb regierter Länder Einspruch einlegen.
Herr Tillich, das ist Ihr Auftritt! Schließen Sie mit Herrn Haseloff, Herrn Seehofer und Frau Lieberknecht eine Allianz! Gestern haben Sie in ihrer Halbzeitbilanz hier im Hause wörtlich gesagt: «Sachsen Stimme wird gehört in Deutschland.» Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, die Stimme für die sächsische Solarbranche zu erheben.
Wir GRÜNEN erkennen im beabsichtigten Abwürgen der Solarbranche den Angriff der atomar-fossilen Branche auf die Energiewende und die Erneuerbaren Energien. Sie haben diesen Angriff gut vorbereitet, indem sie den Leuten weißmachen, dass Photovoltaik die Strompreise und den Netzausbau teuer machen würde. Auch wenn Sie es noch so oft behaupten: Es ist einfach nicht richtig. Schon jetzt ist die Einspeisevergütung niedriger als der Verbraucherpreis, das heißt: es lohnt sich in Zukunft mehr, den auf dem Dach produzierten Sonnenstrom selbst zu verbrauchen, anstatt ihn sich vergüten zu lassen.
Die Energiewende wird weitergehen, weil die technologischen und Kostenvorteile der Erneuerbaren jetzt zum Tragen kommen. Die Frage ist nur, ob wir in Form von deutschen Arbeitsplätzen und Wertschöpfung die Dividende der Bemühungen der letzten 20 Jahre ernten können oder nicht.
Sorgen Sie dafür, dass aus dem Solar-Valley in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt nicht ein Death Valley wird, worauf sie noch eine Brise Braunkohlestaub streuen können.
Wie sprach unser Mustersachse im Herbst 2010: «Spätestens in drei Jahren zum 20-jährigen Jubiläum sehen wir uns wieder.» – Das haben Sie, Herr Tillich, den Solarwatt-Arbeitern versprochen. Nächstes Jahr sind drei Jahre um. Ich hoffe wirklich, Sie können ihr Versprechen halten.