Karl-Heinz Gerstenberg: Erhalt der sächsischen Kulturlandschaft ist sehr wohl möglich, ohne Neuverschuldung und trotz Schuldenabbau

Redebeitrag des Abgeordneten Karl-Heinz Gerstenberg zum „Haushaltsplan 2011/12, EP 12 Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst“ (Drs 5/4250) in der 26. Sitzung des Sächsischen Landtages, 15.12., TOP 1
Es gilt das gesprochene Wort!
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Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Seit Beginn der Haushaltsberatungen ist von Seiten der Regierungsfraktionen zu vernehmen, dass Investitionen in Bildung, Wissenschaft und Kultur bei diesem Haushaltsentwurf für die Jahre 2011/2012 Priorität besitzen. Wer die zurückliegenden Monate Revue passieren lässt und die heute zur Debatte stehende Beschlussvorlage anschaut, sieht dieses Versprechen kaum erfüllt.
Auch in den Bereichen Wissenschaft und Kunst wurde gekürzt und dass teilweise mit nachwirkendem Flurschaden. Die einzusparenden Beträge sind verglichen mit dem Gesamthaushalt eher marginal, die Schäden, die sie angerichtet haben und die sie noch anrichten werden, sind jedoch erheblich.
Viele mögen meinen, dass das Schlimmste verhindert wurde. Ich möchte Frau Staatsministerin von Schorlemer an dieser Stelle auch ausdrücklich für ihren Einsatz danken. Allein die Tatsache, dass Sie – wenn ich das richtig sehe – viermal in den sogenannten Chefgesprächen bei Finanzminister Unland auf Verbesserungen gedrungen haben, zeigt, mit welchem hohen Engagement Sie gekämpft haben.
Aber, meine Damen und Herren von der Koalition, dass dieser Einsatz nötig war, zeigt auch, wie es tatsächlich um den Stellenwert von Wissenschaft und Kultur in der CDU-FDP-Koalition bestellt ist. Da war die Rede davon, dass die Hochschulen ohnehin überfinanziert seien und dass es in den Kulturräumen sowieso zu Strukturanpassungen kommen müsse. Die Studentenwerke sollten wieder mal auf Null gesetzt werden. Und die Kürzung der kurz zuvor hervorragend evaluierten Forschungsförderung war dann ein Opfer, das auf dem Sparaltar erbracht werden musste.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen, eine Priorität von Wissenschaft und Kultur ist beim vorliegenden Haushalt für den Einzelplan 12 nicht erkennbar. Glücklicherweise haben Sie an einigen Stellen versucht, das Schlimmste zu verhindern, wie beispielsweise bei den Musikschulen. Aber das Schlimmste verhindern ist noch keine Strategie.
Nehmen wir die Hochschulen.  Es ist gut und richtig, dass in den Jahren 2011/2012 keine Stellen an den Hochschulen abgebaut werden. Aber warum schreiben Sie den Abbau von über 1.000 Stellen ab 2013 bis 2020 in diesem Haushalt fest, obwohl sie überhaupt keine neue Hochschulvereinbarung abgeschlossen haben? Sie wissen noch nicht, wohin sie strategisch mit den Hochschulen wollen, aber streichen schon vorab die Stellen. Damit belasten sie unnötig die Verhandlungen zur Hochschulvereinbarung und schaden diesem wichtigen Instrument der Hochschulsteuerung.
Weitere Beispiele: Zu Recht setzt sich der Freistaat das Ziel, angesichts zurückgehender sächsischer Abiturientenzahlen auswärtige Studienbewerber anzuziehen. Die bisherigen Mittel für Tutorien, Hochschulbibliotheken und Lehraufträge haben ihren bescheidenen Teil zu diesem Ziel beigetragen. Sie von der Koalition halbieren nun die Mittel und verschlechtern die Studienqualität an sächsischen Hochschulen. Wer die dringend benötigen Fachkräfte von morgen nach Sachsen holen will, muss aber vor allem eines tun: Die Qualität der Lehre verbessern.
Dazu gehören auch gezielte Investitionen in die Hochschuldidaktik. Mit dem Zentrum für Hochschuldidaktik an der Universität Leipzig haben wir bereits eine Einrichtung, die mit eher bescheidenen Beträgen viel bewirken kann.
Dasselbe gilt für die Internationalisierung. Manchmal lässt sich mit Haushalts-Peanuts wie 130.000 Euro sehr viel bewegen. Mit dem Leonardo-Büro gibt es an der TU Dresden eine hervorragend evaluierte Einrichtung, die im Auftrag von 16 Hochschulen und Studienakademien jährlich Hunderte Studierende bei ihren Auslandsaufenthalten berät. Anstatt an diesen Kompetenzen anzuknüpfen, streichen Sie diesen bescheidenen, aber notwendigen Betrag ersatzlos weg.
Meine Damen und Herren, von Hochschule und Wissenschaft hängt die Zukunft unseres Landes ab. Deshalb brauchen nach Überzeugung unserer Fraktion die sächsischen Hochschulen, die im internationalem Wettbewerb stehen, auch bei zurückgehenden Studierendenzahlen eine zumindest gleichbleibende Finanzierung und Personalausstattung sowie ein leistungsfähiges soziales Umfeld. Diese Anforderungen erfüllen die Haushaltsansätze nicht.
Ihre Änderungen beim Kulturraumgesetz haben wir heute bereits in der Debatte zum Haushaltsbegleitgesetz diskutiert. Ich kann an dieser Stelle nur noch einmal feststellen, werte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition: Wenn die Kürzungen bei den Kulturräumen auch geringer ausfallen als vom Finanzminister gewollt, der kulturpolitische Schaden ist dennoch groß.
Dass Strukturanpassungen aufgrund der steigenden Kosten unumgänglich sind, mag richtig sein. Aber strukturelle Veränderungen müssen gestaltet werden. Was Sie in diesem Haushalt mit den Landesbühnen Sachsen vorhaben, ist eine Kommunalisierung mit der Brechstange. Die entsprechenden Schäden werden nicht nur bei der Stadt Radebeul sichtbar sein, sondern in allen Kulturräumen. Der Übergang braucht mehr Zeit und mehr Überlegung. So, wie Sie ihn gestalten, wird auf infame Weise ein Keil zwischen die Landesbühnen und die anderen sächsischen Theater getrieben.
Ich habe Ihnen vorhin gedankt, Frau Staatsministerin von Schorlemer. Angesichts Ihres Einsatzes sollten Sie aber auch die Folgen von Niederlagen nicht schön reden, wie jüngst in Ihrem Interview. Meine Fraktionskollegin Leonore Ackermann, damals Vorsitzende des Kulturausschusses, hatte im Dezember 1993 bei der Verabschiedung des Kulturraumgesetzes gesagt. „Das ist auch ein trotziges Gesetz gegen die Reduzierung von Kultur auf leere Häuser mit Gastspielbetrieben.“ Sie hingegen beschleunigen jetzt Schließungen und Konzentration und beschwören gleichzeitig den Erhalt der Vielfalt. Das ist realitätsfremd und stimmt fast schon traurig.
Und auch in einer zweiten Hinsicht irren Sie: Sie sind nicht nur verantwortlich für die staatlichen Häuser wie Semperoper und Staatsschauspiel, die sich über einen finanziellen Zuwachs freuen können. Nicht nur diese müssen auskömmlich finanziert werden. Sie tragen auf der Grundlage des Kulturraumgesetzes auch eine Mitverantwortung für die Kultur in den sächsischen Regionen. Ich halte gar nichts davon, Kultureinrichtungen gegeneinander auszuspielen. Was wir brauchen, ist vielmehr ein neuer Gleichmäßigkeitsgrundsatz nach dem Beispiel des kommunalen Finanzausgleiches: Die Finanzierung der Kulturräume muss sich im gleichen Maße entwickeln wie die der staatlichen Einrichtungen.
Meine Damen und Herren, wir als GRÜNE Fraktion stehen zur Substanz der sächsischen Kulturlandschaft und wir haben mit unseren Anträgen gezeigt, dass ihr Erhalt sehr wohl möglich ist, ohne Neuverschuldung und trotz Schuldenabbau.
Den Einzelplan 12, wie er uns jetzt vorliegt, lehnen wir ab.