Lichdi: Gleiche Schutzstandards vor genetischen Untersuchungen und Diskriminierungen für Landesbeamte einführen!
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrter Herr Präsident,sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
wir wollen mit unserem Gesetzentwurf Landesbeamten, Richtern und Bewerbern auf Beamten- und Richterstellen im Freistaat genauso vor genetischen Untersuchungen und Diskriminierungen schützen, wie Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, Beamten und Soldaten des Bundes, zu deren Schutz seit dem 1. Februar 2010 das Gendiagnostikgesetz gilt.
Das Gendiagnostikgesetz enthält ein Verbot für den Arbeitgeber vor und während des Arbeitsverhältnisses genetische Untersuchungen durchzuführen oder bei der Einstellung die Ergebnisse genetische Untersuchungen zu verlangen. Beschäftigte dürfen wegen ihrer genetischen Veranlagung nicht benachteiligt werden, auch dann nicht, wenn sie einen Gentest verweigern.
Zudem sieht das Gendiagnostikgesetz einen Entschädigungsanspruch für Betroffene vor und Sanktionsmöglichkeiten. Verstöße können mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bestraft werden.
Gemäß § 22 gelten diese Vorschriften nur für die öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisse des Bundes. Nicht vom Wortlaut umfasst und damit aus dem Schutzbereich ausgenommen sind Richter und Beamte der Länder.
Eine entsprechende gesetzliche Regelung auf Landesebene ist:
erstens geboten, denn es gibt keine sachlichen Gründe dafür, dass Landesbeamte nicht den gleichen Schutz genießen sollen, wie Bundesbeamte und Arbeitnehmer; und
zweitens erforderlich, da es sich um keine planwidrige Regelungslücke im Gendiagnostikgesetz handelt. Gegen die Einbeziehung der Landesbeamten ins Gendiagnostikgesetz sprach die fehlende Gesetzgebungskompetenz – Beamtenrecht ist seit der Föderalismusreform 2006 allein Sache der Länder.
Die vorliegende Beschlussempfehlung des Verfassungs- und Rechtsausschusses zielt auf Ablehnung. SPD und LINKE haben unserer Initiative zugestimmt. Der Sächsische Datenschutzbeauftragte, Herr Schurig, hat sie ausdrücklich begrüßt.
Bei genetischen Untersuchungen geht es um die Feststellung erblicher Anlagen, um Prognoseentscheidungen treffen zu können
Der Koalition dagegen sind die Auswirkungen von Gentests im Arbeitsleben wohl egal. Um was geht es? – Arbeitgeber wollen gesunde und robuste Bewerber und bewerberinnen einstellen. Die Wahrscheinlichkeit von Arbeitsausfällen und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall soll minimiert werden. Bei genetischen Untersuchungen geht es um die Feststellung erblicher Anlagen, um Prognoseentscheidungen treffen zu können: Hat der Bewerber eine genetische Vorbelastung für bestimmte Krankheiten? Ein Gesundheitscheck liefert kein vollständiges Bild über Krankheitsursachen. Anders der Gentest: die dort ermittelten Daten und Ergebnisse gelten ein Leben lang! Genetische Auffälligkeiten vermindern die Chancen auf dem Arbeitsmarkt dauerhaft. Zudem wird das „Recht des Arbeitnehmers auf Nichtwissen“ verletzt, etwa dass man „gute Aussichten“ hat, weit vor dem Renteneintrittsalter an einer unheilbaren Krankheit zu sterben.
Justizmininister Dr. Martens hat während der Ausschussberatungen eine Schutzlücke bestritten – genetische Untersuchungen seien bisher bereits nicht erlaubt. Fakt ist: es gab bis zum Inkrafttreten des Gendiagnostikgesetzes keine klare gesetzliche Regelung, die diese verbietet.
Die Zulässigkeit medizinischer Untersuchungen ergab sich aus der Abwägung zwischen berechtigten Interessen des Arbeitgebers und dem aus Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Persönlichkeitsrecht des Beschäftigten. Die Offenbarungspflicht des Arbeitnehmers gilt jedenfalls nicht, wenn in unbegrenzter Weise, personenbezogene medizinische Daten erfragt werden. Aus diesen Grundsätzen kann wohl ein Verbot von Gentests hergeleitet werden, zwingend ist es aber nicht.
Dazu sei nochmals der Fall erwähnt, der damals die öffentliche Debatte ausgelöst hat: einer Lehrerin wurde die Verbeamtung verwehrt, weil ihr Vater an Chorea Huntington litt. Behördlich wurde ihr die gesundheitliche Eignung abgesprochen, weil sie diese Anlage haben könnte. Sie hatte sich geweigert, die genetische Anlage durch Gentest festzustellen bzw. auszuschließen. Zwar können Einstellungsuntersuchungen und Gentests nur mit Einwilligung des Betroffenen erfolgen. Aber die Krux liegt hier im Abhängigkeitsverhältnis: Der Bewerber riskiert, den Arbeitsplatz nicht zu erhalten.
Das Verbot der Entgegennahme vorhandener genetischer Daten nimmt dem Arbeitgeber die Möglichkeit, das Verbot der Durchführung genetischer Untersuchungen zu umgehen. Das Verbot ist deutlich effektiver, als den Betroffenen darauf zu verweisen, dass er die Beantwortung intimer Fragen, damit auch nach genetischer Veranlagung, verweigern kann oder sogar unwahr beantworten darf. Und noch einen Schritt weiter: zur Vermeidung einer Umgehung des § 19 (der nach dem Normzweck vermeiden will, dass der Arbeitgeber genetische Informationen zur Verfügung hat), ist es verboten, Beschäftigte mit Hilfe der Einwilligung zur Durchführung genetischer Untersuchungen zu veranlassen.
Dass Gesetzeslücken ausgenutzt werden, zeigen die Gentests von Mercedes, die im vergangenen Herbst öffentlich wurden, das Gendiagnostikgesetz war schon seit Juni verkündet, aber eben noch nicht in Kraft. Für uns ist es nicht außerhalb jeder Vorstellungskraft, dass sich der Staat irgendwann auch dieser Mittel bedient, um nur die besten, gesundheitlich unbelasteten, leistungsfähigsten Bewerber in seinen Dienst zu nehmen.
Noch einige technische Schlussbemerkungen:
Unserem Gesetzentwurf wurde entgegengehalten, dass der bessere Platz das Sächsische Beamtengesetz sei. Uns erschien die Einfügung im Datenschutzgesetz vorzugswürdig, um der Gefahr zu entgehen, dass für Bewerber und Bewerberinnen eine Schutzlücke bleibt – diese haben eben noch nicht den Status von Beamten und Beamtinnen. Eine Vorschrift zum Schutz unberechtigter Datenerhebungen von Bewerbern für den öffentlichen Dienst findet sich aber bereits im Sächsischen Datenschutzgesetz – eine systematische Einordnung an dieser Stelle schien uns daher vorzugswürdig.
Schließlich wandte die Koalition ein, dass die von uns beabsichtigte dynamische Verweisung auf das Bundes-Gendiagnostikgesetz abzulehnen sei. Uns geht es aber gerade darum, das identische Schutzniveau für Bundes- und Landesbeamte sicherzustellen.
Ich bitte daher um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf!