Michael Weichert: Bei der Rohstoffgewinnung geht es CDU/FDP nur um wirtschaftliche Nutzung, aber nie um Güterabwägung

Rede von Michael Weichert zum CDU/FDP-Antrag "Bergbauland Sachsen stärken – Sächsische Rohstoffstrategie fortentwickeln" (Drs. 5/11346), 72. Sitzung des Sächsischen Landtages, 14. März 2013, TOP 5

– Es gilt das gesprochene Wort –
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Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

die Wiederaufnahme der bergbaulichen Tätigkeit zum Zwecke der Rohstoffgewinnung trifft bei den Menschen – vor allem im Erzgebirge – überwiegend auf Zustimmung. Das ist kein Wunder, denn das Erzgebirge ist seit mehr als 800 Jahren eine Region mit intensivster Bergbautätigkeit. Sie ist bis heute DAS identitätsstiftende Moment für große Teile der einheimischen Bevölkerung und eine der wichtigsten Grundlagen erzgebirgischer Traditionen, Kultur und Wirtschaft. Die Menschen hegen große Erwartungen und Hoffnungen auf positive wirtschaftliche Impulse und neue Arbeitsplätze. Folgerichtig hat die Staatsregierung darauf reagiert und eine Rohstoffstrategie für den Freistaat vorgelegt.
 
Nun bekommt sie dafür von der Koalition in Punkt 1 des vorliegenden Antrags Anerkennung, um dann unter Punkt 2 gleich gezeigt zu bekommen, dass die Rohstoffstrategie keineswegs vorbildlich, sondern zu lückenhaft ist. Dabei ist der Koalitionsantrag viel schlechter als die Strategie. Es ist keine Kunst, den Text fast wörtlich aus dem Anhörungsprotokoll zur Rohstoffstrategie abzuschreiben. Daraus nur die Wirtschaftssicht raus zu klauen, allerdings fast schon sträflich.
 
Werte Kolleginnen und Kollegen der Koalition, die Industrie- und Handelskammer sowie einzelne Unternehmer dürfen, ja müssen, parteiisch sein. Ihnen kann man mehr Differenzierung abverlangen.
 
Was Sie mit diesem Antrag geliefert haben, ist an Einseitigkeit kaum zu übertreffen. Wer in jedem zweiten Satz davon redet, wie man Investoren das Ausbeuten sächsischer Lagerstätten erleichtern kann, hat den Sinn einer Rohstoffstrategie nicht verstanden. Es wäre besser gewesen, Sie hätten den Antrag der Linksfraktion genommen und daraus ein bisschen abgeschrieben. Der ist nämlich wesentlich differenzierter als Ihr Machwerk, in dem es nur um wirtschaftliche Nutzung, aber nie um Güterabwägung geht. Ihre Politik lässt darauf schließen, dass Sie gar nicht wissen, was ich meine. Ich erkläre es Ihnen: Wo zwei oder mehr gleichwertige Güter nicht gleichzeitig verwirklicht werden können und somit eine Kollision vorliegt, muss eine Abwägung stattfinden. Das setzt voraus, dass man mal die Scheuklappen absetzt und einen Gegenstand von mehreren Seiten betrachtet. Hätten Sie das gemacht, wäre Ihnen vielleicht aufgefallen, dass die Sächsische Rohstoffstrategie in vielerlei Hinsicht unvollständig ist.
 
So fehlt bspw. die Auseinandersetzung mit der Frage: "Was wollen wir eigentlich nicht abbauen, sondern aufheben?" Koalition und Staatsregierung entfachen allenfalls ein Strohfeuer, nachhaltig ist das nicht. Je nach Bodenschatz sind die Vorkommen nach einigen Jahren ausgebeutet und es bleibt schlicht nichts übrig. Rohstoffsicherheit wird so ganz sicher nicht garantiert. Ohne korrigierende Eingriffe klaffen privatwirtschaftliches und soziales Optimum bei der Nutzung natürlicher Ressourcen auseinander. Deshalb muss der Staat einen Ordnungsrahmen setzen, um den Ressourcenverbrauch an das soziale Optimum anzunähern.
 
Ungeklärt bleibt auch die Frage, inwieweit die genehmigten und die beantragten Vorhaben konfliktfrei zu den raumordnerischen Planungen der verschiedenen Verwaltungsebenen stehen. Im Rohstoffkatalog des SMWA lassen sich schon Konfliktlinien ausmachen: Ein Teil der Vorkommen befindet sich in Plangebieten mit Schutzstatus. Darüber hinaus haben im Katalog ausgewiesene Rohstoffstandorte naturschutzrechtlichen Schutzstatus. Da können Sie nicht einfach drüber hinweggehen.
 
Ein paar Worte zur Braunkohle: Das Ziel, Braunkohle irgendwann in der Zukunft nicht mehr thermisch, sondern stofflich zu verwerten, ist richtig. Mit ihrer aktuellen Politik des Ausbaus der Verstromung konterkariert die Staatsregierung dieses Ziel jedoch. Bei der Stromerzeugung aus Braunkohle fallen die höchsten CO2-Emissionen je erzeugter Kilowattstunde an. Mit jeder verbrannten Tonne Braunkohle steht nicht nur eine Tonne weniger für die stoffliche Verwertung zur Verfügung, es wird auch mehr als eine Tonne CO2 in die Atmosphäre abgegeben. Jede zehnte Kilowattstunde wird für den Eigenbedarf des Kraftwerkes produziert. Braunkohlekraftwerke verursachen ca. 60 Prozent der sächsischen Treibhausgasemissionen. Sachsens Prokopf-CO2-Emissionen liegen bei über 13 Tonnen, einer der Höchstwerte in der Welt.
 
Eine Rohstoffstrategie muss sich damit kritisch auseinandersetzen und Wege aufzeigen, wie der Ausstieg aus der Braunkohleverstromung gelingen kann. Die Norweger zeigen, wie man es machen kann. Die haben einen ein Nachhaltigkeitsfond für die Einnahmen aus Öl und Gas aufgelegt. 2013 werden rund 40 Mio. Tonnen Braunkohle gefördert. Über 20 Jahre würden bei einem konservativem Zinssatz von 3 Prozent im Jahr 2030 rund 250. Mio. Euro für die Zeit nach dem Ausstieg zur Verfügung stehen, wenn der Rohstoff endlich mit einer Förderabgabe belegt würde. Ein Teil der Millionengewinne von Vattenfall und Mibrag würden endlich im Lande bleiben und könnte genutzt werden, um die Wirtschaft in den Kohlegebieten auf ein tragfähiges Fundament zu stellen. Dazu sollten Sie m.E. damit beginnen, die Ausgangslage ehrlich darzustellen. Die Behauptung, Braunkohle sei der einzige subventionsfreie Energieträger und deshalb sehr günstig, wird nicht wahrer, nur weil Sie sich ständig wiederholen. Die externen Kosten durch Umweltzerstörung, Grundwasserentnahme, Klimafolgeschäden oder Luftverschmutzung preisen Sie nämlich nicht mit ein. Allein die Klimafolgeschäden belaufen sich laut Umweltbundesamt für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg auf fünf Mrd. Euro im Jahr. Braunkohle ist auch nicht subventionsfrei. Die Konzerne zahlen weder eine Förderabgabe noch eine Abgabe für Grundwasserentnahme. Auch die Emissionszertifikate bekommen sie bisher zum großen Teil geschenkt. 600 Mio. Euro verschenkt der Staat in den drei genannten Bundesländern jährlich. Dieses Geld könnten wir gebrauchen, um den ländlichen Raum zu entwickeln, anstatt ihn wegzubaggern.
 
Aber Sie flunkern noch weiter: In der Rohstoffstrategie ist von deutschlandweit 86.000 Arbeitsplätzen die Rede. Laut dem Bundesverband Braunkohle (!) sind es nur 24.400 Arbeitsplätze. Wen haben Sie denn da alles dazugezählt? Das ist doch so, als würden Sie die Straßenbauarbeiter der Automobilindustrie zuschlagen. Hier fehlen Ihnen Seriosität und Glaubwürdigkeit!
 
Ich fasse zusammen: Die Rohstoffstrategie ist notwendig, eine Fortschreibung sollte selbstverständlich sein. Die im Antrag der Koalition genannten Kriterien sind einseitig und damit unvollständig. Deshalb können wir dem Antrag nicht zustimmen.

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