Michael Weichert: Nachhaltiges Wirtschaften muss Ökologie und Soziales vereinen

Redebeitrag des Abgeordneten Michael Weichert zum Antrag der SPD-Fraktion zur Tarifbindung durch nachhaltige sächsische Wirstchaftsförderung, Drs. 5/12951, 91. Sitzung des Sächsischen Landtages, 30. Januar 2014, TOP 5

– Es gilt das gesprochene Wort –
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Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,
natürliche Ressourcen sind die Basis wirtschaftlicher Tätigkeit. Zu ihnen zählen Biomasse, Erze oder fossile Energieträger. Hinzu kommen die sogenannten Umweltmedien: Gewässer, Boden, Atmosphäre, Sonne und die biologische Vielfalt. Die weltweit wachsende Nachfrage nach Rohstoffen verstärkt den Druck auf unsere Lebensgrundlagen. Um Ressourcen zu schonen, müssen wir nachhaltig wirtschaften, durch innovative Technologien und Dienstleistungen effizienter werden und die Rohstoffproduktivität durch optimierte Wertschöpfungsketten erhöhen.
Man könnte nun meinen, ein Antrag, der nachhaltiges Wirtschaften fordert, muss richtig und gut sein. Dem ist aber nicht zwangsläufig so. Die SPD versucht mit dem vorliegenden Antrag einen eigentümlichen Spagat. Einerseits werden (neben ein bisschen "Grünsprech") altbekannte sozialdemokratische Forderungen in ein neues Korsett gepresst und ein weiteres Mal verkauft, andererseits muss die SPD das Ganze so allgemein formulieren, dass sie der Regierung in Berlin nicht auf die Füße tritt.
Diese, liebe Kolleginnen und Kollegen, schert sich einen Teufel um Nachhaltigkeit und ressourceneffizientes Wirtschaften. Die "Gabriel-Bremse" für erneuerbare Energien bspw. ist ein Frontalangriff auf die Energiewende. Wenn Gabriel wirklich die Kosten der Energiewende senken will, muss er die Befreiung für energieintensive Betriebe abbauen und Kohlekraftwerke für ihre realen gesellschaftlichen Kosten zahlen lassen. Aber soweit geht die Verteilungsgerechtigkeit der SPD dann doch nicht.
Da wirkt es wenig glaubwürdig, hier im Sächsischen Landtag von einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten sozialen Marktwirtschaft zu erzählen, so richtig diese Forderung auch ist. Ja, es muss tatsächlich gelingen, Wachstum und Ressourcenverbrauch zu entkoppeln. Quantitatives Wachstum mag als Ziel wirtschaftlichen Handelns legitim sein, als gesellschaftliches und politisches Ziel hat es dagegen ausgedient. Grüner Anspruch ist es, Markt und Wirtschaftspolitik nach ökologischen und sozialen Kriterien zu gestalten. Sachsen braucht nicht weniger Staat, sondern einen aktiven und im Sinne des Gemeinwohls handelnden Staat, in dem Politikfelder intelligent miteinander verknüpft werden. Die zentralen Elemente für qualitatives Wachstum sind Investitionen in die regionale Wirtschaftsstruktur, Innovation, Forschung und Bildung.
Die im Antrag geforderten Anreizsysteme in der Wirtschaftsförderung können dabei Katalysatoren sein. Über die Frage, wie diese im Detail aussehen sollen, lässt sich allerdings streiten. Keiner kann behaupten, den Stein der Weisen gefunden zu haben. Öffentliches Geld an Leistungen für das Gemeinwohl zu koppeln, ist legitim. Doch es ist auch richtig, dass mit jeder zusätzlichen Fördervoraussetzung die Richtlinien umfangreicher und bürokratischer werden. Noch bürokratischer. Sachsen ist ja bereits jetzt dafür bekannt, auf jede EU-Verordnung noch mindestens eine Schippe draufzulegen. Speziell bei kleineren Investitionen wiegt der Aufwand für den Antrag auf Fördermittel den Nutzen nicht auf.
Darum bin ich ein Freund der steuerlichen Förderung von Energie- und Ressourceneffizienz. Gemäß dem Grundsatz einer ökologischen Steuerreform soll belohnt werden, was die Umwelt verbessert (und belastet werden, was die Umwelt schädigt). Steuerliche Maßnahmen sind – speziell bei kleineren Investitionen – einfacher beherrschbar und weniger bürokratisch. Um steuerliche Begünstigungen kümmert sich in der Regel der Steuerberater. Unternehmen haben so niedrigere Suchkosten und generell weniger Aufwand mit der Abwicklung.
Als Teil der Großen Koalition erwarte ich von der SPD neue Wege in Sachen Wirtschaftsförderung. Sie haben es jetzt mit in der Hand, die Weichen für eine "auf Nachhaltigkeit ausgerichtete soziale Marktwirtschaft" zu stellen. Wenn ich mir jedoch die ersten Aufschläge ansehe, meine ich, bevor Sie die Weichen stellen können, müssten Sie erstmal Gleise verlegen.
Kommen wir zur "Guten Arbeit" als Fördervoraussetzung. Arbeitspolitisch-soziale Aspekte hemmen die wirtschaftliche Entwicklung Sachsens, denn uns laufen die Fachkräfte davon! Die Koalition hat bisher nicht verstanden, dass Leiharbeit, Niedriglohn und fehlende Mitbestimmung der Arbeitnehmer der Attraktivität des Standortes Sachsen schaden.
Nach einer Unternehmensumfrage durch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) im Auftrag des SMWA ist der Freistaat Sachsen im Jahr 2011 auf dem letzten Platz bei Löhnen in Deutschland angekommen. Danach verdienten Vollzeitbeschäftigte in Sachsen 110 Euro im Monat weniger als im ostdeutschen Durchschnitt. Gegenüber dem westdeutschen Durchschnitt waren es sogar 740 Euro weniger. Das Lohnniveau liegt lediglich bei 75 Prozent West. Mit Blick auf die Niedriglohnschwelle im Osten von 1379 Euro liegt fast jeder Vierte arbeitende Sachse darunter. Knapp jeder Zweite der derart niedrig bezahlten Menschen ist sogar in Vollzeit beschäftigt.
Die Kritik an diesen Zuständen richtet sich jedoch nicht nur an die Staatsregierung, sondern auch an die sächsische Wirtschaft. Einige Unternehmen, vor allem in ländlichen Regionen, haben sich regelrecht daran gewöhnt, dass Menschen für kleines Geld Großes leisten. Geschäftsmodelle jedoch, die sich mit vernünftigen Löhnen nicht rechnen, dürfen vom Staat nicht länger subventioniert werden. Vor allem bei der Vergabe öffentlicher Leistungen hat der Freistaat eine Vorbildfunktion. Wollen wir das Image als Niedriglohnland loswerden, muss die öffentliche Auftragsvergabe an die Einhaltung von Tarifverträgen gekoppelt werden. Denn gut ist nicht allein, was Arbeit schafft. Es kommt darauf an, dass man von seiner Arbeit auch leben kann. Nur so bindet man hoch qualifizierte Fachkräfte an sächsische Unternehmen.
Der Antrag berührt für uns wichtige Themen. Doch im Gegensatz zum Antragsteller glaube ich, dass sich nicht alle Wünsche in sächsischen Förderrichtlinien unterbringen lassen. Ich warne davor, sie zu überfrachten. Das nutzt weder Unternehmen noch Arbeitnehmern. Wir brauchen wenige, dafür aber klare Zielvorgaben. Diese Klarheit vermisse ich im vorliegenden Antrag, dem wir deshalb nur mit einigen Bauchschmerzen zustimmen können.
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