Miro Jennerjahn: Asylbewerberleistungsgesetz aus grundsätzlichen menschenrechtlichen Erwägungen abschaffen
Redeauszüge des Abgeordneten Miro Jennerjahn zum Antrag „Unverzügliche Anhebung der Grundleistungen für Asylbewerber und Verankerung der Leistungen in den allg. Sicherungssystemen“, in der 33. Sitzung des Sächsischen Landtages, 24.03., TOP 3
Jennerjahn: Aus grundsätzlichen menschenrechtlichen Erwägungen hat die GRÜNE-Bundestagsfraktion bereits zweimal einen Gesetzentwurf vorgelegt, der auf die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes zielt
Es gilt das gesprochene Wort!
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Seit das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) 1993 beschlossen wurde, wird es von vielen Seiten – auch von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – aus grundsätzlichen menschenrechtlichen Erwägungen heraus kritisiert. Deshalb hat die GRÜNE-Bundestagsfraktion sowohl in der letzten Legislaturperiode als auch in dieser, einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Abschaffung des AsylbLG zum Ziel hat.
Wir haben es bereits gehört, der Grund für die breitere Diskussion über dieses unsägliche Gesetz liegt in der darin enthaltenen intransparenten und willkürlichen Festlegung der Leistungen für die Existenzsicherung von Asylsuchenden. Das dies verfassungsrechtlich nicht haltbar ist, ist seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den Regelsätzen des ALG II eindeutig. Noch nicht einmal die Bundesregierung kann die Verfassungswidrigkeit anzweifeln und hat deshalb Nachbesserungen angekündigt. Unsere Kritik am Asylbewerberleistungsgesetz ist also bestätigt.
Einzig eine Neuberechnung der Leistungen für Asylbewerberinnen und -bewerber greift zu kurz. Das Gesetz enthält zahlreiche Punkte, die grundsätzlich zu kritisieren sind.
Nehmen wir z.B. die Versorgung im Krankheitsfall. Für Asylsuchende ist die medizinische Versorgung nach §4 AsylbLG auf die Behandlung lediglich „akuter Erkrankungen und Schmerzzustände“ beschränkt. Sogenannte sonstige Leistungen, die zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit „unerlässlich“ oder zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern „geboten“ sind, müssen nach §6 AsylbLG nicht, sondern „können“ lediglich gewährt werden, wenn dies „im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerlässlich“ ist. Auch die „erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe“ für unbegleitete Minderjährige oder durch Folter, Vergewaltigungen oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt traumatisierter Flüchtlinge ist für Asylsuchende nicht sicher. Mit diesen Zuständen muss Schluss sein. Asylsuchende brauchen endlich eine Krankenversicherung.
Auch die Versorgung von Asylsuchenden über Wertgutscheine oder Essenspakete ist nicht nur menschenverachtend, sondern hat sich als Bürokratiewahnsinn entpuppt. Erschwerend kommt hinzu, dass das Gutscheinsystem von einigen Menschen benutzt wird, um sich an Asylsuchenden zu bereichern – auch in Sachsen. Einige hier haben vielleicht den Bericht von MDR Exakt im Februar gesehen. Im Leipziger Land betreibt ein Versorger Lebensmittelläden, in denen Asylsuchende die ihnen zustehenden Gutscheine einlösen können – die Preise in diesen Läden sind bis zu 50 Prozent höher als im nahe gelegenen Supermarkt. Die Asylbewerber im Leipziger Land müssen also nicht nur mit Regelsätzen leben, die seit 1993 nicht an die Inflation angeglichen wurden, sie müssen auch noch überhöhte Preise für ihre Lebensmittel bezahlen.
Der Ausländerbeauftragte Herr Martin Gillo kritisierte diese Zustände mit deutlichen Worten, wofür ihm in diesem Zusammenhang noch einmal gedankt sei.
Man kann natürlich behaupten, dass der zuletzt genannte Fall nur ein Beispiel ist. Dafür muss man aber die vielen anderen Berichte ignorieren, bei denen sich Menschen unter dem Deckmantel des Sachleistungsprinzips, wie es im AsylbLG festgeschrieben ist, an Asylsuchenden bereichern. Das Anbieten vollkommen überteuerter Essenspakete ist immer wieder vorgekommen.
Meiner Meinung nach ist das Gesetz repräsentativ für ein System, in dem Asylsuchende und Geduldete in der Bundesrepublik zu Menschen zweiter Klasse gemacht werden und dies betrifft nicht nur die Regelsätze. Auch die Begründung, dass Asylsuchende nur deshalb keinen Anspruch auf Leistungen für z.B. kulturelle Partizipation haben, weil sie nur übergangsweise in Deutschland sein werden, gehört dazu.
Aus unserer Sicht gilt das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit für alle Menschen zu jeder Zeit im Geltungsbereich des Grundgesetzes. Und nicht nur wir sind dieser Meinung. In der Anhörung zum Gesetzentwurf der GRÜNEN-Bundestagsfraktion Anfang Februar bestätigte die Mehrheit der Sachverständigen unsere Haltung.
Sehr geehrte Damen und Herren, auf Bundesebene haben BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bereits einen Gesetzentwurf vorgelegt, der auf die Abschaffung des AsylbLG abzielt und damit über eine bloße Willensbekundung hinaus geht.
Grundsätzlich begrüßen wir aber jede Initiative welche die Abschaffung des Gesetzes zum Ziel hat. Deshalb wird die Fraktion der GRÜNEN dem vorliegenden Antrag zustimmen.