Miro Jennerjahn zum Breitband-Internet

Gefahr, dass die digitale Spaltung nicht zwischen arm und reich, oder jung und alt verläuft, sondern zwischen Stadt und Land
Redebeitrag des Abgeordneten Miro Jennerjahn zum Antrag "Versorgung mit schnellem Internet als Aufgabe der Daseinsvorsorge verankern" in der 29. Sitzung des Sächsischen Landtages, 20.01., TOP 4
Es gilt das gesprochene Wort!
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Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
der Antrag über den wir gerade debattieren, beinhaltet im Kern keine technische Frage, die politisch gelöst werden muss. Er beinhaltet viel mehr eine explizit politische Frage, aus deren Beantwortung bestimmte technische Konsequenzen resultieren. Und deshalb reicht es nicht aus, die zentrale Forderung des Antragstitels schnelles Internet als Aufgabe der Daseinsvorsorge zu verankern, mit dem Hinweis zu beantworten, dass ohnehin schon weite Teile der deutschen Haushalte die Möglichkeit hätten, auf breitbandiges Internet zurück zu greifen.
Erstens heißt das, der politischen Frage bewusst auszuweichen. Zweitens wird dabei die doch recht unterschiedliche Definition des Begriffs Breitband nicht mit der nötigen Differenziertheit erfasst.
Zur politischen Frage: Dass wir an der Thematik breitbandiges Internet nicht mehr vorbei kommen ist ein Allgemeinplatz. Die Bedeutung, die dieses Thema im politischen Raum zu Recht bekommen hat, lässt sich etwa an der Breitbandstrategie der Bundesregierung aus dem Jahr 2009 und der "Digitalen Agenda für Europa" der EU-Kommission aus dem Frühjahr 2010 ablesen.
Dass der Ausbau schnellen Internets enorme wirtschaftliche Bedeutung hat, ist ebenso Grundlage für die Erarbeitung dieser Dokumente wie die Gewissheit, dass eine entsprechende Versorgung erhebliche gesellschaftliche Bedeutung hat, etwa bei den daraus resultierenden Möglichkeiten der Beteiligung und der Informationsbeschaffung. Eine Studie kam im März 2006 zu der Feststellung, dass in Deutschland eine konsequente Ausnutzung der breitbandigen Kommunikation ein gesamtwirtschaftliches Wachstum zwischen 18 und 46 Mrd. Euro und die Schaffung von bis zu 265.000 neuen Arbeitsplätzen generieren könnte.
Die eminent politische Frage, die wir also zu beantworten haben, lautet: Ist die Bedeutung der vergleichsweise jungen technologischen Errungenschaft Internet, so hoch zu bewerten, dass wir den Zugang zu schnellem Internet als Bestandteil der Daseinsvorsorge definieren, wie es bei Telefonanschluss und Post ja bereits der Fall ist, und die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen schaffen? Jeder Haushalt hätte damit Anspruch auf einen entsprechend schnellen Zugang zum Internet zu erschwinglichen Preisen.
Wir sind überzeugt davon, dass es an der Zeit ist, den Zugang zu schnellem Internet als Teil der Daseinsvorsorge zu definieren.
Das Internet durchdringt zunehmend den Alltag der Menschen. Wer keinen Zugang zum Internet hat, wird zunehmend von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen sein. Und so müssen wir aufpassen, dass es nicht zur digitalen Spaltung der Gesellschaft kommt, auf der einen Seite diejenigen, die auf diese Ressource zugreifen können, auf der anderen Seite diejenigen, die es sich nicht leisten können. Es gibt aber auch die tatsächliche Gefahr, dass die digitale Spaltung nicht zwischen arm und reich, oder jung und alt verläuft, sondern zwischen Stadt und Land.
Die flächendeckende Erschließung des ländlichen Raums mit schnellem Internet ist daher auch eine Frage der Wirtschaftsförderung. Es gibt viele Unternehmen, denen ist eine gute Versorgung mit schnellem Internet deutlich wichtiger als der vierspurige Ausbau auch noch der letzten Kreisstraße in diesem Freistaat.
Erst aus dieser politischen Beantwortung ergibt sich die Folgefrage, welcher technische Mindeststandart als Daseinsvorsorge gelten soll.
Schaut man auf die Antworten der Staatsregierung auf Kleine Anfragen, dann findet man dort beispielsweise im Juli 2010 die Antwort mehr als 98% der sächsischen Haushalte seien mit Breitband versorgt. Diese positive Zahl relativiert sich allerdings schlagartig beim Blick auf die angegebene Definition von Breitband. Hier gilt als Breitband alles was eine Geschwindigkeit 384 kbit/s oder mehr im Download-Bereich aufweist. Das ist nun wirklich ein Witz. Das ist so, als würde man von den vielfältigen Möglichkeiten des Telefons schwärmen und den Menschen dann Morseapparate anbieten.
Auch die derzeitige Praxis der Bundesregierung von Breitband ab einer Kapazität von 1 Mbit/s zu sprechen ist eigentlich nicht mehr haltbar. Das reicht nicht mal aus, um ein Video auf einer Nachrichtenseite ruckelfrei anzusehen. Daher ist es auch begrüßenswert, dass die Staatsregierung ihrem eigenen Sprachgebrauch in der erwähnten Kleinen Anfrage zum Trotz, aktuell von einer Unterversorgung ausgeht, wenn nicht mindestens eine Kapazität von 2 Mbit/s erreicht wird.
Insgesamt bin ich erfreut, dass die Kollegen von der SPD mit diesem Antrag eine 180-Grad-Wende vollzogen haben. Während der Kollege Jurk in seiner Zeit als Wirtschaftsminister auf den Antrag meiner Fraktion mit der Drucksachen-Nummer 4/8247 "Breitbandoffensive Sachsen" in der letzten Legislatur noch mit dem Mantra «der Wettbewerb regelt alles» antwortete, ist hier nun eine deutliche Weiterentwicklung zu erkennen, die ich nur begrüßen kann.
Allerdings ist der vorgelegte Antrag trotz der richtigen politischen Stoßrichtung mehr als schwach. Das hat offenbar auch die SPD erkannt und den ursprünglichen Antrag mit ihrem Änderungsantrag großflächig überschrieben. Allerdings ist auch dieser Änderungsantrag nicht zufriedenstellend, daher werden wir einen eigenen Änderungsantrag einbringen, der für uns Voraussetzung für eine Zustimmung zum Antrag der SPD ist.