Änderung des Justizgesetzes – Meier: Wenn Einschätzungen von Sachverständigen schlicht übergangen werden, widerspricht dies unserer Aufgabe, qualifiziert zu entscheiden

Rede der Abgeordneten Katja Meier zur zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Staatsregierung "Drittes Gesetz zur Änderung des Sächsischen Justizgesetzes" (Drs 6/15970)
90. Sitzung des 6. Sächsischen Landtags, Mittwoch, 10. April, TOP 8
– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Behandlung dieses Gesetzentwurfs ist ein unrühmliches und doch klassisches Beispiel für die Arbeitsweise von CDU und SPD in diesem Parlament.
Die Staatsregierung legte dem Landtag einen Gesetzentwurf vor, der hinsichtlich des neu einzuführenden § 13a Justizgesetz sicher gut gemeint ist. Aber gut gemeint ist nicht gut gemacht.
Die Rolle qualifizierter Berichterstattung ist in unserer Demokratie nicht zu unterschätzen. Den Medien die Arbeit zu erleichtern ist grundsätzlich begrüßenswert.
Auf den ersten Blick erscheint die automatische Versendung der Terminlisten auch rechtlich nicht besonders problematisch. Schließlich hängen die Listen der anstehenden Verhandlungen in den öffentlich zugänglichen Gerichtsgebäuden ohnehin aus.
Und in der Praxis werden die Listen aktuell an die einschlägig bekannten Gerichtsreporterinnen und -reporter versandt.
Der Sächsische Datenschutzbeauftragte hat zu dem vorgelegten Gesetzentwurf allerdings erhebliche Bedenken geäußert. Denn durch die Versendung der Terminlisten werden Unmengen an Daten an einen fast unüberschaubaren Empfängerkreis verbreitet.
Die betroffenen Personen stehen überwiegend unfreiwillig namentlich auf diesen Listen.
Die Bemühungen des Gesetzentwurfs, um den Schutz ihrer Daten gehen ins Leere, weil die Erfüllung der Löschpflicht nicht überprüfbar sein wird.
Die Bedenken des Datenschutzbeauftragten nehmen wir GRÜNE sehr ernst. Deswegen haben wir im Verfassungs- und Rechtsausschuss eine Sachverständigenanhörung durchführen lassen, um uns ein umfassendes Bild zu machen.
Die Ergebnisse der Anhörung waren eindeutig:
1. Es braucht den neuen § 13a gar nicht, weil das Sächsische Pressegesetz und der Rundfunkstaatsvertrag bereits umfassende Auskunfts- und Informationsansprüche für die Medien bereithalten.
2. Der Versand der Terminlisten durch die sächsischen Gerichte muss nach einheitlichen Regeln erfolgen. Hierzu reicht aber, wie in anderen Bundesländern, eine Verwaltungsvorschrift.
3. Die Datenschutzregelungen in den Sätzen 3 und 4 des §13a wurden von allen juristischen Sachverständigen als verfassungsrechtlich höchst bedenklicher Eingriff gewertet. Ihre Streichung wurde empfohlen.
4. Um eine Anonymisierung der versandten Listen kommt man nicht herum. Die deutschen Gerichte veröffentlichen ihre Entscheidungen nur anonymisiert. Über das Aktenzeichen ließen sich auf nicht anonymisierten Terminlisten ohne weiteres die zugehörigen Namen der Beteiligten herausfinden.
Das geht nicht.
Ein Sachverständiger präsentierte uns einen konkreten alternativen Formulierungsvorschlag, der die meisten dieser Problempunkte des Gesetzentwurfs gelöst hätte. Die Koalition hätte ihn nur in einen Änderungsantrag gießen müssen.
Ein Änderungsantrag kam dann auch von den Koalitionsfraktionen. Allerdings enthielt der keinerlei Änderungen am § 13a. Die eindeutigen Anhörungsergebnisse wurden schlichtweg ignoriert.
Das betrifft übrigens nicht nur die Versendung der Terminlisten, sondern auch die Änderung des § 60 des Justizgesetzes, mit dem neue gewerberechtliche Aufgaben auf die Kommunen ohne Mehrbelastungsausgleich übertragen wurden.
Stattdessen enthielt der Änderungsantrag eine ganz neue Materie, nämlich die Gebührenfreiheit für Eintragung gemeinnütziger Vereine ins Vereinsregister. Tatsächlich eine gute Sache.
Aber das eigentliche Problem, dass von nahezu allen Sachverständigen angesprochen wurde, haben sie nicht gelöst.

Meine Damen und Herren,
niemand in diesem Hohen Haus weiß alles. Gerade deshalb sind die Sachverständigenanhörungen ein unverzichtbarer Bestandteil des Gesetzgebungsverfahrens. Denn sie helfen uns, bei der Abwägung qualifizierte Entscheidung treffen zu können.
Und genau das ist auch unsere Aufgabe hier – qualifiziert zu entscheiden.
Wenn die Einschätzungen der Expertinnen und Experten dann aber schlicht übergangen werden, ist das nicht nur respektlos gegenüber ihrem meist ehrenamtlichen Engagement für unsere Gesellschaft.
Es zeugt auch von einem zweifelhaften Parlamentsverständnis, wenn die Legislative Vorlagen der Exekutive trotz erheblicher Bedenken der Sachverständigen schlicht durchwinkt.
Da macht die GRÜNE-Fraktion nicht mit.
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