AfD-Asyldebatte: Ihre Debatte löst keine der tatsächlich vorhandenen Herausforderungen, die wir in Sachsen aktuell haben!

Rede des Abgeordneten Wolfram Günther zur Aktuellen Debatte der Fraktion AfD: "Asylmissbrauch in Sachsen – das Boot ist nicht nur voll, es droht zu sinken"
73. Sitzung des Sächsischen Landtags, 31. Mai, TOP 1
– Es gilt das gesprochene Wort –  

Auch wir haben uns als GRÜNE gefragt, was Sie mit Ihrer Debatte eigentlich bezwecken. Was Sie hier vorgetragen haben, hat doch nicht wirklich etwas erhellt. Wenn es tatsächlich die Probleme unseres Landes sind, dass Menschen in Konflikt geraten, wenn sich ihre Fahrräder berühren oder wenn man sich an der Blumenrabatte begegnet — wenn das die Zustandsbeschreibung ist, dann leben wir in einem sehr, sehr glücklichen Land.

Ich empfinde mich wirklich als sehr wohlwollenden Menschen und versuche auch zu verstehen, warum andere Menschen Probleme haben; aber es fällt mir einfach schwer nachzuvollziehen, wo Ihr Problem ist.

Deshalb würde ich gern ein paar Fragen stellen. Die erste ist: Glauben Sie wirklich, dass das, was Sie vortragen, das richtige Thema ist, dass das etwas mit unseren Problemen hier im Land zu tun hat? Wir waren erst vor zwei Tagen bei der IHK und haben festgestellt: Wir haben in diesem Land ein demografisches Problem, wir haben Arbeitskräftemangel. Wenn man den IHK-Bericht liest: Sieben von zehn Firmen sagen, dass das Hauptrisiko ihrer Zukunft Fach- bzw. Arbeitskräftemangel ist.

Bringt diese Debatte irgendeinen Nutzen? Ist sie eine Antwort auf so eine Kernfrage?

Wir haben vorhin über Schulsozialarbeiter gesprochen, wir reden über Lehrermangel, über Mangel beispielsweise bei Polizisten oder bei Kindergärtnerinnen. Ist diese Debatte eine Antwort auf diese Probleme?

Wir sind in Sachsen einmal mit viereinhalb Millionen Einwohnern gestartet und wissen, wir werden bis 2030 unter vier Millionen sein. Das sind Herausforderungen für die Regionen, für die Städte, die es betrifft. Ist es da unser Problem, dass wir hier Asylbewerber haben? Ich kann das einfach nicht nachvollziehen.

Wo kommen Ihre Ängste eigentlich her? Warum sind diese Menschen verantwortlich für alle Sorgen und Probleme, die wir hier haben?

Wir sind mehrere Millionen in diesem Land und die aktuellen Zahlen zeigen, wie viele
Asylbewerber wir haben. Es sind etwas über 23 000, und diejenigen, die ausreisepflichtig sind — und auf die Sie vielleicht abzielen, aber Sie haben noch nicht einmal etwas dazu gesagt -, ‚ das sind ein paar Tausend. Kennen Sie diese Leute denn überhaupt? Wissen Sie, dass jeder Einzelne Sie irgendwie bedroht und gefährlich für Sie ist?

Sie bekommen hier Platz für ein aktuelles Debattenthema –  es ist das zweite am heutigen Tag; das ist ja auch nicht irgendetwas, sondern das ist der Sächsische Landtag. Hilft uns das irgendwie weiter
bei unseren Problemen und ist dieses Thema Asylbewerber wirklich ein relevantes
für diese Gesellschaft und für die anstehenden Probleme?

Aber ich kann Ihnen sagen: Ich sehe Menschen, die hierherkommen, als Bereicherung an, und ich sehe es grundsätzlich so, wenn wir das globale Problem haben, dass uns die Menschen abhandenkommen, dass wir dafür sorgen müssen, dass wir Menschen hierherbekommen. Das könnte ein Teil der Lösung sein. Ich frage mich, warum Sie immer solche Angst haben vor diesen wenigen Menschen, die eigentlich wirklich da sind. Sie reden ja immer von Deutschland und
Nationalbewusstsein. Fühlen Sie sich denn so schwach, dass Sie glauben, wenn jetzt 8 000 ausreisepflichtige Asylbewerber bei uns sind, dass Ihre komplette Kultur zusammenbricht? Ich kann das nicht so richtig nachvollziehen.

Sind nicht ganz andere Themen wichtig, und wieso sollen die Menschen so anders sein? Wenn Sie sich irgendwo auf der Welt bewegen –  Sie reden ja immer von deutscher Kultur -, gehen Sie nach Kairo, nach Nairobi oder irgendwohin, stellen Sie sich auf die Straße, fahren Sie mit dem Taxi, telefonieren Sie mit Ihrem Smartphone  und dann versetzen Sie sich einmal ins Dresden des Jahres 1450 zurück, und dann
fragen Sie sich, wo Sie sich besser zurechtfinden und wo Sie vielleicht größere kulturelle Unterschiede bemerken.

Fragen Sie sich das mal. Ich will Ihnen darauf keine Antwort geben –  auch weil Sie immer sagen, wir müssen hier dichtmachen und das Land abschotten. Fragen Sie sich einmal, in welchen Zeiten und welche Länder immer am besten prosperieren und kulturell aufblühen: die, die sich immer besonders abschotten; die, die ihre Gesellschaft spalten und sich streiten; oder die, die versuchen, möglichst gemeinsam
Themen anzugehen, und die sich öffnen für die Welt?

Beobachten Sie das einfach einmal, vielleicht gibt Ihnen das Antworten auf Ihre Thesen!
Der Deutsche Industrie- und Handwerkskammertag hat dieser Tage wieder gesagt: In dem wachsenden Nationalismus und Protektionismus weltweit sieht er die größten Risiken für die Zukunft der Wirtschaft. Das müssen Sie sich einmal auf der Zunge zergehen lassen!

Dort stecken die Risiken. Sollten wir nicht lieber mit Mut und Zuversicht unsere Aufgaben, die wir in diesem Land haben, angehen? Nützt uns da so ein Debattenbeitrag etwas, dass sich Leute am Fahrrad und an der Grünanlage streiten? Ich zumindest glaube nicht, dass das die Antwort auf diese Frage ist.

Sie haben ja in dem Debattenbeitrag die CDU benannt und ich frage mich auch, ob das ein Beitrag ist, wenn der Ministerpräsident Ihnen in manchen Dingen hinterherläuft — ich sage nur Ankerzentren.

Welchem Schüler, wenn der Lehrer fehlt, welchem alten Menschen, dem der Pflegerfehlt, nützt das etwas? Wer hat einen Vorteil? Und wer hat eher einen Nachteil –  von Betroffenen, von Helfern, von Paten? Ich selbst bin Unterstützer, Pate von Flüchtlingen. Für mich wäre es problematisch, das weitermachen zu können. Wer hat einen Vorteil, aber wer hat alles Nachteile? Ist es dann ein Beitrag?

Kennen Sie Luther und seinen schönen Spruch von dem verzagten Gesäß und den Winden, die da rauskommen? Ist das nicht etwas: dass wir mit Freude an die Aufgaben gehen, statt immer alles schlechtzureden und uns unsere gute Zukunft kaputt zu machen?

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